Rundbrief 1/05                                                         Ende Juli 2005

 

Inhalt

1.  Einleitung

2.  Nachwehen der „Psycho-DDR“, Entwicklungen in der deutschen und Welt-Psychiatrie

3.  Karl Jaspers und die Angst, Ärzte und Philosophen

4.  Ärzte und Psychologen

5.  Die Gewinne der Freudianer beidseits des Rheins, ihr Zerrinnen beidseits des Atlantiks

6.  Das feine Fälschen in und mit der „Seelenheilkunde“ im Bild

7.  „Fürchtet euch nicht!

8.  Summary - im englischen Teil der GEP-Site aufzusuchen

Wiederkehrende Abkürzungen: APA = US-Fachgesellschaft; BÄK = Bundesärztekammer; = Deutsches Ärzteblatt, DGPPN = Deutsche Psychiater-Fachgesellschaft; DSM = numerierte Diagnosen-Liste der APA; Fn = Fußnote (in der vorliegenden Web-Version des Rundbriefs als Endnoten am Schluß des Rundbriefs aufgeführt und "verlinkt"); ICD = durchnumerierte Diagnosenliste der WHO, IPA = Internationale Psychoanalytische Vereinigung; KV = Kassenärztliche Vereinigung; NPZ = Neuro-Psychiatrische Zeitung (eine der vielen Druckerzeugnisse, die täglich kostenlos/industriebezahlt auf die Schreibtische der Ärzte flattern und vorgeben, ihre Meinung und außerdem wissenschaftlich feststehende Wahrheit zu vertreten); WVP = Weltverband für Psychiatrie

Hinweise: (RB +) Zahl mit zwischengestelltem Schrägstrich verweisen auf früheren Rundbrief, Zahl mit vor- oder zwischengestelltem Punkt auf das genaue Kapitel. Alle Hervorhebungen und Endnoten [in eckigen, verlinkten Klammern] sind redaktionellen Ursprungs. In Kursivdruck stehen in der Regel Aussagen von Nicht-GEP-Mitgliedern. Der Begriff Nervenarzt umfaßt an sich Neurologie und Psychiatrie, wird aber auch oft von den auseinander driftenden Teilfächern in Anspruch genommen. Die Medien werfen die Begriffe ärztlicher Psychiatrie und nicht-ärztlicher Psychologie zur Verwirrung ihrer Leser vielfach durcheinander. Von „oben“ organisatorisch-institutionell heute vielfach verbunden, treten sie zusammen oder allein oft als „Seelenheilkunde“ auf, ähnlich die Psychotherapie, die sich, von Psychologen wie Psychiatern betrieben, auch gern wissenschaftlich gibt, de facto aber (Freudsche) Glaubenslehre ist. Schon hinter manchen der Bezeichnungen sind also Fragezeichen anzubringen. Dies zeigt, wie unsolid vieles im „seelenheilkundlichen“ Bereich ist.  Daran ändern auch staatliche Anerkennungen nichts. Diese sind eher die Spitze eines Skandals, von dem im Folgenden einige Facetten näher dargestellt werden.

 

1.      Einleitung

Viele Opfer marxistisch begründeter Menschenrechtsverletzungen klagen über das Ausbleiben von Anerkennung im demokratischen Rechtsstaat. Die Aufarbeitung liegt halt auch hier weithin in Händen der (Neo-)Marxisten. Opfer des DDR-Psychiatrie-Mißbrauchs fallen jetzt, vordem geleugnet (RB ab 1/97), ganz aus der Diskussion.

Über Jahrzehnte haben wir recht  umfassend berichtet, auch über die geistesgeschichtlichen Hintergründe. Unsere Erfolgsbilanz kann sich auch sehen lassen. Der Kampf gegen den Psychiatriemißbrauch etwa hat nicht unwesentlich zum Ende der Sowjetunion beigetragen. Heute haben sich andere Unstimmigkeiten in der „Seelenheilkunde“ in den Vordergrund geschoben. Menschliche und gesellschaftliche Zerrüttungen leiten sich davon ab. Allesamt sind sie politisch veranlaßt worden. Daß darüber wie über die Behandlung besagter Opfer nicht frei gesprochen werden kann, erscheint manchen bereits als Art eines neuen Totalitarismus, eines psychologisch fein gesponnenen. Die Verhältnisse mit samt der Wechselwirkungen zwischen Politik und Psychiatrie-Psychologie zu untersuchen und ihnen gegenzusteuern, wo Unwahrheit in ihnen, ja wahre Mißbräuche der heilkundlichen Fächer zu politischen Zwecken aufscheinen, ist heute jedoch eher noch schwieriger, als es schon zu Zeiten Walter von Baeyers und seiner prominenten Schirmherrschaft war.

Auf den folgenden Seiten wird näher über die heute anstehenden Probleme berichtet, aber auch dazu, was trotz aller Widrigkeiten neue Hoffnung gibt.

 

2.  Nachwehen der„Psycho-DDR“, Entwicklungen in der deutschen und Welt-Psychiatrie

2.1              Von Anfang an wird das Amt des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU), das Verbrechen des Marxismus aufklären soll, mit Unionszustimmung von Politikern der Grünen, der Partei der Neo-Marxisten, geleitet. Die Leugnung des DDR-Psychiatriemißbrauchs hat damit wohl zu tun. Kürzlich verlautete (FAZ, 3.6.05), die Union wolle Frau Birthler eine zweite Amtsperiode verwehren. Diese hätte eine solche gern noch vor der Bundestagswahl am 18.09.05 parlamentarisch einvernehmlich beschlossen gesehen.

Wie es in der Gauck-Behörde Ende der 90er zuging (heute ähnlich?), wie sich in der alten MfS-Zentrale in Berlin-Lichtenberg auch nach der Wende manch Ehemalige tummelten und „verwaltungstechnisch behördliche Zähmung einer Revolution“ praktizierten, haben zuerst Gauck in seinem Buch Die Stasi-akten, umfänglich dann vor allem Jürgen Fuchs in seinem letzten Buch MagdalEna, Rowohlt, 1998 (S.142), beschrieben. Ein Jahr lang war Fuchs in der Behörde tätig, kannte Kollegen, Obere und Untere recht gut (s. dazu noch .7.5).

Auf Fuchs kommt ein Buch des Psychoanalytikers Trobisch-Lütge, DAS SPÄTE GIFT, Psychosozial-Verlag, 2004, zu sprechen, zu dem gar Frau Birthler ein Vorwort geschrieben hat. Trobisch, Leiter einer „Beratungsstelle für politisch Traumatisierte der DDR-Diktatur“ in Berlin, rät diesen Menschen dringend Psycho-„Hilfe“ an. Von Betroffenen in unserem Kreis wird sie unterschiedlich beurteilt, positiv von Herrn G., skeptisch von Herrn S., der Trobisch selbst erlebt hat und meint, Therapie, wie von ihm empfohlen, lenke das Interesse von der Außenwelt, auch dem Politischen aufs eigene Ego, Bauch bis Unterleib, ab. „Beschäftigung ... mit internen Problemen“ strebte auch die bekannte Stasi-Richtlinie 1/76 an (Kasten).

Trobisch „psychoanalysiert“ in dem Buch erst einmal besagten Jürgen Fuchs, den 1999 früh verstorbenen Psychologen und Schriftsteller, der von 1975 an von der Stasi verfolgt, inhaftiert und auch nach Abschiebung in den Westen weiter „zersetzt“ worden ist. Von ihm hat Trobisch wohl die Leitung der Beratungsstelle übernommen. Er attestiert ihm dafür jetzt „anscheinend unerträgliche Spannung“, „aufgestauten Haß“, „Angst vor dem Versinken in der eigenen Ohnmacht“ „unerträgliche Gefühle des Opferseins“, „Selbstverachtung“ und anderes ähnliches mehr [1]. Er empfände „Mitleid“ für ihn. Dabei riechen Trobischs Feststellungen eher nach später Rache für die Kritik, die Fuchs an der Behörde geübt hat. Auch als „Instrument staatlicher Behinderung der Aufarbeitung von DDR-Verbrechenbezeichnete dieser sie (s. dazu noch 7.5).

2.2  Herr S., selbst Opfer der roten Diktatur - wir brachten in RB 1/04,6.4 schon eine Stellungnahme von ihm -, nahm in seinem jüngsten Brief Bezug zuerst auf das Buch von zwei anderen Psychoanalytikern [2]. Diese breiten darin die (angeblichen) Hintergründe von zwanzig ehemaligen IMs aus, zeigen viel Verständnis für sie und legen solches Verständnis nahe. S. meinte dazu: „...schade, daß das Interesse der Wissenschaft nach wie vor nur den Tätern gilt, die Opfer aber ignoriert oder, wie Sie sagen [3], nur 'in gewisser Hinsicht' wahrnimmt, insofern sie nämlich heute für Psychotherapeuten als mögliche Einnahmequelle in Frage kommen, wobei sich mit staatlicher Anerkennung gerne auch ehemalige Täter als Therapeuten betätigen.

Da aber, wo die Opfer im Rahmen des gesetzlich Vorgesehenen Entschädigungsansprüche erheben wollen, beim Staat also als Bittsteller auftreten, da werden sie ignoriert oder abgewimmelt. Verächtlich abgewiesen wird erst recht, wer den Verdacht äußert, dies läge daran, daß an den Versorgungsämtern als Gutachter oft ehemalige Stasi-/SED-Täter sitzen, im übrigen solche, die nie begriffen haben, was Stasi-Verfolgung an seelischen Leiden verursachte. Selbst Trobisch läßt das in seinem Späten Gift anklingen. Überall hört man die Klagen, daß die SED-Opfer trotz guter gesetzlicher Bestimmungen vom Staat nicht anerkannt werden. Auch im ‚Verfolgten-Organ’ STACHELDRAHT 8/2004 steht es so. Auch daraus aber können die Opfer wenig Hoffnung schöpfen [4]. Den von den Versorgungsämtern Abgeschmetterten, erneut Verhöhnten wird hier zur weiteren Verfolgung ihrer gesetzlichen Ansprüche geraten, ‚unbedingt einen Rechtsanwalt einzuschalten’ -  den sich nur kaum einer von ihnen leisten kann... Trobischs Buch DAS SPÄTE GIFT ist gewiß auch – da gehe ich mit Ihnen konform – ‚späte Rache’ an Jürgen Fuchs. Dieser hat bezüglich der Gauck-Birthler-Behörde ja kein Blatt vor den Mund genommen. Trobisch hat sich für seine Gönner geschickt ‚umgesehen’. Sein GIFT wurde von der Behörde nicht nur durch Birthlers Vorwort gefördert. Die „Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur [5], bei der er sich für empfangene Unterstützung ausdrücklich bedankt, residiert im selben Haus.“

Da und dort klagt Trobisch das DDR-System durchaus an. Beeindruckend sind seine Fallschilderungen, seine „Befunde“ dabei aber etwas apodiktisch - wie jene zu Fuchs. Bei deren Interpretation hebt er zu wahrlich Freud-würdigen Theorien ab [6]. Als jugendlicher Wessi vertrat er nach eigenen Worten schon „provokant Haltungen der Ex-DDR.“  Teilweise entspricht sein Buch dem auch jetzt. Hätte er etwa von KZ-Überlebenden zu schreiben gewagt ‚Die meisten Betroffenen sehen sich zunächst nicht als psychisch krank, auch wenn sie unter erheblichen psychischen Störungen zu leiden haben und streckenweise auch Einsicht... zeigen“? Waren und sind auch ihre Positionen „teilweise zu anklagend und moralisch“? Wenn Stasi-Opfer vorbringen „Erst sind wir verfolgt worden und jetzt sollen wir auch noch für verrückt erklärt werden,“ nimmt das dieser „ausgebildete Psychotherapeut“ als weiteres Verdachtsmoment ihrer Gestörtheit. Dabei drängt sich bei solchen Darlegungen fast die Frage auf: Dient der ganze Berufszweig nur dazu, die allgemeinen und besonders die psychischen Realitäten der Menschen auf den Kopf zu stellen? Trobischs Buch wird nun staatlich unterstützt, von Frau Birthler als „umfassender Einblick in die Situation traumatisierter Menschen“ gelobt! Müssen die, die DDR-deutsche Psycho-Folter schlecht und recht überlebten, jetzt vereinigt-deutsche, therapeutisch firmierende durchstehen?

Den Opfern empfehlen sich heute als Helfer viele von denen, die am totalitären Sozialismus nie Wesentliches auszusetzen hatten. Erinnert sei an den Internationalen Psychotherapeutenkongreß 1973 in Oslo, der damals unter Verweis auf neue, „hoffnungsvolle“ Beziehungen zur Sowjetunion eine Verurteilung des politischen Psychiatrie-Mißbrauchs strikt ablehnte. Andrej Sacharow sah sich damals zu einer scharfen, bis heute nachklingenden Antwort an diese gern als Ausbund von Humanität auftretenden „Seelen-Experten“ veranlaßt [7].

Darf der Kommunismus überhaupt als aktuelle Trauma-Quelle noch gelten? Darf seinen Opfern ein Quentchen Aufmerksamkeit überhaupt noch zufließen? Auf einmal stehen heute Traumatisierungen der deutschen Bevölkerung um 1945 zur Debatte, der jetzt betagten, um die sich bisher überhaupt niemand scherte. Es geht auf einmal um die Folgen von Krieg und Vertreibung, Folgen damit endlich wieder des Nazismus. Das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT etwa entdeckte im Juli letzten Jahres die „Spätfolgen bei über 60-Jährigen“, schlug erst dieser Tage wieder in die Kerbe und ließ hier anklingen, um was es dabei vorrangig geht, nämlich um den gesellschaftlichen Diskurs (Das Schweigen brechen, DÄ 25/05, Leserbriefe in 27/05).

Wohl weil hier „Antifaschismus“ und nicht „Antitotalitarismus“ gefragt sind, stieß die NPZ 6/05 kürzlich ins gleiche Horn und titelte mit Emphase: Verspätete Aufarbeitung: das Kriegstrauma der Deutschen. Nach „Prof. Dr. Dr. Haubl vom Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt trete (es) erst jetzt langsam zu Tage... Die Auffassung, daß in diesem Alter keine therapeutischen Erfolge mehr zu erzielen seien, hat sich glücklicherweise gewandelt... Die Aufarbeitung“ sei aber, so die NPZ weiter, „im Land der nationalsozialistischen Täter und der jüdischen Opfer alles andere als unproblematisch...; gelegentlich finde eine regelrechte ‚Opferkonkurrenz’ statt...“  Erweisen sich wie die Psychoanalyse selbst auch ihrer Erfolge immer deutlicher als Flop, so wird doch auch immer deutlicher, wozu es immer mehr Psychoanalytiker braucht. Flächendeckend sind heute etwa in Nordrhein-Westfalen staatliche (Trobisch-nahe?) „Trauma-Ambulanzeneingerichtet worden – auf daß der gesellschaftliche Diskurs ja antifaschistisch bleibt und ja nicht ins Antitotalitäre umschlägt (?) – auch eine Form politischen Psychiatrie-Mißbrauchs, die heute verbreitetste Form gar?

2.3  Im Folgenden ein kürzlich zugegangenes Papier („Toxdat“) - zur Hervorhebung des Wichtigsten verkürzt - aus einem

    Lehrgangsskript an den Hochschulen des Ministeriums für Staatssicherheit

   (der Stasi-Hochschule in Potsdam)

 Anwendung potentieller psychoaktiver Wirkstoffe zur Beeinflussung des psychischen Verhaltens von Personen- problemorientierte Darstellung in Schwer punkten –

 1.                Einsatz- und Anwendungsgebiete

1.1.     Straftaten unter dem Einfluß psychoaktiver Wirkstoffe (...)

1.2.   Straftaten und/oder Verhör im Entzugssyndrom

1.3.    Aussagebeeinflussung mit / ohne Manipulation

1.3.1   Brechung des Willens („Stuporbrecher“)

1.3.2   Lösung der Tiefenpsyche („Wahrheitsdroge“, „Narkoanalyse“)

1.3.3   Erzeugung von Rededrang („Schwatzpille“)

1.4.     Ruhigstellung mit/ohne Manipulation („chem./pharmakol. Folter“)

1.4.1  Gefangennahme und Inhaftierung („Kidnapping“)

1.4.2  Öffentlichkeitsvorstellung und Medienvorbereitung

1.4.3   Prozeßvorbereitung und –durchführung

1.4.4  Dauermedikation zur Erzeugung eines schwachen narkoleptisch-katatonen Syndroms mit zentraler Sedierung

2.       Wirkstoffspektrum (...)

Die Aufstellung spricht von „potentiell psychoaktiven Wirkstoffen“, wo es sich um grundsätzlich derart wirksame Substanzen handelt, spricht vernebelnd – Verschleierungssprache ist inzwischen verbreitet - von zu beeinflussenden „Personen“, wo es um Manipulation politischer Häftlinge geht, spricht von Verwendungen bei „Straftaten und / oder Verhör“, als sei beides das Gleiche. Die weiteren Aufzählungen - schlichtes Gruselkabinett. Und angesichts allein von solcher Ungeheuerlichkeit, die auch nur eine Facette psychiatrischen Mißbrauchs zu politischen Zwecken beleuchtet, haben unsere staatlichen Instanzen, Bundes- wie Landesministerien und ihre abhängigen Behörden, den Mut, den systematisch-politischen Psychiatrie-Mißbrauch der DDR in Abrede zu stellen.

2.4              Vereinsfreunde in Berlin berichteten von Erlebnissen in ihrem Umkreis. Rudolf R. Schröder, ehem. Verfolgter des DDR-Systems (mehrere tausend Seiten Stasi-Akten), setzte sich mit anderen zusammen ein u.a.

für den Erhalt des (privat, da nicht von offizieller Seite errichteten und Anfang Juli abgerissenen ) Mahnmals am ehemaligen Checkpoint-Charlie für die 1065 Mauer-Toten. Für den Erhalt sammelte er dort über zwölftausend Unterschriften, etwa 40% davon von ausländischen Touristen. „Wie bei den ständigen politisch-publizistischen Abwertungen des Mahnmals nicht anders zu erwarten,“ er  lebte er viele Angriffe von Passanten: "kalter Krieger, Unterschriftenjäger für diese Gruft, Nestbeschmutzer, ewig Gestriger, Geschichtsverfälscher, Rassist " usw. Abwertend die Titulierungen auch von Politikern, z.B. „Mauer-Disneyland“ (Momper, SPD).

R.R. Schröder und Frau A. Hildebrandt, eine gebürtige Ukrainerin, die das Bemühen ihres verstorbenen Mannes um ein Mahnmal für die Mauer-Toten fortsetzt.

Weitere Kernsätze Schröders aus mitgesandten Schriftstücken (gekürzt): „ Warum werden Opfer aus bei den Diktaturen so ungleich behandelt? Können bei dieser unterschiedlichen Behandlungsweise die von den verschiedenen Diktatoren geschlagenen Wunden verheilen? Welche grausamen Ideologien passen wem heute besser ins Geschichtsbild? Mord ist Mord! Viele der Täter laufen frei herum - und sprechen von Siegerjustiz in Deutschland! Warum werden wir Stasi-Geschädigte als unliebsame Bürger behandelt, die sich auch noch beleidigen lassen müssen? Die verschiedensten Medien-Macher erlauben sich, Täter, Krenz, Schabowski, Gisy, Wolf zu Interviews und Talk-Shows etc. zu laden. Wo bleiben wir, die Geschädigten? War um können wir, möglichst im Beisein der Diktaturstützer nicht berichten? Kann die Demokratie die Wahrheit nicht vertragen? Immer wieder erleben wir, daß ‚Böcke des Totalitarismus’ als ‚Gärtner der Demokratie’ auftreten und in dieser uns mundtot machen.

Die Zahlen: 2,3 Millionen SED-Mitglieder, weitere zehntausend Sympathisanten in der alten BRD, Hunderttausende von  parteilosen Mitläufern, 91.000 Stasi-Hauptamtliche, 173.000 IMs, 250.000 politische Gefangene, 33.000 Häftlingsfreikäufe, 160.000 Kilometer Stasi-Akten. Die Todesstrafe galt in der DDR bis 17.06.1987.

Den 17. Juni 1953 hat man abgeschafft, ohne uns zu fragen. Gedenktage, Mahnstätten gehören in unsere Hände! Wir brauchen kein Diktat von Oben wie unter Ulbricht, Honecker, Mielke. Wir fordern Mitbestimmung. Wir, die wir unter der Diktatur lebten und litten und heute noch unter den von ihr gesetzten Traumen leiden, können am besten beurteilen, wie Gedenkkonzepte umgesetzt werden können.

‚Wer hat uns verraten? - Sozialdemokraten!’ (ein Wort allerdings von Karl Liebknecht). Warum wird insgesamt so wenig aufrichtige Aufklärungsarbeit geleistet? Warum reagieren die Berliner Fraktionen von CDU- und FDP nicht? An deutlicher Positionierung fehlt es auch da.

Am 14.04. diesen Jahres stellte im Preußischen Landtag der Berliner Kultursenator Flierl (PDS) ein ‚Gedenkkonzept Berliner Mauer’ vor. Wegen ‚Bannmeile’ waren vor dem Gebäude nur verstreute Ansammlungen gestattet. Ich und ein anderer Kritiker des Konzepts wurden vom Betreten des Tagungsraums ausgesperrt. Keiner der prominenten Teilnehmer, auch kein Hubertus Knabe, kein Markus Meckel (MdB) protestierten. Werden im deutschen Rechtsstaat nur Beifallklatscher zu PDS-Konzepten zugelassen?“

Herr Schröder wie zuvor schon sein Freund und Kollege Martin Sachse berichteten noch von einer ähnlichen Veranstaltung am 17.03.2005 in der Berliner Landesvertretung von Baden-Württemberg, zu der die "Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur" (Fn 5) eingeladen hatte. Thema: "OFFENE AK TEN -15 Jahre Auseinandersetzung mit den DDR-Archiven". „Zugegen waren hier u.a. Rudolf Köberle, Minister und Bevollmächtigter des Landes B-W und MdL, Prof. Dr. Hartmut Weber, Präsident des Bundesarchivs, Prof. Dr. Mary Fulbrook, University College London, Dr. Klaus Oldenhage, Vizepräsident des Bundesarchivs, Birgit Salamon, Leiterin der Abteilung Archivbestände der BStU, Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Weber, Universität Mannheim (Fn 5 - W), Dr. Stefan Wolle, Historiker, Forschungsverbund SED-Staat, Dr. Ulrich Mählert, Stiftung Aufarbeitung, Moderation, sowie zwei ehemalige „DDR-Bürgerrechtler“ und jetzige Bundestagsabgeordnete. Die Veranstaltung war an sich langweilig. Martin und ich wollten schon gehen! Gegen Ende der Podiumsgespräche meldete ich mich zu Wort. Meine Handzeichen blieben unbeachtet! Kurz vor Schluß forderte ich lautstark, Fragen zu zulassen. Herr Mählert lehnte ab. Nur Dr. Oldenhage warf ein: ‚War  um nicht?’ Nach Ablehnung auch dieses Einwands rief ich: ‚Das ist hier eine der undemokratischsten Veranstaltungen, die ich je erlebt habe. Fragen der ‚Akten-Betroffenen’ werden abgeblockt!’

Nach dem offiziellen Teil der Veranstaltung begab sich Martin mit mir zu einem der anwesenden Bundestagsabgeordneten, das Gespräch mit ihm suchend. Der Mann konnte oder wollte erst nicht. Ein weiterer Versuch war dann erfolgreich. Martin erzählte von einem vorausgegangenen Wortwechsel mit Prof. Hermann Weber (Fn 5) und seinem Ratschlag: "Lassen Sie sich einsargen, Herr Sachse!" Martin fragte dann den Abgeordneten, ob ihm die Walter-von-Baeyer-Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie e.V. (GEP) bekannt sei. Ja, sagte dieser, bei der Gesellschaft handele sich es um fragwürdige Glaubwürdigkeit. Martin bat, ihm Belege als Grundlage für die Behauptung zu besorgen, was der Volksvertreter zusagte. Martin trug ihm noch den Wunsch vor: ‚Bitte, beziehen Sie die Gesellschaft doch in die Arbeit der Aufbereitung und Aufklärung bei diesem wichtigen Thema mit ein.’ Martin hatte Unterlagen  der GEP dabei und zeigte sie dem Abgeordneten, der darauf unwirsch davonzog!“ [8]

Wie viele andere erhält besagter Volksvertreter (CDU!) seit Jahren unsere Rundbriefe. Auch als ehem. Bürgerrechtler (!) könnte er wissen, wer wir sind und was wir tun. Er erkundigte sich in der Folge beim Sektenbeauftragten der Ev. Landeskirche Berlin-Brandenburg nach uns – ohne den wohl erhofften Gewinn zu ziehen. Wir forderten von ihm nun eine Entschuldigung, die er schriftlich auch leistete. Unterschiede in den Verhaltens weisen hier der Volksvertreter, dort der Stasi gibt es noch. Deshalb hier keine Namensnennung. Im übrigen ergeht es uns ja seit Jahr und Tag so, wie jetzt den Herren Schröder und Sachse. Seit 30 Jahren gar werden wir, die einzige Gruppierung im Land, die fachkompetent eklatantem politischen Psychiatriemißbrauch (primär in der Sowjetunion) entgegentrat, aus der politischen Diskussion ausgegrenzt. Was uns von bundesdeutschen Instanzen begegnete, kam mitunter an Zersetzungsmaßnahmen heran (Kasten in .2.1).In Fachgremien war’s nicht viel anders. Auch hier geben halt Beamte, Staatsdiener, Ordinarien, die Marschrichtung vor und das (Psychiater-)Volk folgt. Weiteres zur "Aufarbeitung" der roten Verbrechen unter .2.11 sowie .7.5.

2.5   Aus der Enquête-Kommission Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit“ der 13. Wahlperiode sind in den 90ern unter Vorsitz von M. Meckel (MdB) und R. Eppelmann (MdB) acht Berichtsbände hervorgegangen, in ihnen 56 Seiten von Dr. Sonja Süß über „Repressive Strukturen in der SBZ/DDR - Analyse von Strategien der Zersetzung durch Staatsorgane der DDR gegenüber Bürgern der DDR“. Mit ihrem BStU-Buch POLITISCH MISSBRAUCHT? führt die Autorin die staats-offizielle Leugnung des systematischen  Psychiatrie-Mißbrauchs in der DDR seit 1998 an. Wie oft auch danach noch wiederholt sie in dieser Bundestagsdrucksache die Unwahrheit, indem sie sich auf die Untersuchungen angeblich (ost-westlich) „paritätisch“, de facto gezinkt besetzter (RB 1/97,10) „Kommissionen in den neuen Bundesländern“ beruft und alles ignoriert, was an Dokumentation solchen Mißbrauchs ausgedruckt vorliegt. Korrekt schildert Süß in der Bundestagsdrucksache aber einige Aspekte der „Zersetzung“, etwa „billigende Inkaufnahmen“ von Selbsttötungen durch die Stasi. Sie erwähnt auch den „psycho-professionellen“ Hintergrund der „Zersetzung“. Zur möglichen Rehabilitierung der Opfer gibt sie einige Empfehlungen, die ebenfalls als angemessen erscheinen.

Natürlich kommen auch zu uns immer wieder “Hilferufe“ von Leuten aus dem Osten (wie Westen), die sich als Opfer mißbrauchter Psychiatrie empfinden. Ihre eigene Fallschilderungen lassen in der Folge aber nicht selten rasch den Verdacht aufkommen – eine detaillierte Begutachtung ist uns auf die Entfernung nicht möglich -, daß psychische Krankheit her einspielt, also „mißbrauchte Psychiatrie“ nicht vorliegt. Das hebt freilich die Tatsache nicht auf, daß in anderen Fällen solche Mißbräuche, wie dokumentiert (besonders RB 1/97,3-10 sowie 2/00,2.5), sehr wohl passiert sind, die Dunkelziffer dabei unschätzbar.

2.6  Das zweibändige Buch hochrangiger Ex-Stasi-Mitarbeiter, unter ihnen der ehemalige Vize-Minister des MfS Wolf gang Schwanitz, DIE SICHERHEIT, edition ost, 2002 - „als Christ und Demokrat“ schrieb Peter-Michael Diestel das Vorwort - bringt die Total-Weißwäsche der Stasi, dabei natürlich auch eine Leugnung des Psychiatriemißbrauchs. Man beruft sich nicht zu Unrecht auf die Behörde des/r Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) sowie „die Nervenärztin Sonja Süß“.

2.7  Einige weitere Details noch zur aktuellen Psychiatrie im vereinigten Deutschland:

Wie die allgemeine Entwicklung bei aller Zunahme von „Libertät“ allerorts in Freiheitsverluste mündet, so auch und ganz konkret in der seit den 70ern laufend „reformierten“ Psychiatrie. Hier hat sich laut DÄ 42/04 die Zahl der Zwangseinweisungen seit 1992 „mehr als verdreifacht“!

2.8   Seit Jahrzehnten werden dem Psychiater-Fußvolk in Deutschland wie anderswo von seinen „Oberen“, von Ordinarien, insbesondere aber von übernationalen oder gar „Welt“-(staats-)Organisationen Richtlinien aufgedrückt, die ein sozialistisches Behandlungsmuster oktroyieren, die letzten, verabschiedet im April 2004 in Genf von „Leaders of European PsychiAtry“, ausgedruckt im Nervenarzt 11/2004, im Organ der DGPPN. Immer kommen sie großspurig daher, gern auf Englisch [9], weil das in Deutschland besonderen Eindruck macht. Mit dem Wort „Leader“ haben die Damen und Herren kein Problem, wo ihnen das entsprechende deutsche Wort vielleicht noch peinlich wäre. In jedem Fall sind diese Möchte-gern-Führer, Psychiatrie-Ordinarien und Chefärzte wirkungsvoll, weil sie als Staatsdiener den Nachwuchs nach „oberen“ Richtlinien ausrichten. Auf Community, das Motto von Huxleys Brave New World, auf Einbindung in Gemeindepsychiatrie heben sie ab, offensichtlich weil diese die „eingebundenen“ Behandler an der antifaschistischen Kandare hält.[10]

2.9                Als Drittes noch ein Wort zur „Neuro-Philosophie.“ Einen Geschmack von dieser aus der „Hirnforschung“ hervorgehenden, vor allem auf die Verneinung Willensfreiheit hinauslaufenden  Vorstellungen gaben wir in Rundbrief 1/04,4. Ähnliches [11] wurde kürzlich im Organ der DGPPN, dem NERVENARZT 12/04 von Mitarbeitern des Instituts für Ethik und Ge schichte der Medizin, Tübingen, verbreitet. Einige dieser Wissenschaftler behaupten, es würden damit Freuds Theorien gestützt [12]. Verfolgt wird auch damit, so scheint es, Freiheit und Verantwortlichkeit des Menschen auszuhebeln und ihn elegant ins Konzept neuer, schön-neu-weltlicher Diktatur einzupassen.

2.10          Die New Freedom Inititative von Präsident Bush, kurz nach seiner Wiederwahl verkündet, sieht vor, alle unter 18-jährigen auch ohne elterliche Zustimmung psychiatrisch-psychologisch durchmustern zu lassen. Die APA und die Pharma-Industrie sind dafür, einige wenige, u.a. der Arzt und Kongreßabgeordnete Ron Paul (R-TX), dagegen.

2.11   Fortsetzung des Kapitels .2.4: Berlin am 5.7.05 (Bilder aus Die Welt vom 06.07.05

Am 5. Juli 2005 wurde das Mauerdenkmal in Berlin abgerissen. Volksvertreter, die in der Stadt den Opfern der braunen Terrors kürzlich erst ein großes, würdiges  Denkmal gesetzt haben, löschten das Gedenken an die 1067 Menschen, die auf dem Weg in erhoffte Freiheit Opfer der roten Diktatur geworden sind. Es ging dazu wohl auch oder gar besonders um das Entfernen von Kreuzen, mit denen sich manche Menschen, nicht nur eigenes Leid erinnernde, besonders verbunden fühlen.

Kommunismus wird eben als Teil der Aufklärung, des Laizismus (franz: laïcité) genommen, ist integraler Teil jetzt des neomarxistisch-neokonservativ-neoliberalen, „neu-westlichen“ Systems. Zu ihm gehören „antifaschistische“ Monumente. Die Erinnerung an die Schandtaten des weit länger dauernden und insgesamt noch blutigeren Kommunismus aber wird getilgt. Darauf wirkt über Jahrzehnte die „politisch-publizistische Klasse“ hin. Nimmt es Wunder, daß der Psychiatrie-Mißbrauch der DDR, die mieseste Form der Unterdrückung, offiziell geleugnet, die „Seelenheilkunde“ dafür umso mehr benützt wird, die Opfer der Diktatur zu entmutigen, abzuhalftern, mitunter gar zu „zersetzen“ und den „gesellschaftlichen Diskurs“ schön antifaschistisch zu trimmen?  Im Vergleich zur Haft haben besagten Mißbrauch wohl weniger Menschen am eigenen Leib erfahren und die wenigen (?), die ihn erfuhren, sind im Vergleich zu den ehemals Inhaftierten möglicher Weise besonders verängstigt, zermürbt, "zersetzt". Mit ihnen wer den die Machthaber am leichtesten fertig.

Die neue deutsche Schändlichkeit, das Abräumen der Kreuze von der Brache am ehemaligen Checkpoint Charlie, wurden nun aber von den Medien doch in die Welt getragen. Die Junge Freiheit war bis dahin die einzige Zeitung im Land, die über die Vorgänge breit berichtete, sich für das Mahnmal einsetzte. Dieses weithin als rechtslastig angeprangerte Blatt hat aber zum Psychiatrie-Mißbrauch der DDR und seine Löschung aus dem öffentlichen Bewußtsein durch die "neu-westlich" politische Klasse bis heute nicht minder geschwiegen.

 

3.  Karl Jaspers und die Angst, Ärzte und Philosophen

3.1       Karl Jaspers (1883 – 1969) hat 1913 im Alter von gerade 30 Jahren mit seiner Allgemeinen Psychopathologie der Psychiatrie ein Buch geschenkt, das „grundlegend und richtungsweisend bleiben (wird), solange es eine Wissenschaft vom seelisch kranken Menschen gibt.[13] Ihm wüßte er in der Psychiatrie „nichts Vergleichbares an die Seite zu stellen“, schrieb Kurt Schneider im NERVENARZT 6/1938, wie politisch verfemt der Geehrte damals auch war´[14]. Mit dem Buch habilitiert, war Jaspers über die Psychologie inzwischen zur Philosophie gekommen, um auch dort ein monumentales Oevre zu erstellen, wobei „sein Ansatz derjenige eines Psychotherapeuten“ blieb [15].

Was Jaspers unter den deutschen Gelehrten aber so besonders heraushebt, sind seine Festigkeit den Irrungen des Zeitgeists gegenüber, seine Zurückweisung des Marxismus, des Nazismus (Rassentheorie) und der Psychoanalyse gleichermaßen. In ANGST (suhrkamp TB 118, 1970) schrieben unser verstorbener Mitgründer und Ehrenpräsident, der Psychiater Walter Ritter von Baeyer, und seine Frau, die Psychologin Wanda von Baeyer-Katte, zu Jaspers’ Die geistige Situation der Zeit (1932): „Dieses angesichts des Heraufkommens des Nationalsozialismus geschriebene Buch ist immer noch einer der besten Richtweiser für moralische Orientierung in unserer Zeit.“  

Zu einigen wesentlichen Entwicklungen in der Psychiatrie hat Jaspers unseres Wissens nicht (mehr) Stellung genommen, etwa zur Psychopharmakologie und Verhaltenstherapie. 1957 wurde das erste Antidepressivum Imipramin entdeckt. Die Verhaltenstherapie reicht weiter zurück, wobei sie anfangs einerseits recht fragwürdige Eindrucke hinterließ (RB 2/03,8.4), andererseits aber sich vor allem in den USA früh schon ernsthaft den Angstzuständen widmete. Größere Bedeutung gewann sie in Deutschland erst Mitte der 60er Jahre. Jaspers, seit Jahrzehnten der psychiatrischen Praxis entwachsen, hat u.W. diese das Fach bald revolutionierenden Neuerungen nicht mehr beachtet.

Zu den Angsterkrankungen etwa stehen in der 9. (letzten) Auflage seines o.g. großen, über 700 Seiten schweren psychiatrischen Lehrbuches (Seite 114) zehn Zeilen, sechs davon Zitat von Westphal, wobei dieser schon 1872 die Agoraphobie treffend beschrieb. Auf Seite 672 bedachte Jaspers mit dem Psychotherapeuten von.Gebsattel die Folgen von Angstlosigkeit und wandte sich gegen die therapeutische Intention, „Angst zu vertreiben“. Die Angstkrankheiten waren in der „Seelenheilkunde“ eben noch kaum erkannt worden, noch nicht wirklich zur Kommunikation gekommen, die, von nichts mehr bedroht und eingeschränkt als der Angst, doch Jaspers’ vornehmes Anliegen war. Er näherte sich den Problemen der Angst und ihrer Bewältigung später mehr von philosophischer Seite, wobei seine „Existenzerhellung“ und Verwirklichung des „eigentlichen Selbstseins“ auch für manche besonders heilsam sein mögen. Mit der Behandlung der Angst in solchem Rahmen bewahrte Jaspers jedenfalls den Horizont der Transzendenz, auf die hin, von Psychotherapien gern verkannt, auch der moderne, aufgeklärte Mensch in Gesundheit wie Krankheit gerichtet ist [16].

3.2              Die krankhafte Angst wurde näher entdeckt, nachdem man sich, so Walter und Wanda von Baeyer a.o.O., „ungescheut zum Angsthaben bekennen“ konnte. Man bekannte sich andererseits leichter da zu, weil und nachdem sie wissenschaftlich enttabuisiert worden war [17]. Zur Angst gibt es heute eine umfängliche Fachliteratur, kurz gefaßt etwa die (trotz einiger Verzeichnungen) schöne Übersicht von Friedrich Strian ANGST UND ANGST ERKRANKUNGEN, C.H. Beck, 1995, dort auch eine Literatur  übersicht über die wichtigsten Beiträge zu dem Gebiet seit den 80ern. Mit der genaueste Beschreiber der Angstkrankheiten (und Entdecker der sozialen Phobie mit ihren verschiedenen Symptomausprägungen und Folgen) ist der britische Psychologe Isaac Marks [18]. So gut die normalen und abnormen Ängste aber heute auch beschrieben sind, ganz ausgeleuchtet sind sie in der psychiatrischen wie psychologischen Fachliteratur wohl immer noch nicht. Wenn J.C. Brengelmann in seinem Vorwort zum genannten Buch von Marks 1977 schrieb, bezüglich besagter Störungen
Edvard Munch DER SCHREI, Nasjonalgalleriet Oslo

Alfred Kubin, ANGST, hier aus K. Dieckhöfer, Angst des Irdischen, Fn 17
   erfahre der interessierte Leser hier, was „in herkömmlichen Lehrbüchern nicht geboten wird,“ läßt das ahnen, daß sie auch heute in herkömmlichen Lehrbüchern eher noch unterbelichtet sind. Auch deshalb greifen wir sie, wo Gelegenheit ist, gern auf (RB 1/96,2.1).

Dabei könnte man meinen, Angst sei, weil allgegenwärtig, von der Seelenheilkunde von Anfang an in allen Facetten durchdrungen worden. Das meinen auch manche Fachleute und weisen zum Beleg auf Aussprüche Freuds und auch „klassischer“ Psychiater , die gewiß alle einmal in ihren Vorlesungen und Büchern Angst anführten. Freud etwa erklärte „Angstneurosen“ zuerst mit dem Koitus interruptus [19]. 1908 entwickelte er an der Tierphobie des „kleinen Hans [20] den „Kastrationskomplex[21]. Mit ihm trieb er die „nebulöse und mysteriöse Interpretation menschlichen Handelns und Erlebens“ (Marks a.o.O.) nochmals in die Höhe und verlegte wirksamer Abhilfe so auf lange Zeit hinaus den Weg [22]. Angstkranke kamen, weil schon die Psychiatrie nichts bot, die Psychologie aber wenigstens, wichtig genug, Zeit zum Sprechen einräumte und die Analyse unter deren Verfahren dominierte, vielfach in psychoanalytische Behandlungen und litten nach jahrelangen, teuren Kuren unverändert fort.

Der Angst aber blieb lange angemessene Beachtung auch versagt, weil sie quasi zur „Normalität“ des Menschenlebens gehört, sie nicht selten gar stimulierend wirkt, die Übergänge zum Krankhaften fließend und ihre Ausprägungen unterschiedlich, oft mild, wenn aber wirklich behindernd, dann leicht charakterlichen Sonderheiten etc. zuzuordnen waren. Marks beschreibt einige Symptome der Sozialphobie wie folgt: „Aus Angst zu zittern, zu erröten, zu schwitzen oder lächerlich zu wirken, setzen sich manche Leute im Bus ...  anderen Mitreisenden nicht direkt gegenüber... Sie werden von der Vorstellung gepeinigt, sie könnten sich ungeschickt benehmen oder gar in Ohnmacht fallen... Sie meiden Parties und Gespräche mit anderen Menschen, weil sie das Reden zu sehr in Verlegenheit bringen würde...“  Die Symptome sind interindividuell sehr verschieden auch infolge unterschiedlicher Reaktionsbildungen.

Sie treten aber auch intraindividuell unterschiedlich auf. Ein junger Mann, Mitte 30, berichtete mir kürzlich, er sei trotz vieler Schwierigkeiten im mitmenschlichen Umgang beruflich gut vorangekommen. Besonders aber in der Begegnung mit Frauen befalle ihn oft aus heiterem Himmel ein ihm unerklärliches „Gesperrtsein“. Es verschlage ihm regelrecht die Sprache. Ungeachtet manch „gelungener“ Sexualbeziehungen, benehme er sich plötzlich, gerade wenn ihm ernsthaft an der Bekanntschaft liege, linkisch oder abweisend, zeige ein Verhalten, das ihm anschließend leidvoll bis zum Selbsthaß und Lebensüberdruß werde. Es ruiniere ihm letztlich „alle“ Begegnungen und lasse ihn in Einsamkeit zurück. Der Patient realisierte die Störung von sich aus nicht ein mal als Angst, wiewohl deren vegetative Korrelate, Herzklopfen, Erröten etc. deutlich vorlagen. Nach Erklärung des Störung: Als Angst sei sie auch zuvor in jahrelanger (erfolgloser) Psychoanalyse nie angesprochen worden. Der Mann ließ in seiner sonstigen Lebensgestaltung auch keineswegs das Vermeidungsverhalten erkennen, wie es von Sozialphobikern beschrieben wird. Er erlebe sich, so seine Worte, vielfach als mutig. Er suche von sich aus auch immer wieder Begegnungssituationen auf, um, wie er sagte, „sein Verhalten in den Griff zu bekommen“, was ihm nur immer wieder mißlinge. Die Schilderung zeigte das Ungenügen des reinen verhaltenstherapeutischen Therapie-Ansatzes (wie ihn auch Marks beschreibt). Es gehören schon wegen genannter unterschiedlicher Reaktionsbildungen adäquate Information, Aufhebung von Fehleinstellungen („Parataxien“), Einüben von sozialen Fertigkeiten etc. zur wirksamen Therapie.

3.3              Nur eine Minderzahl von Menschen sind Neurotiker“, schrieb Jaspers (a.o.O., Seite 682). Die seinerzeit noch unbekannte und insgesamt noch nicht so lang erforschte Sozialphobie aber ist ein Beispiel dafür, daß die Zahl entsprechender Leiden, entsprechend Leidender, entsprechend Hilfe Suchender um einiges größer ist, als vordem angenommen. Dem stehen andererseits gewiß Unmengen aufgebauschter „seelischer Therapiebedürftigkeiten“ gegen über - auf Grund nicht nur des Appetits psychiatrischer und psychologischer Behandler, sondern vor allem von Politikern (s. 2.2). Die erste SPD-Gesundheitsministerin Focke erklärte schon 1974 ein Drittel der deutschen Bevölkerung für psychisch krank [23] offen  lassend, wie krank sie wären, unzurechnungsfähig vielleicht gar. Sozialisten setzen die Betreuungsbedürftigkeit der Menschen besonders hoch an (vgl. Chisholm, RB 2/00,3.4), Schwarze nicht viel niedriger jedoch. Depressionen hätten, so der Münchner Merkur am 13.04. 05, seit 1997 um 70% zugenommen. Die „Liebeskrankheit“ sei, so FASZINATION SEELE 3/05 „nachgewiesener“ Weise „eine wirkliche Krankheit.“ Besonders hoch aber rangieren heute „Psychotraumatisierungen“ (.2.2) [24]. So intensiv Therapie heute allenthalben beworben wird, so vag sind meist die Angaben zu deren Ergebnissen.

Vorschnellen, unseriösen Krankheitsaufbauschungen und „Abhilfen“ hielt Jaspers entgegen: „Der vernünftige Kranke will Therapie nur, insofern eine wissenschaftlich begründete, also echte Therapie möglich ist[25]. Daß wir alle, Gesunde und Kranke, nicht immer „vernünftig“ sind und um so unvernünftiger, je mehr uns die Angst (normale oder gar krankhafte) im Ge nick sitzt, wußte Jaspers natürlich auch. Er  hielt aber das Humanum fest, daß seelisches Leiden wie Angst auch Aufgabe persönlicher Bewältigung ist, Schicksal zudem. „Therapie“ kommt nie an alles Leiden heran. Jaspers’, ähnlich von Baeyers brennende Sorge war, den Menschen im Leiden an Freiheit, Verantwortung und Vernunft zu erhalten, was möglich ist und letztlich auch am meisten zum Wiedergesundwerden dient - auch gegen hungrige Therapeuten und Politiker .

Diese haben die Offerten Freuds, Skinners, Lewins, Morenos, Chisholms etc. gierig aufgegriffen (RB 2/00, 1/03,3), mit Psycho-Therapien, seien sie heilend oder nur Täuschung, die Menschen einzuwickeln und so z.B. den „gesellschaftlichen Diskurs“, wie sie es brauchen, zu lenken (.2.2). Weil Jaspers der profunde Antipode zum neo-/ freud-marxistischen Mainstream, als Arzt der Philosoph der Freiheit, mit Hannah Arendt zusammen dem „Antifaschismus“ gegenüber der Vertreter des „Antitotalitarismus“ war und ist, deshalb offensichtlich und nicht wegen zeitbedingter Erkenntnismängel wird er heute in der Öffentlichkeit wie in der deutschen Psychiatrie übergangen [26], wenn nicht heruntergerissen.

3.4        „Vornehm“ herabgesetzter  wurde kürzlich in einem Buch von M. Bormuth [27], einem Historiker am schon erwähnten Tübinger Institut für Ethik und Geschichte der Medizin (.2.9), recht massiv aber in einer Besprechung dieses Buches im DGPPN-Organ Der Nervenarzt 7/2004 [28]. Die Publikationen sind der besondere Anlaß für das vorliegende Kapitel. Kritische Anmerkungen zu den Ausführungen der beiden Autoren stellten wir Ende 2004 bereits in unsere INFC-Webseite. Bormuths Buch ist gleichwohl höchst empfehlenswert, weil es viele der politischen Tricks und Druckmittel aufzeigt, mit denen die Analyse nach 1945 –  G.B. Chisholm war gerade Direktor der WHO (-Vorläuferorganisation) geworden - hierzulande durch  gesetzt wurde und mit ihr bald auch der Neo-/Freud-Marxismus. Einzug hielt. Wiewohl Jaspers von Hannah Arendt über den zunehmenden Einfluß der Analyse in den Staaten informiert wurde [29)9], blieb ihm offen sichtlich das ganze Ausmaß der shrink-Aktivitäten dort verborgen. Über Chisholm und den weiteren Stab der psychologisch-psychiatrischen Umerzieher , über die Planungen etwa Kurt Lewins [30] u.a., und über das, was Umerziehung eigentlich intendierte, weltweite Diskursbestimmung, erfuhr er anscheinend nichts.

Schrieb er doch 1950 noch, wir dürften jetzt „unsere eigentliche, gute geistige Welt wieder aufbauen und weiterentwickeln“ (RB 2/00, 4.4). Diesen Eindruck konnte man damals offensichtlich noch gewinnen, während die Vorbereitungen zur Kulturrevolution bereits auf Hochtouren liefen. An ihrem Ende wird heute als „Fundamentalist“ ausgegrenzt, wer sich untersteht, eine „gute geistige Welt“ bewahren zu wollen. Jaspers wurde, scheint es, bis zum Ende seines Lebens verschleiert, daß der „Wiederaufbau“ nur als Zwischenstation gestattet war, bis nämlich in den meinungsbildenden Bereichen, nicht zuletzt in Psychiatrie und Psychologie die Manpower herangezogen sein würde, die „Systemveränderung“ (Fn20) radikal zu vollenden. Deshalb offen  sichtlich fruchtete auch Jaspers’ bis zuletzt durchgehaltener Einsatz gegen die Etablierung der Psychoanalyse nichts [31]. Zu dem Konzept Chisholmscher Umerziehung liegt von ihm, so weit wir sehen, keine Stellungnahme vor. Eine „gute geistige Welt wieder aufbauen“, das war, was „wir“ à la longue wohl am allerwenigsten durften [32]. Die neue Kritik an Freud, die von den 70ern an dessen private Äußerungen mit seinen öffentlich abgegebenen vergleicht, ihn damit als intellektuellen Betrüger ausweist und Jaspers’ Vorbehalte nochmals untermauert, war zu dessen Schaffenszeit noch nicht da.

3.5  Was sein lebenslanges „psychotherapeutisches“ Anliegen war, nämlich den Menschen, gesunden wie kranken, Freiheit, Verantwortung und die Vernunft als das, als ihr Humanum auch gegen die Ansprüche gierig-betrügerischer „Seelen-Experten“ und deren jeweilige „Obere“ zu bewahren, davon aber wollen heute anscheinend auch die nichts wissen, die als Verwalter seines philosophischen Erbes etwa in einer Österr. Karl-Jaspers-Gesellschaft auftreten. Aus Angst vor dem Zeitgeist (und seinen Machern) schlottern, scheint es, auch heutige Philosophen. Bormuth kann sich für die Unterstützung seines Jaspers-Schmälens bei Jaspers-Schülern bedanken. Selbst im Gewand der Ehrung wird versucht, ehrsame Anliegen zu verfremden, zu verfälschen (vgl. auch RB 2/04,3.1).

Daß Jaspers, der große, der psychiatrischen Praxis bald entwachsene Philosoph, zur Verhaltenstherapie nichts sagte, verwundert nicht. Einmal kam sie ja erst gegen Ende seines Lebens im deutschen Sprachraum zur Geltung. Zum anderen nah men sich erste Vorlagen etwa von Pawlow bis Watson und Skinner so übel aus, daß sie gut mißachtet werden konnten (vgl. RB 4/99, 5,6 und 2/03, 8.4). Auch Ref. fühlte sich während seiner Weiterbildung in den 60ern von der VT geradezu abgestoßen. Die therapeutische Effizienz, zu der Verhaltenstherapeuten aber immer wieder beeindruckende Arbeiten vorlegten, machte mit der Zeit auch auf ihn Eindruck. Auch geben moderne Darstellungen der akademischen Psychologie, die à priori verhaltenstherapeutisch orientiert ist, wie etwa in Hans Reinecker Lehrbuch der klinischen Psychologie, Hogrefe, zuletzt 2003, ein durchaus ansprechendes Bild, enthalten sie, was vernünftige Psychotherapie geben soll, angemessene Information, Bestärkung, Möglichkeit, neue Erfahrungen und Fertigkeiten ein zu üben, intendiert so geartete "cognitiv-behavioristische Therapie"  wohl nicht grundsätzlich einen „ganzheitlich“-totalitären Zugriff auf den Menschen.

3.6  Allerdings verwundert immer wieder, daß auch die vom Studienbeginn an behavioristisch instruierten Psychologen die Angst wie sonstige Störungen überwiegend psychoanalytisch angehen, nach DÄ 44/03 in drei Viertel der Fälle. Sollte die VT, die sie mit universitärer Muttermilch aufnehmen und immer als weit besser, rascher und billiger wirksam ausgeben, so überlegen wirksam doch nicht sein? Oder ist es einfach nur so, daß es sich therapeutisch von 200 Analyse-Stunden besser lebt als von 20 VT-Stunden gleichen Geldwerts? Zur Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Methoden wird gern auf Grawe, Donati und Bernauer verwiesen [33]. Deren schöne Grafiken sind jedoch schwer überprüfbar und sind auch, so weit wir wissen, von anderen nicht überprüft worden. Auch kommen von Psychologen oft die „weichsten“ Diagnosen, die an den angeblichen Behandlungsbedürftigkeiten à priori Zweifel auf kommen lassen (.3.3). Reale Folgen realer Psychotraumen sind vielfach Angstzustände. Herr „S.“, ein „Mann aus dem Volk“, beschrieb (.2.2), wie nach politischer Opportunität in der Praxis da aufgebauscht, dort weggedrückt wird. Daß Politiker und Medien vielfältig und ständig auf die „Seelenheilkunde“ einwirken, macht die Einschätzungen der Psycho-Professionellen immer aufs neue fragwürdig.

3.7               Psychiater wie Psychologen werden in ihre Wirkkreise administrativ von „oben“ ein- und neben einander gesetzt, ihre Positionen zu den Fragen letztlich des Lebens wie Konfessionsmeinungen oft auch gegen einander, je nach politischer Opportunität. Innerlich verbunden sind sie ohnedies nur in dem materialistischen Grundverständnis ihres „Objekts“, der Seele. Gemeinsam, also „multidisziplinär“ proklamieren sie weitere Behandlungsnotwendigkeiten [34] Formal vielfältig, ist die „Seelenheilkunde“ (Seite 1) inhaltlich den Politikern um so strikter unterworfene als ihr verlängerter Arm. Was den „Seelenkundigen“ ärztlicher wie geisteswissenschaftlicher Provenienz  darob an Vertrauen verloren geht, versuchen sie u.a. mit  weltweit „gültigen“ Diagnoseschlüsseln, der ICD, dem DSM, auszugleichen, auch sie freilich politisch diktiert – von der internationalen „politischen Klasse“ eben. Wer kann das seit den Ausführungen G.B. Chisholms M.D., des ersten Direktors der WHO, in Abrede stellen (RB 2/00, 3.4)? Wie vor 1945 haben die Ärzte (anderen Akademikern ähnlich) auch danach ihren Sachverstand zurückgestellt und ihre Ethik dazu. Allein von übergeordneter Politik her sind die vielfältigen Verkrümmungen, die wir an der heutigen Psychiatrie beklagen, erklärbar. Daß diese auf der anderen Seite auch ihre Stärken hat, sie psychische Krankheiten besser denn je zu kurieren vermag, daß wissenschaftlicher Fortschritt insgesamt oft menschenfreundliche Ergebnisse zeitigt, dürfen und wollen wir darüber nicht übersehen. Widersprüche hält die moderne Welt zur Genüge vor.

3.8   Zur Psychotherapie hat der Deutsche Ärztetag 2005 erneut einen Beschluß gefaßt [35]. Er hielt es „für unbedingt erforderlich, ... verstärkt die Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit psychogenen Symptomen, somatopsychischen Reaktionen und psychosozialen Zusammenhängen in allen patientenbezogenen Weiterbildungsfächern dementsprechend zu vermitteln und auch für Ärztinnen und Ärzte im Berufsalltag in Klinik und Praxis die psychosomatischen [36] Kompetenzen in alle Fortbildungen zu integrieren...“ Wie das DÄ19/05 vom Ärztetag berichtete, wurde da nicht lange diskutiert: „Ein kurzes Handzeichen – und durch.“ Besagte „Kenntnisse und Fähigkeitenbeziehen sich im heutigen Ärzte-Jargon durchwegs auf Freudschen Plattheiten.

Wenn die Medien des öfteren von Betrügereien der Ärzte berichten, neulich etwa FOCUS 23/05 („Abrechnen à la carte“), suggerieren sie „bundesweites Prellen der Krankenkassen um Millionen“. In Wirklichkeit prellen da einzelne Ärzte "nur" ihre Kollegen! [37] Daß aber die Ärztevertretung eine ganze Kategorie von Schwindelleistungen ins System der gesundheitlichen Versorgung gedrückt, sie schon im Vorfeld dazu eindringlichste Warnungen zur Seite gewischt, die Diskussion niedergehalten bis schlicht unterdrückt hat  –  wie war da eine Diskussion des Psychiatriemißbrauchs noch zu erwarten? -, davon sagen und schreiben die Medien nichts. Über Jahrzehnte haben sie für Freud geworben, haben die Betrügerei mit angeführt. In anderen Ländern lief es teilweise zwar ähnlich, aber doch nicht ganz so schlimm.

 

4.  Ärzte und Psychologen

4.1  Ein Problem bewegt die deutschen Ärzte heute sehr. Etwa die Hälfte von ihnen, genauer: die Fachärzte, haben nach einem Urteil des Bundessozialgerichts vom Januar 2004 aus ihrem gemeinsamen Honorartopf (Fn 37) 515 Millionen Euro an die Psychologischen Psychotherapeuten zu zahlen. Viele trifft das hart – nebenstehender Kasten. Es geht uns hier nicht um Honorarfragen der einen oder an deren Berufsgruppe. Die Sache ist auch im Rahmen der GEP-Thematik relevant.

 Seit hundert Jahren gibt es Diskussionen um die Psychoanalyse. Von den überragendsten Geistern unseres Landes, auch jüdischen, lange als Pseudowissenschaft zu rück  gewiesen, wurde sie nach 1945 in Deutschland durchgesetzt, wobei die Ärzte, wie gesagt, halb hingezogen, halb gesunken sind (s. vorstehendes Kapitel). Die Sache ordnete zuletzt der Gesetzgeber dahingehend, daß er nicht nur die Psychoanalyse (Tiefenpsychologie), sondern auch die Verhaltenstherapie (VT) als "Richtlinienpsychotherapie" und als deren Anbieter neben Ärzten auch Psychologen ins Kassenarztsystem einführte. Auch letztere können damit direkt konsultiert werden und bekommen die Konsultationen aus den Beiträgen der gesetzlich Krankenversicherten bezahlt. Den Weg dazu bahnte der Bundestag bereits Anfang der 70er Jahre mit der Psychiatrie-Enquête, die die Aufwertung der Analyse und Integration der Psychologen klar gefordert hat [38]. Da diese ein vergleichsweise schmales Repertoire (eben Reden in psychoanalytischer oder VT-Richtung) vorhalten, blieben ihre Einkünfte trotz eines immer bevorzugten Punktwertes (Fn 37) teilweise unter dem Existenzminimum. Die Psychologen klagten darob vor dem Bundessozialgericht und erreichten dort Anfang 2004 ein Urteil, nach dem die Einkünfte der in der gesetzlichen Krankenversorgung tätigen Akademiker in etwa gleich sein müssen. Infolge dessen haben die KVen, die das Geld der Krankenkassen an die ärztlichen wie psychologischen Leistungserbringer verteilen, jetzt an die Psychologen nachzuzahlen.

4.2 Weinberger, Dieckhöfer in DÄ 18/2005 (hier über­arbeitet, DÄ-redaktionelle Veränderungen aufgehoben)

500 Milliönchen

Ob sozialgerichtlich bekräftigter Nachforderungen psychologischer Psychotherapeuten an die KVen sehen einige von ihnen, unter ihnen die Berliner, „die ambulante fachärztliche Versorgung in Gefahr.“ Für Verhaltensthe­rapie sind vom Psychologen Grawe K. et al. (Fn 29) therapeutische Wirkungen ausgewiesen worden, wenn auch ärztlich kaum überprüft. Daß für die Psychoanalyse und „Tiefenpsychologie“, die psychologische Psychotherapeuten laut DÄ 44/ 2003 (Dr. phil. H. Melchinger et al.) in drei Viertel der Behandlungsfälle praktizieren und abrechnen , ein ernsthafter Wirkungsnachweis fehlt, hat aber die Begeisterung der Ärzte für die Lehren Freuds über Jahrzehnte nicht gedämpft. Auf sie bauten fsie zuletzt gar einen Facharzttitel! Den ähnlich weitergebildeten sychologen öffneten sie so – das haben keine Politiker, keine Krankenkassen und kein BSG-Richter Dr. Wenner zu vertreten – den direkten Zugang zu den Krankenkassen, 1999 allein im „freudigen“ Berlin mit einem Schlag 1600. So groß aber war etwa auf dem Deut­schen Ärztetag 1977 in Saarbrücken die Begeisterung für die Psychotherapie, daß ausgebuht und ausgepfiffen wurde, wer vor ihrer wei­teren Be­stär­kung einen stichhaltigen Wirksamkeitsnachweis
forderte. Freud hat nicht einen einzigen Patienten geheilt (Bénesteau J., Mensonges freudiens, Mardaga,
2002). Warum aber sollte die Begeisterung für seine Therapie bei deutschen Juristen nun geringer sein als bei den Ärzten? Fröhlich sollten sie sein, daß sie zu der über Jahrzehnte so dringend gewünschten „Therapie“ jetzt aus ihrem Honorartopf 500 Milliönchen zuschießen und sie so weiter bestärken dürfen. Wen kümmert noch die ambulante fachärztliche Versorgung der Bevölkerung?

Die weiteren Veröffentlichungen zum Thema in deutschen Ärzte- oder Psychologengazetten handeln bis heute (!) nur und ausschließlich von den pekuniären Konsequenzen des Sozialgerichtsurteils. Die epistemologischen und moralischen Aspekte der Angelegenheit übergehen sie eisern.

4.3 Fraglos gibt es unter Psychologen ganz vorzüglich arbeitende Leute. So hervorragende Leistungen werden von einigen erbracht wie etwa das Buch J. Bénesteaus (Kasten). Gegen die Psychoanalyse kam von ihnen in den letzten Jahren gar mehr Einspruch als von Ärzten! Die von Psychologen vorangebrachte VT hat erstens ihre therapeutische Erfolge ausgewiesen, mindestens beeindruckende Nachweise dazu vorgelegt und behauptet zweitens, die Erfolge in wesentlich kürzerer Zeit, also wesentlich preiswerter zu erzielen. Drittens ist VT störungsspezifische Abhilfe, greift damit nicht „ganzheitlich“ auf den Menschen zu, ist somit nicht à priori totalitär. Sie steht hier nicht weiter zur Diskussion. Wer in der Heilkunde wie sonstwo reelle Arbeit leistet, dem steht gewiß ein angemessenes Honorar zu. Einige gleichwohl resistierende Merkwürdigkeiten behandelten wir bereits (.3.6). Insgesamt resultiert eine Umschichtung der für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung vorhandenen Mittel von hoch effizienten Leistungen für eher Schwerkranke auf höchst fragwürdige Leistungen (RB 2/02.5.2) für leicht, wenn überhaupt Kranke. 

4.4  Nun kommt das alles aber nicht von ungefähr. Über Jahrzehnte hat sich die Entwicklung angebahnt. Von Beginn der 70er haben wir sie mitverfolgt. Als entschiedenste Gegner standen wir jahrelang mit an vorderster Front der Auseinandersetzung. Vor uns wirkten andere in gleicher Richtung, allen voran Jaspers, von dessen einschlägigem Einsatz wir aber auch erst mit der Zeit erfuhren [39]. Wie er erlebten wir, mit welcher Leichtfertigkeit und welcher Vehemenz sich die verfaßte Ärzteschaft in das Psychotherapie-Schlamassel stürzte [40]. Wir erlebten kopfschüttelnd ihr Mitmachen bei der psychoanalytisch diktierten „Revolution der Medizin“, der „Verwandlung oder Preisgabe des Humanitätsgedankens“ in ihr, beim Heilen, wie man Tiere heilt“, beimungeheuren Sturz unserer Zeit in der Einschätzung des Menschen“.

Wir erlebten die Bereitschaft der Kollegen nicht nur in der Psychiatrie und Neurologie, sich „auf wissenschaftlichen Kongressen beliebigen Unsinn still anzuhören“ (alles Zitate aus Karl Jaspers DER ARZT IM TECHNISCHEN ZEITALTER). Wir erlebten selbst in privaten Zirkeln ihren Unwillen, über Dinge wie den „Umsturz in der Medizin“ (und nicht nur in ihr) überhaupt noch zu sprechen. Es „fiel die Klappe“, wenn wir an das Thema nur rührten. So ist es an sich nur recht und billig, daß die Ärzte jetzt zahlen müssen, "bis sie schwarz werden." Dem Neo-/Freud-Marxismus beigebend, das Geld der Pflichtkrankenversicherten veruntreuend, haben sie sich ja nicht nur selbst in den Ruin gestürzt, sondern das ganze Land an den Rand des Ruins gebracht. Wenn die Ärzte nicht zwischen Wissenschaft und Betrug in der Heilkunde unterscheiden können, wer sonst sollte es?

4.5  Für ihre Einbußen mögen sich die Ärzte, falls sie noch einmal zur Besinnung kommen, bei ihren Vertretern bedanken, vor allem bei ihren Psychiatrie-Ordinarien und –Chefärzten. Raffinierter und intensiver noch als einige Chaoten (Fn 40) haben diese Staatsdiener die freud-marxistische „totale Revolution der Medizin“ durchgesetzt. Die Aufnahme der Psychotherapeuten in die KVen sei, tönte der NAV-Virchow-Bund jetzt (NPZ 4/05) „ein  wahrscheinlich auch von der Politik kalkuliert betriebener  Fehler“ gewesen. Daß es gewiß „die Politik“, nicht weniger aber und erstens er selbst war, der den „Fehler“ (mit-)beging, zweitens nicht besagte „Aufnahme,“ sondern, ihr vorausgehend, die auch von ihm vernachlässigte Effizienzprüfung der Psychotherapie(en) der „Fehler“ und drittens dieser nicht etwa der Fehler eines Augenblicks, sondern eine jahrzehntelange Verletzung ärztlicher Sorgfaltspflicht war, das verschwieg der famose Ärzteverband wieder. Das Vorbeireden am Thema wird in der Sache aber konstant und allerorts geübt und - akzeptiert.

4.6  „Das System“ der Kulturrevolution ist freilich von „oben“ so lang gestreckt und so fein angelegt worden, daß auch andere kaum begriffen, was gespielt wurde. Die Vorgaben etwa des 1. WHO-Direktors Chisholm wurden allgemeiner Kenntnisnahme entzogen (RB 2/00,3.4-5). Dicke politische Bretter waren zu bohren, um zu merken, um was es geht, die gezielte Plattmache des Wertsystems der Menschen. Solches zu denken aber liegt braven Durchschnittbürgern wie den Ärzten nicht. Sie sind gewohnt ihren Führern zu folgen und folgen, auch wenn sie von ihnen in noch schwere Bedrängnis gebracht werden. Hitler stellten die Ärzte prozentual die meisten Gefolgsleute und einige der übelsten.

Einmalig auf der Welt  haben sie 1993 unter dem Tarnbegriff „Psychotherapie“ die Psychoanalyse zum ärztlichen Fachgebiet erhoben und ins Kassenarzt-System gehievt. Jetzt trifft sie zum Schaden die Schande. Von den „politisch dümmsten Ärzten auf Erden“ war im Rundbrief 1/ 04 schon die Rede. Es scheint ihnen nichts auszumachen. Sie wissen, daß die Post unseren Vorwurf immer wieder ausgedruckt nach nah und fern trägt, daß er auch im Internet erscheint und international viel gelesen wird. An ihnen aber läuft alles ab. Sie haben die Rüffel von Jaspers, die ihnen vor Jahrzehnten schon ins Eingeweide hätten fahren können, weggesteckt wie nichts.

Ein wenig gemildert werden der Hohn, der Spott, die sie heute treffen, dadurch, daß auch andere Berufszweige hier wie in an deren Ländern lange auf den Freud’schen Bluff ähnlich hereinfielen, wenn auch nicht ganz so tief. Auch lastete auf den deutschen Ärzten seitens der Politik nach 1945 wie vordem besonderer Druck.

 

5.  Die Gewinne der Freudianer beidseits des Rheins, ihr Zerrinnen heute beidseits des Atlantiks

5.1  Bei den vielen irrlichternden Geistesgrößen in den westlichen Gesellschaften erweist sich die katholische Kirche oft noch als Fels in der Brandung , gewinnt sie in der Diskussion der menschlichen wie gesellschaftlichen Probleme auch bei nicht kirchlich Gebundenen zunehmende Aufmerksamkeit. Andererseits scheint es oft, als ginge die Welle des Zeitgeists auch über sie hinweg. Eines der interessantesten Kapitel ist das zunehmende Eindringen des Freudismus, einer der wirkmächtigsten antichristlichen Ideologien, in die Kirche. In RB 2/02.1 beleuchteten wir, wie sich das in Deutschland abspielte. Bénesteau beschreibt in Mensonges freudiens (S. 311 ff) wie es in Frankreich ablief. Folgend ein Auszug:

5.2  „... Die Eroberung des Katholizismus, des kirchlichen Milieus durch die Freudianer geht zum guten Teil auf die Umtriebe der Maryse Choisy [41] zurück. Lange stand der Freudismus ob seines offen antireligiösen, vor allem antikatholischen und kulturfeindlichen Inhalts auf den Index, besonders unter Pius XII. Dieser begann gar eine Disziplinierungsaktion im Klerus, der sich allzu bereitwillig von den Sirenenklängen des neuen säkularen Dogmas einlullen ließ. Wie Maryse Choisy in ihren Memoiren von 1925-1939 schreibt – ihr Untertitel: „Sur le chemin de Dieu on rencontre d’abord le diable (Auf dem Weg zu Gott trifft man erst einmal den Teufel)“ –, mußte sie zuerst zum Kommunismus schwingen [42] , bevor sie im Zuge ihrer Begegnung mit Pierre Teilhard de Chardin 1936 zum Katholizismus konvertierte.

Mit religiöser wie psychoanalytischer Prominenz sich umgebend, verbreitete sie durch ihre Zeitschrift Psyché die Idee einer heiligen Allianz und kreierte darüber hinaus, um ja weit genug auszuholen und ja nicht eine Richtung außer Acht zu lassen, die ’Alliance Mondiale des Réligions’. Sie organisierte im April 1953 einen Kongreß katholischer Psychotherapeuten in Rom. Als Frucht davon kam sie in Begleitung des Lacan-Analytikers Serge Leclaire zu einer Privataudienz beim Heiligen Vater, an der auch Jacques Lacan , der neue Großmeister (der Bewegung in Frankreich - W), teilnahm, der endlich den Fischerring küßte (RB 2/02,1).

Man mußte jedoch auf Johannes XXIII., den Nachfolger Pius’ XII., warten, um ein wirkliches Nachlassen der Wachsamkeit der katholischen Autoritäten zu erreichen. Zu dieser Zeit war es nun soweit, daß eine große Zahl von Jesuiten dem Freudismus zuneigte, nachdem dieser in die Religion eingedrungen war und beide Dogmengebäude begannen in einander zu fließen. Einige (Priester) konnten in der Soutane direkt vom Beichtstuhl weg zwischen zwei Messen in der Sakristei ihre „Kuren“ (Lehranalysen - W) machen und in weniger Zeit, als es zur Segnung des Weihwassers brauchte, in Weihrauchschwaden vom Vaterunser zum Penis-Neid gleiten.

Zu Beginn der 60er Jahre führte Pater Gregoire Lemercier sechzig Benediktiner-Mönche zu einer Gruppenanalyse zusammen, die von zwei offiziellen Analytikern der IPA in einem mexikanischen Kloster in der Nähe von Cuernavaca geleitet wurde. ‚Zwei Jahre später verließen Lemercier selbst und 40 Mönche den Orden, um sich zu verehelichen oder (noch komfortablere) sexuelle Beziehungen einzugehen [43] Andere verließen die Kirche, um ihre integren Seelen dem göttlichen Freudismus zu überantworten, z.B. Francois Roustang, ein Jesuitenpater ursprünglich bis zu seinem Treffen mit Serge Leclaire. Diesem verdankt er sein Ausscheiden aus dem Orden, dann seine Heirat und zeitweilige Vermählung mit dem Lacanismus, von dem er sich auch wieder scheiden ließ, um sich, als er von der Analyse gleichfalls enttäuscht war, der Hypnose zu ergeben.

Mitte der 50er Jahre nahmen 75% der katholischen Publikationen nach einer ersten Untersuchung von Moskovici eine sehr positive Haltung zum Freudismus an dahingehend, daß er praktizierenden Familien (60%) noch mehr zusagte als nicht praktizierenden oder indifferenten (34%). 20 Jahre später wiederholte Moskovici die gleiche soziologische Studie zum Thema Publikationen und Bevölkerung und zeigte dabei ein noch substantielleres Eindringen der freudschen Idee in das Gemeinwesen und die Kultur. Aus ihrer dominanten Position heraus trug diese Idee jedoch nur teilweise zum opportunistischen Wiederaufleben des Kommunismus nach Stalins Tod bei...

Freud sah in den Riten und Gedanken des Christentums Hinweise auf eine an die Zwangsneurose heranreichende psychische Pathologie. Was die Psychoanalyse stört, ist ein Glaube, der nicht Psychoanalyse ist. Sind doch Analytikern irrationale religiöse Glaubensrichtungen und Ideologien, Marxismus inbegriffen, wenn nicht vom Freudismus imprägniert, analytischer Interpretation bedürftig, wenn sie schon nicht behandelbar sind. Die russischen Opponenten gegen das kommunistische Regime wurden zu Geisteskranken erklärt (zu „asymptomatischen Schizophrenen“) und erhielten die ‚verdiente’ Behandlung...“

5.3  In Sachen Psychoanalyse ist in Frankreich zur Zeit einiges in Bewegung. Dabei haben, wie es auch hierzulande der Fall ist, die Entscheidungen „pro“ oder „contra“ mit Wissenschaft gar nichts zu tun. Sie werden, wie der Kasten-Text zeigt, auch bei unseren westlichen Nachbarn rein politisch entschieden - „pro“. In seine Werbekampagne für die Europa-Verfassungsvertrag stellte Chirac gar den Anführer des Lacanismus Miller ein, offensichtlich auf Psycho-Wirkung setzend, wenn auch vergeblich. Wie der Kasten-Text aber auch zeigt, wird über die Vorgänge in Frankreich, weil es unter den Fachleuten dort eben noch Zivilcourage gibt, lebhaft gestritten und auch internatonal, u.a. im weltweit angesehensten Wissenschaftsjournal, in SCIENCE, kritisch noch berichtet. Der da erwähnte Gesundheitsminister Monsieur Douste-Blazy ist jetzt französischer Außenminister.

5.4  Weil insbesondere Bénesteaus hochkarätige Kritik MENSONGES FREUDIENS den Freudianern „ans Eingemachte geht“ [44], machen sie dagegen mit allem Mitteln mobil. Elisabeth Roudinesco, Altkommunistin und heute Doyen der Freud-Bewegung in Frankreich, brachte im Juni 2004 in der von Jean Paul Sartre gegründeten Zeitschrift Les Temps modernes gegen das Buch das „Argument“ des Antisemitismus vor, weil davon in Wirklichkeit aber nichts ist, eines „maskierten“. Was Bénesteau als Verleumdung wertete, verbuchte ein Gericht, das Bénesteau bemühte, unter Meinungsfreiheit. Die linken Zeitungen im Land, etwa L’HUMANITÉ und LE MONDE, machten am 3.6.05 aus dem Buch jetzt „antisemitische Schleudereien“. Es ist darum angebracht, auch diesen Dingen näher nachzugehen.

SCIENCE vom 27.02.05

Psychologen-Entrüstung in Frankreich

Freudsche Psychoanalyse ist (in angelsächsischen Län dern) weit vom Hauptstrom psychischer Krankenversorgung weg. In Frankreich ist sie lebendig und wohlauf. Zur Verblüffung vieler Wissenschaftler bekam sie vom Gesundheits-minister Philippe Douste-Blazy gerade eine „Aufbauspritze“ in den Arm.

Auf einem Kongreß der Psychoanalytiker am 5. Februar in Paris lobte Douste-Blazy ihre Arbeit und verkündete, daß er angeordnet habe, einen Bericht aus dem Jahr 2004 aus der Website seines Ministeriums zurückzuziehen. Dieser hatte festgestellt, wissenschaftliche Evidenz gebe kognitiver Verhaltenstherapie (CBT) den Vorzug vor der Psychoanalyse. „Sie werden  nichts mehr von jenem Bericht hören“, versicherte Douste-Blazy, ein Kardiologe, seinem erfreuten Publikum.

Frankreich hat in Sachen Psychoanalyse eine besondere Tradition. Sie wurde von Jacques Lacan (1901 – 1981) begründet.. Er mischte klassische freudsche Ideen mit strukturalisti-schen, was nach Meinung  seiner Kritiker in eine pseudowissenchaftliche, kult-ähnliche Bewegung mündete. Diese wird jetzt von seinem Schwieger-sohn Jacques-Alain Miller angeführt. Von dessen Anhängern waren viele erbost, als Frankreichs führende Gesundheitsagentur INSERM im Feb-ruar 2004 einen Bericht herausbrachte, der das gegenwärtig (in der Heilkunde) moderne evidence based-Prinzip auf die Psychotherapie übertrug und schloß, daß die CBT da am meisten hergibt.

Dieses Mal aber sind viele andere Psychologen und Psychiater aufgebracht. „Ich bin völlig verblüfft,“ sagt Jan Cottraux, ein Psychiater am Pierre-Wertheimer-Hospital in Lyon, Mitglied des INSERM-Teams. Er nennt die Rücknahme des Berichtes „einen Akt der Zensur“ zugunsten einer Lacan’schen Übernahme des Gebiets.

Es gibt Spekulationen, daß Douste-Blazys Bemerkungen hinter dem plötzlichen Rücktritt des Epidemiologen William Dab vom Amt  des Generaldirektors für Gesundheit stehen. Er hatte die Studie in Auftrag gegeben.
5.5              Schon Freud machte für die anfangs zögerliche Aufnahme seiner Lehre bei den Wiener Ärzten u.a. den Antisemitismus verantwortlich [45]. Unter deren Wortführern waren seine direkten „Widersacher“ aber zum großen Teil selbst Juden wie 60 Prozent der Ärzte Wiens damals insgesamt. Die Verhältnisse sind seit langem bekannt. Eine Übersicht bietet (allgemein) C.A. Macartney in THE HABSBURG EMPIRE, 1790 – 1918 (Weidenfeld & Nicholson, London, 1968). Sie werden heute auch im amerikanischen Fachschrifttum besprochen, etwa in einer Rezension des Buches von L. Breger im repräsentativen AMERICAN Journal OF PSYCHIATRY. Auf besagtem Hintergrund bezweifelte P. Horton [46] dort, daß der „Antisemitismus bei der Herausbildung von Freuds Weltanschauung eine größere Rolle spielte...“ P.F. Drucker führt aus persönlicher Erinnerung (ADVENTURES OF A BYSTANDER, Harper & Row, New York, 1980) aus, daß die Wiener Ärzteschaft Freud die Unwissenschaftlichkeit seiner Theorien ankreidete, zum anderen aber seinen Verstoß gegen den jüdischen Heiler-Ehrenkodex, der gebot, Arme unentgeltlich zu behandeln, mindestens verbal dem zu folgen, während Freud immer ein fettes Honorar forderte und zur Voraussetzung für einen Therapieerfolg erhob.

 5.6  Im gedruckten Rundbrief schlossen sich hier Ausführungen aus einem Buch des amerikanischen Psychologie-Professors Kevin MacDonald an, die das spezielle Thema weiter ausbreiteten. Wir löschten sie  für die vorliegende Web-Version, nachdem wir aus uns nahestehender Quelle von antisemitischen Tendenzen des Buches erfuhren. Solche wollen wir gewiß nicht bestärken. Wir halten Antisemitismus für grundsätzlich verwerflich und hier am allerwenigsten für begründet. Die neue Freud-Kritik ist streng wissenschaftlich und wird großenteils von jüdischen Gelehrten getragen. Ihnen sind wir, ist die "wissenschaftliche Welt" besonders zu Dank verpflichtet.  Die folgenden kommentierenden Ausführungen, die unter anderem auf MacDonald Bezug nahmen, ebenso die Fuß-/Endnoten [47] und [48] blieben unverändert, weil sie unsere authentischen Positionen wiedergeben.

5.7 Gab es in Paris jetzt in der Auseinandersetzung um Freud mit dem politischen „Argument“ des Antisemitismus einen neuen publizistischen Sieg der Freudianer, so wird dieses "Argument" auf nüchtern akademischem Niveau gleichzeitig neu aufgelöst. Nachfühlbar ist, daß jüdische Intellektuelle alle Möglichkeiten ausloteten, den Antisemitismus aufzulösen, der den Ihren so oft so viel Unglück schon eingebracht hatte. Daß bei besagten Intentionen ein hohes Selbstgefühl mitspielte – welche Gruppe, national, religiös oder sonstwie geartet, hat sich nicht schon allen anderen überlegen gefühlt? – war und ist ebenfalls statthaft. Auch die Zielsetzung „Paradies auf Erden“ ist lobenswert. Daß manche ihrer Umsetzungen in die Praxis, etwa im Kommunismus, in Teufeleien umschlugen, ist nicht den Pläneschmieden anzulasten. In all dem bleiben die Juden insgesamt doch „unsere älteren Brüder, wie Papst Johannes Paul II. 1986 feststellte. Daß manche angesichts sich abspielender Teufeleien den roten Terror schön redeten, ihn unterstützten, darüber braucht freilich nicht hinweggegangen zu werden. Und Täuschung, Lüge und Betrug, die bei der Psychoanalyse und anderen „Humanwissenschaften“ oft im Spiel waren und sind, können auf Dauer auch nicht hingenommen werden. Sie sind es, die heute gegen den Schöpfer der Psychoanalyse und seine Adepten nachhaltig eingewendet werden und zwar weltweit und fern von Antisemitismus. Nie heiligen Zwecke die Mittel.

Die von Juden geleisteten Beiträge zur Wissenschaft, nicht zuletzt zu den „Humanwissenschaften“ sind insgesamt so gewichtig, daß sie auch durch Fehlleistungen, die aus verständlichen Motiven unterlaufen sind, nicht verdunkelt werden. Anerkennung hier ist so selbstverständlich wie Zurückweisung dort. Das „Argument“ des „maskierten,“ „unbewußten“ Antisemitismus ist schlicht absurd. Politisch ist Schwindel auf Dauer nicht zu halten. Bénesteau bekommt nicht nur von INFC, sondern von Freud-Experten, nicht zuletzt jüdischen, aus vielen Ländern Unterstützung. In Amerika sind die Freudianer seit langem erledigt. In Frankreich versuchen sie sich in besagten Weisen noch zu halten, in Deutschland erst recht. Aber selbst hier wird es für sie mitunter schon eng.

5.8  So rücken manche, die sich hierzulande für Freud weit aus dem Fenster gelehnt haben, heute vorsichtig schon von ihm ab. Die Kinderpsychiater waren unter den Ärzten die ersten, die ihn in ihr Fach integrierten. Der Marburger Ordinarius Prof. Remschmidt verwies nun in DÄ 20/05 einen, der zur Bewältigung eines kinderpsychiatrischen Problems vollmundig wieder „profunde psychotherapeutische Weiterbildung“ anmahnte – den schulisch nicht fixierten Begriff der „Psychotherapie“ tragen die Freudianer gern als unverdächtige Tarnung vor sich her - ruhig und bestimmt auf „eine solide verhaltenstherapeutische Weiterbildung“.  Und wenn selbst das DGPPN-Organ DER NEVENARZT 1/2005 (T. Steinert, B. Plewe) den Verlust beklagt, den sich die deutsche Psychiatrie einfuhr, als sie entgegen den Mahnungen von Baeyers nach 1970 (also mit den 68ern) ihre alte anthropologisch-philosophische Orientierung und damit auch die geistige Durchdringung der Psychoanalyse aufgab – vor tiefem Sturz haben diese sie zuvor freilich auch nicht bewahrt -, mag Selbsterkenntnis doch auch hier der erste Schritt zur Besserung sein.

 

6. Das feine Fälschen in und mit der „Seelenheilkunde“ im Bild

 

   
Das obere, originalgetreue Bild von André Brouillet (1887) zeigt den berühmten Neurologen Jean-Martin Charcot in einer seiner Vorlesungen an der Pariser Salpêtrière, einen Fall der „grande hystérie“, das Fallen in den „arc de cercle“, vorstellend. Als Neurologe war Charcot überragend, als „Psychologe“ in späteren Jahren aber doch recht umstritten. Freud besuchte ihn und seine Vorlesung 1885 und '86, von ihm und seiner Traumatheorie höchst beeindruckt. Auch heutige Neurologen, etwa die Münchner Ordinarien Brandt und Conrad, offerieren in ihren Fortbildungsveranstaltungen gerne „Psychosomatik“ (Fn 36), freudschen Bluff. (Das Bild entnommen aus Henry E. Ellenberger, Die Entdeckung des Unbewussten, Diogenes, 1985.)

Das untere Bild - weggeschnitten sind da vom Original oben ein breiter und links und unten ein schmaler Streifen - stand groß über der „Schreckensmeldung“ der New York Times (Beilage der Süddeutschen Zeitung), es erkrankten in ihrem Leben  psychisch „mehr als die Hälfte der Amerikaner“ (Fn 23), der Regierung Munition liefernd zur psychiatrischen Durchmusterung der Bevölkerung, beginnend jetzt bei den 3- bis 18-jähirgen (.2.10). Überschrift war „Moods, Madness and Mania". „Moods,“ Stimmungen, hat jeder. Wer sie als Krankheit wertet, kann auch 100 Prozent der Bevölkerung als psychisch krank deklarieren. Die Mehrheit der Psychiater hätte nichts dagegen.

Dem Auge entzogen wird in dem beschnittenen Bild, einem Beispiel allgegenwärtiger Medien-Manipulation, was der Maler seinem Werk genial an Information noch mitgab, nämlich wie der Patientin von dem Gemälde an der Wand vis-à-vis unübersehbar mitgeteilt wird, was sie doch bitte jetzt produzieren möge, damit der Herr Professor seine Show bekommt. Bekannt ist, daß die Patientinnen seinerzeit auch von den Assistenten präpariert worden sind.

Übertragen auf unsere Zeit legen das Original-Bild und seine Verkürzung in der Zeitung die Schlußfolgerung nahe, daß psychische Störungen als Massenphänomene von den Fachleuten heute wohl nicht weniger manipuliert werden wie zu Charcots und Freuds Zeiten die hysterischen Anfälle. Das wollen die Fachleute wie auch die Medien mehrheitlich aber am aller wenigsten mitteilen. Die Raffinesse und Kaltblütigkeit, mit denen auf höchsten, angesehensten Ebenen konsequent gefälscht wird, kann Angst und Bange machen.

 

7.   „Fürchtet euch nicht

7.1  Was Herr S., Herr Schröder, Herr Sachse (.2.4) schildern und andere in früheren Rundbriefen schon dargelegt haben, die einen offen, anonym die anderen, weil sie im Rechtsstaat (!) begründete Angst vor staatlichen Repressalien haben, das erfuhren wegen „unzeitgemäßer“ Äußerungen wir, die Vertreter der GEP, über drei Jahrzehnte: Ausgrenzungen, Behandlungen als Unperson von Seiten des Staats, der Medien, insbesondere jedoch der Ärzterepräsentanten und ganz besonders vieler „Führer“ (.2.8) der Psychiatrie, Ordinarien und Chefärzte. Sie konnten sich so freilich nur gebärden, weil sie in Staatsdiensten von der „politisch-publizistischen Klasse“ gestützt wurden und werden. Tatsächlich ist ja die in vielen Facetten auftretende Ausdehnung der „Seelenheilkunde“ ins politisch Manipulative hinein von höchster politischer Instanz, 1945 etwa vom nachmaligen ersten Direktor der WHO (-Vorläuferorganisation) konzipiert worden, ausgedruckt von jedermann nachlesbar (von uns nachgedruckt in RB 2/ 00).

Nun wurde ein ähnlich von der „politischen Klasse“ hoch gelobtes Unternehmen, der europäische Verfassungsvertrag – nur in Eckpunkten, etwa dem vermiedenen Gottesbezug und der fixierten Brüsseler Spitzen-Bürokratie, wurde er bekannt –  in Frankreich und den Niederlanden, wo das Volk Ende Mai, Anfang Juni noch abstimmen durfte, mit großen Mehrheiten herrlich zu Fall gebracht. Die „Klasse“ - gern tritt sie auch als „Elite“ auf  -, Joschka Fischer also und Co., tun, als kümmerte sie das Votum nicht. Wie in Irland möchten sie am liebsten nochmals abstimmen lassen und weiter, „bis es paßt“. In den Medien, die zum geplanten „ancien régime“ für Europa über Jahr und Tag mitgeblasen haben, kommt auch nur vereinzelt Kritik auf. Die FAZ zum Beispiel stellte am  03.06.05 fest, die Bevölkerung folge „dem Projekt einer Elite, die Souveränitätstransfer und grenzenlose Erweiterung als eine sich selbst rechtfertigende Dauerübung versteht,“ nicht mehr. Wer dem Transfer hierzulande nicht zujubelt, über den bricht jedoch, gleichgültig wie auch die Argumente lauten, der Kampf gegen rechts herein. Zumindest wird er ausgegrenzt.

Fast verständlich aber ist, daß die „Klasse“, die „Elite“, auf dem Gebiet der Psychiatrie-Psychologie den Widerstand einer kleinen Gruppe wie der unseren noch viel schneidender übergeht. Die Allgemeinheit interessiert sich für das Gebiet nicht, versteht es kaum. Für die „Elite“ aber ist es höchst interessant. Mehr noch als über Medien und Unterhaltungsindustrie ist von ihm aus das Bewußtsein des Wahlvolks, der gesellschaftliche Diskurs“ (.2.2) zu steuern, je „reformierter“ die fachlichen Methoden, je vielfältiger präsent die sie vorhaltenden Institutionen, desto wirksamer. Just deshalb wurden ja die Psychoanalyse, sei sie auch Schwindelwissenschaft, staatlich anerkannt, die Einrichtungen der „Seelenheilkunde“ insgesamt und der Staatseinfluß in ihr ausgeweitet und die Kritik am Mißbrauch des Fachs schon zu Zeiten von Baeyers „zersetzt, nach seinem Tod die Kritik an solchen Praktiken in der ehemaligen DDR erst recht. Das Wissen darum könnte ja die „elitär“ so dringend gewünschte Akzeptanz links-rechts-umfassender Staatsseelsorge verhageln. Was Wunder, daß wir, die entschiedensten Kritiker dieser Verfremdung des Fachs, in die Unberührbarkeit gerieten? [49] Es geht bei der Auseinandersetzung schließlich um Entscheidungen von epochaler Tragweite.

7.2  Es geht zusammengefaßt um die uralte Alternative Freiheit gegen Unterdrückung, die seit 1945 vielfach als „Antitotalitarismusgegen Antifaschismus auftritt [50], letzterer meist dominierend, so grimmig sich hinter ihm auch neuer Totalitarismus erhebt, lange blank kommunistischer, seit der 68er Kultur-Revolution neo- oder freud-marxistischer, heute auch „globalistisch-kapitalistischer“, neo-konservativ bis ‑liberaler. Dieser nimmt sich gerade nach dem in ihm obwaltenden „Wert“-Systems als dem Huxleyschen Konzept nachempfunden aus. Seine Facetten [51] werden von der „Klasse“, der „Elite“ und ihren Medien ähnlich gepusht. Nicht zuletzt in dem, was zur Psychiatrie in den Medien noch gesagt und geschrieben wird und werden kann, offenbart sich huxleysch-diktatorische Meinungskontrolle.

7.3  Manchmal sah es aus, als wollte darauf selbst die 2000-jährige katholische Kirche einschwenken. Viele Veränderungen gab es in ihr mit dem  2. Vatikanischen Konzil, viele unter dem verstorbenen Papst. Konservative sahen angstvoll schon eine Relativierung des Katholischen Platz greifen, hiermit auch die überkommenen ethischen Grundwerte weiter zerrinnen [52]. Selbst haben wir wiederholt verwundert angemerkt, daß die Kirche zur immer lauter auf tretenden Freud'schen Bewegung, zur säkular-„therapeutischen Gesellschaft“ (Moreno) in den letzten Jahrzehnten kein Wort mehr verlor, manche ihrer Institutionen gar die Bewegung förderten, die nicht nur explizit antikatholisch ist, nicht nur das Innerste des Menschen verkehrt, sondern, wie gerade in jüngerer Zeit ans Licht kam, purer Schwindel ist. Nun gibt es aber auch ganz andere, wahrlich mutmachende Einschätzungen des kirchlichen Geschehens, wichtige auch für uns, deshalb hier in einem „psychiatrischen Blatt“ zu behandelnde.

Fürchtet euch nicht,“ war das Motto der ersten öffentlichen Rede von Johannes Paul II. nach seiner Wahl und auch bei Reisen in Diktaturen (Havanna 1989), die Dissidenten in psychiatrische Kliniken internier(t)en  (2/92,3.1). Er bannte wohl, schon weil er mehr Menschen erreichte, mehr und tiefer greifende Angst als alle „Psycho-Profis“. Weltweit flossen ihm dafür Dank und Verehrung zu in seinem Dienst wie bei seinem Scheiden aus ihm , auch von solchen, die nicht der katholischen Kirche verbunden sind. Für die Veränderung aber, die sein Wirken am eindrücklichsten markiert, den Kollaps der Sowjetunion, müssen wir ihm von der Zielsetzung unserer Vereinigung her am dankbarsten sein. Von der Welt ist der Alp des gewaltsam sich weiter ausbreitenden Kommunismus genommen, der über 70 Jahre auf ihr lastete, viele Millionen Tote kostete und wie der Nazismus das heilkundliche Fach der Psychiatrie pervertierte und schändete. Wem aber kommt daran persönlich höheres Verdienst zu als dem verstorbenen Papst?

Ein an der Katholischen Akademie in Bayern dargebotener Vortragstext des Berliner Publizisten Dr. Otto Kallscheuer [53] sei aufgegriffen: Der vormalige Krakauer Erzbischof, der im Gegensatz zu manch anderen nie an die Stabilität der europäischen Nachkriegsordnung geglaubt hat, war auf dem 2. Vatikanischen Konzil schon „einer der energischsten Befürworter der Menschenrechtserklärung und der Erklärung für die Religionsfreiheit.“ Schon vor „seiner weltpolitisch bedeutendsten,... sowohl antikommunistischen wie antikapitalistischen ... Enzyklika CENTESIMUS ANNUS“ eröffnete er die Freiheitsperspektiven, die den Widerstand der Solidarnosc leiteten und sich schließlich in besagten welthistorischen Veränderungen niederschlugen. Anknüpfend einmal an die Sozialenzyklika Leos XIII., zum anderen an „die antitotalitären Bewegungen,“ also doch an Karl Jaspers [54] und Hannah Arendt, habe der Papst den Vatikan „in der intellektuellen Agenda“ - so „schien es für eine Zeit lang,“ schreibt Kallscheuer bescheiden - „ganz ungewohnt an die Spitze des Fortschritts“ gebracht. „Im Namen der Menschenrechte und der Religionsfreiheit“ habe er schließlich zum grandiosen „Sieg der christlichen Freiheitsbotschaft“ geführt.

Antikommunistisch wie antikapitalistisch, wie gesagt, in seiner Grundhaltung in gleicher Weise. Denn „als bloßes ‘System der Bedürfnisse’ (Hegel) riskiert auch die liberale Gesellschaft totalitär zu werden.“ Das dürfte in Ost und West und auf beiden Seiten des Atlantiks noch Auseinandersetzungen kosten und könnte nach Marx auch andere Propheten materlialistischer Menschenverkürzung noch vom Sockel stürzen (auch wenn hierzulande derzeit eher Kreuze abgetragen werden).  Der „gewissenlose Individualismus der Konsumgesellschaft“ des „freien Westens“ ist nach den in der Akademie gesprochenen Worten heute „zum ideologischen Hauptfeind des Vatikans“ geworden. Die grundsätzliche Position zeigte sehr detaillierte, konkrete Konsequenzen auch im Tagespolitischen, etwa „Wojtylas harte und kompromißlose Ablehnung der westlichen Intervention im Golfkrieg“ mit all deren furchtbaren Folgen, dem weiter wachsenden Haß, dem fortgesetzten Blutvergießen [55].

Bei seinen Begegnungen mit Repräsentanten „der großen Religionen“, von denen keine „ihre Wahrheit verstecken wird,“ standen, so Kallscheuer weiter, „friedlicher Streit“, kein Relativieren an. Noch indem er zuletzt sein eigenes Leiden und Sterben vor der Öffentlichkeit nicht versteckte, wollte „dieser Pontifex Brückenbauer zum Reich des transzendenten Sinns“ sein [56], lebte er Freiheit von Angst vor, erbrachte er den „praktischen Gegenbeweis zur aus purer Todesangst geborenen westlich-liberalen ‚Zivilisation des Todes’“.

7.4  Der neue Papst aber wies in seiner ersten „politischen“ Rede Anfang Juni im Lateran nicht minder deutlich den „Relativismus“, die 68er „Moral“ und mit ihr die „Banalisierung des Körpers“ zurück (SZ, 08.06.05). Kann da das Wort zur „Banalisierung der Seele“, zur neuen Verkürzung des Menschenbilds unter therapeutischer Flagge noch lange ausbleiben? Kann die Kirche vor einer „Seelenheilkunde“, die allen „Gehorsam gegenüber der Wahrheit“ hat fahren lassen (CeNtesimus Annus, S. 34), weiter stumm bleiben? Ist sie nicht unter viel größerem politischen Druck schon politisch hörigen, betrügerischen Seelen-Experten lebensrettend in den Arm gefallen?

Größere Hoffnung noch richtet sich von Johannes Paul II. auf Benedikt XVI. Die Bewältigung der Aufgaben, die auf der Linie des Vatikanums II. seiner harren, ist sicher langwierig, schon weil für viele treue Katholiken irritierend. „Religionsfreiheit“ als originäres Anliegen der Kirche zu verankern, das ist für eine Religionsinstanz ja tatsächlich etwas ganz Unerhörtes, ist volle, unverstellte Achtung der „dem Menschen wesenseigenen Offenheit zur Transzendenz“, so Kallscheuer mit besten päpstlichen wie Jaspers’schen Worten [57].  

Wie dringend sie erwartet, wie breit und gern sie aufgegriffen werden, wie willkommen „der universelle Christus“ in unserer Zeit ist, erwies sich erst kürzlich, Mitte Juni 2005, in Italien, als das Referendum über das „Gesetz zur künstlichen Befruchtung“ mit Pauken und Trompeten durchfiel und die gesamte rechte wie linke Politiker- und Publizisten-Klasse und ihre Ärzte begossen dastanden. Daß die Kirche den aufgeklärten Menschen (Fn16) den Zugang zu ihrem Stifter erleichtert (auf daß u.a. die kapriziösen Intellektuellen weniger verleitet wären, windigsten Rattenfängern zu folgen), wie dringend nötig ist es doch in einer Zeit, in der aus entkoppeltem Intellekt schon so viel Elend hervorgegangen ist und neues Elend droht. Daß die Kirche selbst vor Abstürzen nicht gefeit ist, ihre besorgten Kritiker da mit zu recht an ihren Plätzen stehen (hätten wir von solchen nur mehr auch in der „Seelenkunde“!), ist freilich nicht minder wahr.

So viel hoffnungsvolle Zuwendung zur katholischen Kirche von einer durchwegs laizistischen Gruppierung wie der unseren, die ihre Mitglieder nie nach ihrer Konfession gefragt hat? Zwar verlautete seit Pius XII. keine kirchliche Silbe mehr zum eigentlichen Psycho-Thema, auch nicht zur Psychoanalyse, dem Hauptagens der 68er Kulturrevolution. Aber mit dem Ende des brutalen Kommunismus (in Europa) kam (hier) das Ende auch des klassisch-systematischen  Psychiatriemißbrauchs. Und wer kann eine andere Instanz solch politischen Gewichts nennen, die unserer Sicht des Menschen näher steht und unseren Anliegen heute eher Unterstützung gäbe?

7.5  An der genannten Katholischen Akademie in Bayern sprach am 12. Juli 05, auch das sei noch berichtet, Dr. h.c. Joachim Gauck über die ZWEI MENTALITÄTEN (?) zwischen West- und Ostdeutschen. Ref. erlebte ihn da erstmals persönlich, eloquent und persönlich recht gewinnend. Viel Lob, viel Beifall wurden ihm vom Veranstalter wie aus dem mehrhundertköpfigen Publikum zuteil. Ref. sprach ihn in der anschließenden kurzen Diskussion auf die seinem Haus entquollene Unwahrheit an, die Leugnung des Psychiatriemißbrauchs der DDR. Gauck meinte sinngemäß, so scharf sollte das nicht ausgedrückt werden.

Er stellte die Überparteilichkeit der Behördenarbeit heraus und forderte angesichts der totalitären Residuen in den Köpfen vieler Ostdeutscher auch im Westen Abschied zu nehmen vom „Angst-Anpassungssyndrom“, forderte aufrechten Bekennermut zur Demokratie mit ihrer  Meinungsfreiheit – (aber bitte nur) im Spektrum von Union bis zu den Grünen, denen er wie auch seine Nachfolgerin im Amt entstammen! „Bürger-Sein“, Zivilcourage forderte er. Nur Zweifel an der Autorität seiner „wissenschaftlich qualifiziert“ arbeitenden Behörde, auch Fuchs’ Zweifel (.2.1), schätze er nicht („manchmal richtiger Unsinn“). Voller Anerkennung  war er für den Psychoanalytiker Erich Fromm, den 68er Sinn- und Unsinnsproduzenten, Verkünder der „sozialen Charaktertypen“, z.B. des „nekrophilen“ etc. (.5.7). Die beängstigend engen Grenzen der „schwarz- bis grün-spektralen Meinungsfreiheit,“ aus der bereits Karl Jaspers wie Hannah Arendt herausfallen, erwähnte er nicht, auch nicht das eigene Angst-Anpassungssyndrom, das ihn diese Grenzen peinlich respektieren läßt. Bei solchen Star-Veranstaltungen ist natürlich kaum jemals Zeit darzulegen, warum Wahres mitunter doch deutlich ausgedrückt werden muß. Bei der Antinomie da von strenger, unbequemer Wahrheit, dort unscharf-konzilianter Relativität ist gewiß auch letztere oft angebracht. Bleibt in der Seelenheilkunde aber die Wahrheit unscharf-relativistisch, resistieren in ihr Leid, Lüge und Betrug und im Politischen wirkmächtige Residuen des Totalitarismus in nur zu vielen Köpfen, abgesehen davon, daß Christus dem ehedem evangelischen Pfarrer Gauck wie uns allen deutliche Aussprache auftrug und mitgab: „Fürchtet euch nicht“.

 

Endnoten:

[1] Herablassend meinte auch Sonja Süß, so Fuchs in MAGDALENA, S. 86: „Der hat sein Trauma nicht überwunden.“ Ein DDR-gängiger Spiegel-Reporter, „IMB J. Herold“, so teilt Fuchs ferner mit (S. 145), sprach der Stasi gegenüber von Fuchs’ „Verfolgungswahn“. 

[2] Kerz-Rühling I. und Plänkers T., Verräter oder Verführte“, Ch. Links, 2004

[3] S. hatte den Rechenschaftsbericht zur GEP-Jahresversammlung 2005 gelesen dort auch eine Kritik an Trobischs Buch.

[4] In besagter Darstellung des „Opfer-Organs“ STACHELDRAHT (Was man tun kann zur Anerkennung seelischer Haftfolgeschäden?) sind wie in vielen offiziellen Psycho-Stellungnahmen Richtiges und Falsches vermischt. Der Verfasser, Dr. med. H. Hennig, schreibt richtig, es seien verfolgungsbedingte seelische Störungen lange; bis zu „den Kriegen in Korea, Vietnam und Nahost“; nicht anerkannt worden. Er verschweigt aber, daß unter Federführung unseres verstorbenen Ehrenpräsidenten solche Folgen bei Opfern der Nazi-Diktatur, KZ-Häftlingen, in den 60ern sehr wohl ausgewiesen (v. Baeyer, Häfner, Kisker in PSYCHIATRIE DER VERFOLGTEN: „zwingend von der Belastungssituation zur Störung sich hinentwickelnd“) und die Opfer damit zu „rascher“ Entschädigung gebracht wurden. Auch verweisen Hennig / DER STACHELDRAHT als Referenzen großenteils auf linke Autoren, die die Stasi-Verfolgung „vor-verharmlost“ haben. Mit der GEP, die über 30 Jahre (Psycho-)Opfer kommunistischer, eben jüngster  Diktaturen verteidigt, hat das „Opfer-Organ“ nie Kontakt aufgenommen.

[5] Mitglied in deren „Stiftungsrat“  und nebenbei auch Mitglied der Deutschen Historikerkommission ist Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Weber, em. Ordinarius für Politische Wissenschaft und Zeitgeschichte in Mannheim. Unter dem Decknamen „Hermann Wunderlich“ studierte er 1947 bis 1949 an der Parteihochschule „Karl Marx“ in Liebenwalde, später Kleinmachnow, wo er u.a. Walter Ulbricht, Wilhelm Pieck hörte.

[6] Im berühmten Fall „Dora“ hängte Freud der jungen Ida Bauer dafür, daß sie mit 16 Jahren die erotischen Annäherungen des verheirateten Freundes ihres Vaters mit einer Ohrfeige quittierte, neben inzestuösen und homosexuellen Wünschen eine Hysterie an. Nach wenigen Wochen solcher Behandlung war er denn die Patientin auch los. Beispiel von Trobischs Theorien auf Seite 62 seines Buches: „Nach Eisler (1968) kommt es im Zustand des Ausgeliefertseins an den Täter zum abrupten Abbruch der narzißtischen Zufuhr mit der Folge der Einbüßung der Fähigkeit, sich als handelndes Subjekt mit Handlungsperspektiven zu empfinden...“ Um wieviel differenzierter, authentischer und unprätentiöser hat etwa Dr. Koch in DAS VERHÖR gezeichnet, was sich da zwischen Täter und Opfer abspielt (RB 2/02, 3.2).

[7]   „...Das Komitee für Menschenrechte hat von dieser Entscheidung, die ihm unbegreiflich ist, mit Bitterkeit erfahren. Die Verbringung gesunder Menschen in psychiatrische Anstalten wird als ein niemals mehr auszulöschender Schandfleck in die Ge schichte unseres Jahrhunderts eingehen... Diesen Grausamkeiten gegenüber die Augen zu verschließen, bedeutet sie anspornen und kommt einer Auslieferung der Opfer gleich. Psychiatrische Repressalien verkrüppeln nicht nur das Leben von Menschen. Sie zerstören auch die sittlichen und rechtlichen Grundlagen der menschlichen Gesellschaft...“ (RB 3/84,2.3)

[8]   Nach einem Bericht der Akademie für politische bildung Tutzing 2/05 sehen durchaus auch manche der „Star-DDR-Bürgerrechtler“ und heutigen CDU-Politiker die geschilderte Situation fortbestehenden roten Filzes und die üblen Konsequenzen für das Land. Sie kommen offensichtlich nur gegen die Diktatur-Schönfärber selbst in ihren eigenen Reihen nicht auf.

[9]   z.B.: „Community based treatment services should cover the full spectrum of mental illnesses and disturbances.“ An sich widmet sich eine psychiatrische Behandlungseinrichtung grundsätzlich dem (als solchem bekannten) „vollen Spektrum psychischer Erkrankungen“.  Oder heißt die Formulierung nur, daß kein psychisches Problem mehr privat besprochen werden darf, alles "community based", also vor's Kollektiv kommen soll?

[10] Ein Übersichtsartikel im NERVENARZT 12/04, dem Organ der DGPPN, weist die neurologischen Chefärzte in großer Mehrheit als Anhänger aktiver Euthanasie aus. Welche Einstellungen also übertragen sie auf den Nachwuchs?

[11]   Prof. Singer, maßgeblicher Vertreter dieser Forschung und Geburtstagsredner beim 50. der Angela Merkel, gehört laut NPZ 5/05 „dem Beraterkreis des Vatikans an.“ In Hirnforschung, die sich laut SPIEGEL 16/05 „als Leitdisziplin der Humanwissenschaften positionieren will“,  macht jetzt auch Christa Meves (Geheimnis Gehirn, Resch, 2005).

[12]   Weil von der amerikanischen Hirnforschung oft eher Gegenteiliges abgeleitet wird, wettert die französische Analytikerin Roudiensco gegen sie als „Mythologie cérébrale“.

[13]   Kolle K., Grosse Nervenärzte, Thieme, 1970

[14]   Schneider K., 25 Jahre „Allgemeine Psychopathologie“ von Karl Jaspers, Der Nervenarzt 6/1938. Schneider ließ an einzelnen Aspekten von Jaspers’ Lehre dabei durchaus auch Kritik anklingen.

[15]   Orthbandt E., geschichte der grossen Philosophen, ISBN 3-7684-9860-3

[16]  Auch wer das Tertulliansche „Credo quia absurdum“ nicht sprechen will, übernimmt Verantwortung für sein Tun aus der „Transzendenz“ und richtet in „Grenzsituationen“ vielleicht doch ein Stoßgebet an einen persönlichen Gott – quia absurdum.

[17]   Prof. Dieckhöfer hat die Behandlung der Angst in Philosophie und bildender Kunst in einer vierteiligen Serie in DÄ 48 bis 52/1980 vorgestellt unter dem Titel: „Angst des Irdischen“.

[18]   Von ihm liegt auf Deutsch vor BEWÄLTIGUNG DER ANGST, Springer-Verlag, 1977.

[19]   Freud S. (und J. Breuer), Studien über Hysterie, 1895

[20]   Freud S., Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben (Der kleine Hans). Seine Eltern Max Graf und Olga König waren seit  Jahren Freud ergeben, letztere Freuds Patientin. Nach den Lehren des Meisters erzogen sie den kleinen „Herbert“ – unter diesem seinen richtigen Namen erscheint er in der französischen Freud-Ausgabe zwei Jahre vorher schon (auf Deutsch: Freud S., Zur sexuellen Aufklärung der Kinder, 1907). Freud erkannte in dieser  Erziehung, wie J. Bénesteau darlegt, einen hohen Schutz vor dem Auftreten neurotischer Störungen. Von solcher Erziehung her erhob Freud gar die Forderung, „an den Grundlagen des Systems zu ändern“, rief damit als erster zur „Systemveränderung“ auf (!) und zeigte zwei Jahre später mit der Darlegung von Herberts „Angstneurose“ selbst die Pleite an, die (auch) für die „Psycho-Hygiene“ aus solcher Systemänderung folgt.

[21] Just Herberts freudisch indoktrinierte Mutter war es, die ihrem kleinen Sohn, als er einmal an sein Pimmelchen griff, drohte, sie würde den Arzt rufen, es abzuschneiden.

[22] Das Verhaltensmuster, das Freud kritischen Einwänden (von Jaspers und anderen) gegenüber einführte, nennt man in der Politik „Aussitzen“. In der Seelenheilkunde verdirbt es bis heute den wissenschaftlichen Diskurs. Entscheidend hat es zur Politisierung des Fachs beigetragen. Mit ihm können seit dem zu ein und dem gleichen Thema einander ausschließende Auffassungen unverbunden gegen und neben einander stehen und gleichwohl und gleichermaßen Gültigkeit beanspruchen können..

[23]   Laut The New York Times (Beilage der SZ) vom 27.06.05 erkranken gar „more than half of Americans“.

[24] Es gibt aber auch echten wissenschaftlichen Fortschritt in der „Seelenheilkunde“. Zu vielen Krankheitsbildern wurden neue Erkenntnisse gewonnen. Auch wurden neue Krankheitsbilder neu erkannt, nicht nur die Angststörungen. Viele der neuen „Krankheiten“ in der Psychiatrie sind gleichwohl höchst umstritten, insbesondere psychoanalytische Kreationen, selbst wenn in ICD / DSM festgeschrieben. Zum Borderline-Syndrom etwa brachte H.S. Akiskal in den Acta psychiatrica scandinavica 2004: 110: 401 – 407 das Editorial „Demystifying Borderline Personality...“ heraus, das sie im geläufigen bipolaren Krankheitsspektrum einreiht.

[25]   Jaspers K., Der Arzt im technischen Zeitalter, Piper-Serie, 2. Aufl. 1999

[26]   Vielfach sind Jaspers’ Bücher heute vergriffen, werden auch nicht mehr aufgelegt, z.B. seine schöne KLEINE SCHULE DER PHILOSOPHIE, sein letztes, abschließendes Buch.

[27]   Karl Jaspers und die Psychoanalyse, fromann-holzboog, 2002. Dr. Bormuth, stellt Jaspers' „apodiktische“, „rigide“ Diktion heraus, unterstellt ihm zwischen den Zeilen nicht ganz sauberes Argumentieren (Benützen von „pars-pro-toto,“ von „drastischen Beispielen“ etc.) und läßt ihn insgesamt gegen die erfolgreichen Herren A. Mitscherlich, V. von Weizsäcker, J. Habermas etc. recht traurig aussehen: „in intellektuellen Zirkeln kaum mehr diskutiert“.

[28] Dr. Kittel, der sich für eine undogmatische Psychotherapie einsetzt, nennt Jaspers’ Ansichten „wissenschaftlich  fragwürdig“ und „logisch inkonsistent“,  reduziert sie auf einen „Glaubenskampf“ und hängt dem überragenden Mann auch persönlich Ungutes an. Er  habe z.B. dem früheren Kollegen Arthur Kronfeld in seinen späten Jahren nicht die gebührende Ehre erwiesen. So schön, teil weise gar Freud-kritisch aber viele der kronfeldschen Texte sind –  in PERSPEKTIVEN DER SEELENHEILKUNDE, 1939, Georg Thieme, S. 221, beleuchtete er auch „Situationsphobien“ -, ist Jaspers Position doch eine andere und wohl auch gewichtigere. Mußte er getrieben sein, dem früheren Kollegen an der Heidelberger Klinik, der sich mit seiner Frau im Moskauer Exil möglicherweise vor dem erwarteten Einmarsch der Wehrmacht suizidierte, Ehrenkränze zu flechten? Fraglos aber verdient Kronfeld aus dem Vergessen geholt zu werden.

[29]   Hannah Arendt - Karl Jaspers: Briefwechsel 1926-1969, Piper München 1993. Was Arendt bei den wiederholten Treffen mit Jaspers nach dem Krieg diesem mündlich noch mitteilte, entzieht sich natürlich unserer Kenntnis.

[30]  In Die Lösung sozialer Konflikte empfahl er für den „Umerziehungsvorgang“ „Gruppenarbeit“ und zur Erzielung „tieferer Veränderungen“ des Wertbewußtseins „Täuschung“,  für die Gruppenpsychotherapie etwa das Vorzugaukeln einer „freien Atmosphäre“. In Wirklichkeit seien die „neuen Werte“  natürlich jedem „einzelnen von außen aufzuzwingen“ (RB2/98, 13).

[31]   Noch in seinem letzten Buch von 1965 KLEINE SCHULE DER PHILOSOPHIE warnt Jaspers eindringlich vor der Freudschen Lehre.

[32]   Auch die Besetzung des Irak scheint fast den Zweck zu verfolgen, die Kulturrevolution, freie Abtreibung, Euthanasie, Zerstörung der Familien, das „neu-westliche System“ eben, in der muslimischen Welt durchzusetzen, dort wo es ohne Gewalt nie hätte eindringen können. So sehr „den Westen“ jetzt der islamistische Terror trifft, bleibt dies zu erwägen.

[33]   Grawe K., R. Donati und F. Bernauer, PSYCHOTHERAPIE IM WANDEL – VON DER KONFESSION ZUR PROFESSION, Hogrefe,1994.

[34]    NPZ 5/05 eröffnete kürzlich z.B. eine breitere Behandlung der Angst mit einem Beitrag zur Pharmakotherapie, ließ dazu auch verlauten, vielfach sei „ausschließliche medikamentöse Behandlung ... legitim“, setzte aber den Beitrag unter die Überschrift: „Ein Baustein in einem komplexen ...Behandlungsansatz“, als ginge es doch nie und nimmer „ausschließlich“. Wenn nun Psychologen einem Klienten Guten Tag sagen, dann ist das „Psychotherapie“. Wenn aber Ärzte einem Patienten  nach langen, einfühlsamen Gesprächen noch ein Medikament aufschreiben, nennen das auch ärztliche Gazetten „ausschließlich medikamentöse Behandlung“.

[35]   Am letzten Tagungstag (06.05.05) erschien der (in nachfolgendem Kasten) nachgedruckte Leserbrief .

[36]   Hat auch der Erfinder der „Psychosomatik“, Viktor von Weizsäcker, der sich nach 1945 mit Alexander Mitscherlich zusammen besonders für die Freudsche Idee engagierte, vor 1945 selbst ein Freud-Buch ins Nazi-Feuer geworfen - Bormuth schreibt es -, so hindert das deren heutige Propagandisten nicht, ihn und sich selbst besonders „antifaschistisch“ herauszuputzen.

[37]   Die Krankenkassen überweisen aus gesetzlich fixierten Sozialversicherungsbeiträgen eingesammeltes Geld pauschal u.a. an die KVen zur Verteilung an die Leistungserbringer nach einem Punktwert. Dieser berechnet sich jeweils aus dem Quotienten des eingesammelten/vorhandenen Geldes durch die Zahl der für erbrachte Gesundheitsleistungen geltend gemachten Punkte.

[38]   Gefordert haben es „Sachverständige“, die die politische Führung in die Enquête-Kommission berufen hat, vielfach Psychoanalytiker und ihnen zugetane „Experten“, die Namen in der Bundestagsdrucksache 7/4201 nachlesbar, die Methode rechtzeitig durchleuchtet in: Weinberger F., Achillesferse Psychiatrie oder: Der Countdown einer Sozialisierung, DÄ 50/73

[39] In jungen Jahren übte Freud eine gewisse Faszination auch auf den Autor aus - selbst einmal Hörer am Berliner Institut für Psychotherapie e.V. Verständlich, daß es anderen jungen Menschen ähnlich ergeht. Langsam reifte aus besserer Kenntnis der Theorie und aus praktischer Erfahrung die heutige Kritik heran, wie sie auch in vielen anderen langsam und oft nur schrittweise aufstieg. Für geprüft-wirksame Psychotherapien und ausreichende Aussprachemöglichkeit in der Medizin / Psychiatrie zur haben wir immer plädiert.

[40]   Eine der letzten Gelegenheiten, die Dinge vor einem ärztlichen Beschlußgremium offen zu behandeln, bot der Deutsche Ärztetag 1974 in Berlin (RB 2/01,6.9). Damals brachen die 68er Ärzte-Chaoten just in die beginnende Psychiatrie-Debatte ein und sprengten sie. Die Ärztetagsleitung deckte den Tumult mit Marschmusik zu. Sie hielt es nie für nötig, die Diskussion nachzuholen. Drei Jahre später (in Saarbrücken) saßen die 68er selbst schon auf den ärztlichen Delegiertenbänken und buhten nieder, was ihnen mißfiel.

[41]   Bénesteau schildert sie als Hanna Dampf in allen Gassen, die sich im richtigen Moment am richtigen Ort ein fand, um Verbindungen mit wichtigen Personen zu knüpfen, eine Journalistin, die leichten Zugang zu den Mächtigen und Berühmten hatte, zu Staatsleuten, Gelehrten, katholisch Prominenten, Ärzten, Schauspielern, Schriftstellern, zu „all denen, von denen man spricht, damit das Volk zuhört.“ 1946 gründete sie „Psyché - Revue internationale de Psychoanalyse et des Sciences de l´ Homme“,  die seit 1947 auch in Deutschland erscheint, hier u.a. von A. Mitscherlich begründet als „Zeitschrift für Psychoanalyse und ihre Anwendungen“. 

[42]   Zuerst schwang Choisy  zum Okkultismus, gründete AROT,  L’Association pour la Rénovation de l’ Occultisme Traditionel. Ein Okkultist war freilich mit anderen Psychoanalytikern auch Freud selbst.

[43]   Roudinesco E. &  Plon  M., Dictionaire de Psychanalyse, Fayard, (1997) 241

[44]   Eine deutsche Übersetzung des Buches liegt leider nicht vor, so daß sich hierzulande wohl nur wenige selbst überzeugen können. In Deutschland werden uns die wichtigsten „unzeitgemäßen“ Informationen von den Medien, den Verlagen vorenthalten.

[45]   Freud S., Die Widerstände gegen die Psychoanalyse, 1925

[46]   z.B. Horton Paul C., Rezension von Louis Breger, FREUD: DARKNESS IN THE MIDST OF VISION in AM. J.  PSYCHIATRY 4/2003, weitere Diskussion auf den Seiten (2003) 801 und 1360

[47]   Der Psychologe Kurt Lewin rechtfertigte in seinem Buch DIE LÖSUNG SOZIALER KONFLIKTE (Christian, Bad Nauheim 1975, Seite105) „Täuschung“ offen und ungeniert als Mittel zum Zweck demokratischer Umerziehung.

[48]   Über alle Maßen übelwollend waren leider nicht wenige. Fast bizarr wirkt gerade aber auf diesem Hintergrund ein Wort, das Freud unmittelbar vor dem Einmarsch der Nazis in Wien an einen ihm zum Verlassen des Landes ratenden Besucher richtete: „Helfen Sie mir lieber, meinen wahren Feind zu bekämpfen, die römisch-katholische Kirche.“

[49]   Viele Psychiater, Psychologen sahen die Dinge ähnlich, blieben aber bedeckt, wohl weil sie angesichts der Machtverhältnisse („normale“) Angst um ihr Auskommen hatten.

[50]   Näheres hierzu wie auch zur Umerziehung (.3.4) in C. v.  Schrenck-Notzing CHARAKTERWÄSCHE, erweiterte Neuauflage, Ares, Graz, 2004. Der Verfasser auf Deutschland zentriert, dem Primat der Ethik, so auch Jaspers gegenüber skeptisch, in erlebter Diskursausgrenzung aber Schicksalgefährte.

[51] Manche von denen, die freie Abtreibung, freie Euthanasie, freien Sex und ähnliches besonders verurteilen und sich darob besonders katholisch gebärden, merkten wie die EUROPÄISCHE ÄRZTEAKTION nicht, wie sie  dem mit der Propagierung von Psychotherapie selbst zugearbeitet haben. Auch wenn von Christa Meves propagiert, kam und kommt die Propaganda freudschen, d.h. 68er „Werten“ zugute.

[52] In ihrem Mitteilungsblatt 5/05 lastet etwa die Priesterbruderschaft St. Pius X. dem verstorbenen Papst erneut seine Verständigungssuche mit den Ost-Kirchen, seine Predigt in der lutherischen Kirche Roms 1983, seinen Empfang der B’nai B’rith 1984, seinen Gang in die römische Synagoge 1986 (dort das überfällige Wort von „unseren älteren Brüdern“ - .5.7), an die Klagemauer im Jahr 2000, in die Omayjaden-Moschee in Damaskus 2001, den Oekumenismus insgesamt an. Mit den Weltgebetstreffen von Assisi 1986 und 2002 fand er bildhaften Ausdruck. Daß die Kirche in ethischen Fragen wie der Abtreibung an christliches Gebot erinnert, seine Einhaltung aber nicht „erzwingt“,  wer kann sich darüber erregen, der die freudschen Wegbereitungen dazu nie eines Worts würdigte?

[53] Kallscheuer O., Antikommunismus – Antikapitalismus – Apostolische Führung. Zum widersprüchlichen Erbe eines konservativen Revolutionärs in Zur Debatte - Themen der katholischen Akademie in Bayern 3/05.

[54] Wenn die Kirche also wie von alters her Philosophie aufnimmt, so findet sie gewiß bessere Anknüpfungen als bei Jürgen Habermas und seiner lausigen Diskurs-Ethik (RB 1/ 04, 3.6). Der 68er Marsch durch die Institutionen“ braucht nicht bis an die Kirchenspitze zu gehen. Natürlich können viele Menschen Jaspers’schen Abstraktionen wenig abgewinnen. Sie brauchen, um Halt und Hilfe für ihr Leben zu finden, griffige Glaubensinhalte. Wer aber mit einer Verantwortungsethik vorliebnimmt, tut gut daran, christliche Lehren und Riten zu achten. Vielfach kommt noch, was unsere Gesellschaft leidlich zusammen hält, was an ihr noch menschlich ist, aus solchem Glaubensgrund.

[55]   Es ist auch kein „Anti-Amerikanismus“, wohl aber berechtigte Kritik am US-Regierungskurs, wenn das IKRK dem US-Militär Folter vorwirft und beanstandet, daß z.B. mehrere hundert Gefangene, die seit Anfang 2002 auf dem US-Stützpunkt Guantanamo festgehalten werden, dort „grausamer und entwürdigender Behandlung, einer Form der Folter“ ausgesetzt werden. Besonders kritisiert wurde in dem Bericht die „Zusammenarbeit von ärztlichem Personal mit den Ermittlern“, was (nicht nur) nach Ansicht der Genfer Organisation eine „flagrante Verletzung der medizinischen Ethik“ dar stellt. Das Verhörpersonal habe Zugang zu den medizinischen Akten und erhalte, heißt es, „von der ärztlichen Seite Informationen über den Gesundheitszustand und die ‚Verwundbarkeit’ der Gefangenen“  (NZZ 1.12.04).Wie viel die Welt Amerika andererseits an Freiheit verdankt, wer würde es unterschätzen, wer die Opfer nicht hochachten, die Amerika für die Freiheit erbracht hat? Die Problematik der Irak-Intervention sehen viele Amerikaner selbst. Ganzen Einsatz leisten sie, daß die völkerrechtswidrige Okkupation ein Ende findet. Sie kommen, scheint es, gegen ihre „Klasse“ so wenig auf wie wir gegen die „unsere“.

[56]  Im Leiden hohen Sinn zu erfüllen, stellte Viktor E. Frankl als Möglichkeit sich vollendenden Menschseins und das Aufzeigen solchen Sinns als hohe Aufgabe eines Psychotherapeuten heraus. Damit aber ist Frankl, der im KZ alle seine Angehörigen verlor, es selbst nur knapp überlebte und dennoch weiter die Sprache der Menschlichkeit und nicht wie Freud des Hasses sprach, von heutiger „Richtlinienpsychotherapie“ weit entfernt (RB 3/01,6-7).

[57] Für die meisten entfaltet gewiß persönlicher Gottesbezug die Kraft des „Fürchtet-euch-nicht“. Mit gutem Grund hat die Kirche aber auch früher Philosophie in sich auf genommen. Sie mußte an Platon nicht vorbeigehen.