Rundbrief 2/07                                                                September  2007

                                                                                                   (im Netz seit 4.10.2007)

 

Inhalt                                                                                                                             

 

      1.   Einführung 
      2.   Seelen(heil)kunde zur Kontrolle - Vortrag in der Gedenkstätte Roter Ochse in Halle

3.   Aktuelle Ergänzungen

4.   Gabriele Kuby, Verstaatlichung der Erziehung, Abschied von der Rationalität

5.   „Das System wird immer komplexer“ – Übersicht und Kritik einer Hochstapelei 

6.   (Schein-)Debatten um die Psychosomatik

7.   Gebeugte und unterdrückte Debatten um die sozial(istisch)e Psychiatrie und Psychologie

8.   Ein kollegialer Dialog

9.   Summary (im englischen Teil der GEP-Webseite)

 

 

 

 

Hinweise:  RB + Zahl mit zwischengestelltem Schrägstrich verweist auf früheren Rundbrief, Zahl mit vor- oder zwischengestelltem Punkt auf das genaue Kapitel. In Kursivdruck stehen in der Regel Aussagen von Nicht-GEP-Mitgliedern. Alle Hervorhebungen (durch Fett-, vereinzelt auch Kursivdruck) und alle Fußnoten (soweit nicht anders markiert) sind redaktionellen Ursprungs. So weit die Texte namentlich nicht besonders gekennzeichnet sind, ist ihr Verfasser Friedrich Weinberger. Redaktionsschluß war am 26. September 2007.

 

 

 

 

1.  Einführung

 

Im Folgenden für Fachleute wie „Laien“ wieder ein Überblick über gesellschaftliche Entwicklungen im Umkreis der zunehmend verstaatlichten Psychiatrie und Psychotherapie. Zuerst ein Vortragstext mit aktuellen Ergänzungen, die die immer noch akuten „seelen(heil)kundlich“ relevanten Menschenrechtsverletzungen in der DDR und ihre gezinkte Aufarbeitung beleuchten.

Es folgen Ausführungen der Soziologin Gabriele Kuby zu den bundesministeriellen Bemühungen auf Schaffung eines „neuen (Gender)-Menschen“ hin. Es ist dies ja auch unsere Thematik seit langem, wobei es uns immer besonders um die Beiträge ging, die von besagten Fächern, von Psychiatrie und Psychologie, aus in solch manipulative Richtung gehen. Daß eine Frau frei von „Psycho-Idiomen“ die Warnungen hier ausspricht, möge ihnen breitere Beachtung einbringen, als wir sie über drei Jahrzehnte erzielen konnten.

Aus aktuellem Grund gehen wir dann auf die rot verwandelten „Psycho-Disziplinen“ selbst ein, wobei hier, bei den Kapiteln 5-7, eine gewisse fachliche Vertrautheit das Verständnis erleichtern mag. Anspruchsvoll sind wohl alle Texte.

Den Abschluß bildet dann ein Dialog mit Frau Dipl. Med. N. Kuchta aus Frankfurt / Oder, unserem neuen Vorstandsmitglied, auf daß nach der Katholikin Kuby auch eine bekennende Atheistin zu Wort komme. In den ethischen Fragen, die wir behandeln, münden ganz unterschiedliche weltanschauliche Ausgangspositionen – die GEP selbst ist da neutral - in gleiche oder ähnliche Schlußfolgerungen.

Das Internet, die weitest reichende Umwälzung der Information seit Erfindung des Buchdrucks, habe, heißt es, die Macht der Medien, der einseitigen Information „von oben nach unten“, beendet. Bei 14 Millionen KByte, die weltweit monatlich jetzt von unserer Webseite abgerufen werden, könnte das allmählich auch für die Seelen(heil)kunde Konsequenzen haben, wären solche freilich auch nirgends fälliger als eben hier.


 

2.  Vortrag in der „Gedenkstätte Roter Ochse“ in Halle / Saale am 10.07.2007

zum Abschluß einer seit April 2007 laufenden Vortragsreihe Die historische und aktuelle Dimension des Untersuchungshaft- und Strafvollzuges, ausgerichtet von der Gedenkstätte Roter Ochse, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der Landeszentrale für politische Bildung des Landes Sachsen-Anhalt und des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehem. DDR in Sachsen-Anhalt.

Seelen(heil)kunde - neue Dimension des Überwachens, Strafens nur in Diktaturen?

Das Thema Psychiatrie darf am Ende einer Vortragserie über Strafvollzug bei, Besserung von, Abschreckung vor störendem Handeln, in Diktaturen auch störendem Denken nicht fehlen. In beiden Diktaturen, die unser Land oder Teile davon im letzten Jahrhundert heimgesucht haben, der braunen wie der roten, kam diesem fest gebauten Haus, dem „Roten Ochsen“, dabei eine böse Rolle zu. Beide Wege staatlicher Eingrenzung der Störungen, den juristisch-poenalen wie den therapeutisch korrigierenden, haben beide Diktaturen exzessiv beschritten. Freilich waren die Bereiche des strafenden wie des „heilenden“ Behandelns von „Störern“, gleichzeitig Schutzes der Allgemeinheit vor ihrem „Stören“ - Stören jeweils aus der Sicht der Staatsmacht - von alters und immer wieder vielfältig mit einander verflochten. Ein markantes Beispiel bleibt das Hôpital général des absolutistischen Frankreichs, in das Kranke wie Gestrauchelte, oft einfach nur Arme, Unglückliche ohne viel Aufhebens gesteckt wurden. Die Diskussionen der Mißstände in diesen Hôpitaux généraux, an denen auch Foucaults einflußreiches Buch Wahnsinn und Gesellschaft[1] ansetzt, entsprangen der Aufklärung, dem sich seiner selbst inne werdenden Menschengeist. Sie gaben mit Anstoß zur Französischen Revolution wie in der Folge zur Entwicklung der wissenschaftlichen Seelenheilkunde. Ähnlich waren übrigens die Diskussionen als nötig erachteter psychiatrischer Reformen hierzulande mit der sogenannten Kulturrevolution verbunden, die um 1968 etliche westliche Länder beutelte, nicht zuletzt die alte Bundesrepublik. Die Psychiatrie trennte vom Anfang des 19. Jahrhunderts an willentlich begangene und damit zu verantwortende Rechtsbrüche von solchen, die aus krankhafter Störung der Geistestätigkeit erwachsen. Sie vermochte, fraglos humanisierend, hie Strafen, da Heilen-Bessern-Nachsehen neu zu begründen. Mitunter aber blieben die psychiatrischen Zuordnungen doch fragwürdig.

2.1 Vor zwei Jahren ging der Fall der aus Südamerika stammenden „Vera Stein“ (ein Pseudonym) durch die Presse. Die damals 19-Jährige wurde 1977 psychiatrisch eingewiesen und mit einer gravierenden Diagnose belegt, nachdem ihre Pflegeeltern mit ihr nicht fertig geworden waren. Zwei Jahre lang wurde sie in einer Klinik in Bremen festgehalten und medikamentös behandelt. Dreimal wurde sie nach Ausbruchsversuchen von der Polizei aufgegriffen und in die Klinik zurückgeschafft. Jahre danach begann sie Wiedergutmachung zu fordern. Von deutschen Gerichten immer wieder abgewiesen, bekam sie 2005 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dann, weil eben zu Unrecht "psychiatrisiert", doch eine Entschädigung zugesprochen, 75.000.- Euro aus der Staatskasse. Der Gerichtshof stellte zudem fest, das Oberlandesgericht Bremen habe sich „noch im Jahr 2000 einer Menschenrechtsverletzung schuldig gemacht“.

2.2  Nun, die Vereinigung, für die ich spreche, die Walter-von Baeyer-Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie e.V. (GEP), nimmt sich seit über 30 Jahren weniger Einzelfällen wie dem eben vorgetragenen an als vielmehr systematisch zu politischen Zwecken betriebenen Mißbräuchen der Seelen(heil)kunde, wie sie moderne Diktaturen entwickelt haben. Mit ihnen wurden nicht nur im Einzelfall der Strafverfolgung ähnliche Freiheitsentziehungen, sondern gar subtilere Mittel der Kontrolle und Bestrafung in großem Umfang gezielt einsetzbar. An den schaurigen Stasi-Begriff der „Zersetzung“ ist zu erinnern.

Auf die Instrumente der „Seelen(heil)kunde“, der ärztlichen Psychiatrie wie der nicht-ärztlichen Psychologie, greift notwendig-selbstverständlich auch der Rechtsstaat zurück, um in unser aller Interesse Rechtsbrüche einzudämmen oder ihnen angemessen zu begegnen. Daß es dabei vereinzelt wie im eben erwähnten Fall der „Vera Stein“ zu Mißgriffen kommt, liegt vor allem wohl an der Fehleranfälligkeit alles Menschlichen. Jedoch ist anzumerken, daß die Reform der Psychiatrie in Richtung „Sozialpsychiatrie“, die im Westen ab den 70er Jahren mit Vehemenz propagiert und durchgesetzt wurde, gerade die Abstellung solcher Unzulänglichkeiten, in jedem Fall aber „mehr Menschlichkeit“ versprach. In dieser sozialpsychiatrisch reformierten, institutionell, personell, vor allem aber staatlich ausgeweiteten Psychiatrie stellt sich nun heraus, daß freiheitseinschränkende Zwangseinweisungen erheblich zugenommen haben, nach einer Mitteilung etwa des Deutschen Ärzteblatts 18/07 „Unterbringungen nach dem BGB in den Jahren 1992 bis 2003 in ganz Deutschland... um 38 %“.[2] Wilhelminisch-großspurig angekündigten Projekten der Regierenden ist immer mit Vorsicht zu begegnen.

2.3  Moderne Diktaturen aber setzen die Mittel der Seelen(heil)kunde systematisch ein, um auch mit ihnen ihre Maßstäbe von politisch „richtigem“ Denken durchzusetzen. Von solchen Mißbräuchen des Fachs erfuhren wir im Westen in größerem Umfang erstmals Ende der 60er Jahre aus der Sowjetunion. Es waren die Jahre Chruschtschows, dann Breschnews, also die Zeit schon nachstalinistischer, gleichwohl immer noch drückender Diktatur. Diese koordinierten, aus einem Zusammenwirken von Justiz und Heilkunde resultierenden und deshalb systematischen Mißbräuche des Fachs gegen Oppositionelle wurden von einigen Psychiatern in einigen Ländern als unerhörte Herausforderung ihres Berufs aufgefaßt, wobei allen natürlich die noch übleren, massenmörderischen Verbrechen in der Nazi-Medizin im Bewußtsein waren. Bei den Weltkongressen für Psychiatrie gab es um diese neuen Verbiegungen des Fachs lebhafte Debatten. Sie haben von ihnen in Halle damals wohl wenig gehört. 1977 beim Weltkongreß der Psychiater in Honolulu wurde die sowjetische Psychiater-Fachgesellschaft wegen dieser Mißbräuche verurteilt. Vor dem Weltkongreß in Wien 1983 mußte sie sich, um einem Ausschluß zuvorzukommen, aus dem Weltverband zurückziehen. Der Druck, der über lange Jahre von der psychiatrischen Weltgemeinschaft, nachdrücklich auch von uns auf die Sowjetpsychiatrie ausgeübt wurde, hat nicht unwesentlich zur letztendlichen Implosion des Sowjet-Systems beigetragen.

2.4  Erst damit, also nach der Wende erfuhren wir von ähnlich, wenn wohl auch in geringerem Umfang vorgekommenen Praktiken in der DDR. Der ersten demokratisch gewählten Volkskammer war auch durchaus geläufig, daß zu den politisch Verfolgten hier solche gehören, die „in psychiatrische Behandlung genommen worden waren“. Bereits wenige Wochen nach den ersten freien Wahlen im März 1990 beriet sie – so schildert es Hubertus Knabe in seinem neuen Buch DIE TÄTER SIND UNTER UNS (Proplyläen, 2007, S. 209) -  über ein Rehabilitierungsgesetz auch für sie. Wie manch gute Ansätze wurde es offensichtlich vom Westen aus wirksam ausgebremst. Von unseren offiziellen, jetzt gesamtdeutschen Stellen wurde die psychiatrische Form der Repression auffällig heruntergespielt. Wir in der GEP, die wir langfristig in ihrer Wahrnehmung geübt, ja überhaupt die einzige Gruppierung im Land waren, die sie kompetent genauer wahrnahm, wurden von allen einschlägig in den neuen Bundesländern durchgeführten Nachuntersuchungen ausgegrenzt, so auch von den Untersuchungen, die es hier in Sachsen-Anhalt unter Leitung Ihres Magdeburger Sozialministeriums gab. Die Untersuchungen wurden allerorts, auch von der Gauck-Behörde, als „closed shop“ betrieben. Psychiatrie dient halt auch dem Rechtsstaat als Ordnungsmittel. Unrechte Vorkommnisse in ihr, leicht hier einreißende Menschenrechtsverletzungen werden deshalb wohl nicht allzu gern öffentlich behandelt – einer der Gründe auch für Fälle wie den erwähnten der „Vera Stein“.

Uns, der GEP, wurden jedenfalls trotz aller Ausgrenzung entsprechende Fälle systematischen Psychiatriemißbrauchs in der DDR in gar nicht so geringer Zahl bekannt. Wir haben sie auch publiziert und werden sie in einer etwas ergänzten Liste demnächst neu vorstellen. Es verleugneten sie auch , wohl um nicht direkt als Lügner dazustehen, unsere staatlichen Instanzen nicht völlig. Sie spielten sie "nur" immer wieder herunter. Der sächsisch-anhaltinische Bericht etwa erwähnt „drei... aus politischen Gründen (ins Psychiatrische Krankenhaus Bernburg) eingewiesene Patienten“, die „unverzüglich wieder entlassen worden“ seien. Wie das geschehen sein soll, wie überhaupt Genaueres zu erfahren wäre, dazu schweigt der Bericht . Er malt ein seltsam verschwommenes Bild, betont auch, daß hier, in der DDR-Psychiatrie, „nicht nur negative Aspekte zu entdecken“ seien.[3] Stünden solche Formulierungen je in einem Bericht über Aspekte der Nazi-Vergangenheit?

2.5  Viel weiter verbreitet als der Psychiatrienmißbrauch war in der DDR aber gewiß der Mißbrauch der Psychologie.  Er wurde auch breit dokumentiert. Ich erwähne die Bücher von Klaus Behnke und Jürgen Fuchs ZERSETZUNG DER SEELE, Rotbuch-Verlag, 1995, sowie ZERSETZEN – STRATEGIE EINER DIKTATUR, 2003, von Sandra Pingel-Schliemann.  Zur Erinnerung daran, was Zersetzung heißt, zitiere ich kurz aus der bekannten Stasi-Richtlinie 1/76:

Zu den bewährten Mitteln der Zersetzung (gehörten)

- systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer und diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben;

- systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Mißerfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens einzelner Personen;

- zielstrebige Untergrabung von Überzeugungen in Zusammenhang mit bestimmten Idealen, Vorbildern usw. und die Erzeugung von Zweifeln an der persönlichen Perspektive;

- Erzeugung von Mißtrauen und gegenseitigen Verdächtigungen innerhalb von Gruppen“ usw.

Die Zersetzung kann als Fortentwicklung, Verfeinerung des sowjetischen Psychiatriemißbrauchs verstanden werden. Dieser verfehlte ja eklatant sein Ziel. Überwachung, Bestrafung abweichenden politischen Verhaltens und Denkens konnten heilkundlich so nicht begründet, der Welt so nicht als human verkauft werden. Der Einsatz der Psychologie erfüllte den Zweck weit besser. Er war für die Staatsmacht im Vergleich zu Bau und Unterhalt von psychiatrischen Krankenhäusern und Zuchthäusern wie hier des Roten Ochsens auch billiger. Die „Operative Psychologie“, gelehrt von universitär ausgebildeten Psychologen an der Stasi-Hochschule in Potsdam-Golm, die Zersetzung, geriet zur spezifischen Leistung deutscher Seelenkundler zur Festigung fortgeschrittener Diktatur. Auch die Stasi mit ihren hunderttausend Haupt- und informellen Mitarbeitern kostete bekanntlich einiges. Aber gerade mit der Operativen Psychologie war sie doch so preiswert, daß sich mit ihr lange Zeit das weltweit dichteste System staatlicher Unterdrückung aufrecht erhalten ließ, eines der effektivsten. Die Operative, marxistisch-leninistische Psychologie, laut Behnke und Fuchs (a.o.O., S. 13) „unverzichtbarer Bestandteil des Studiums an der Hochschule des MfS“, machte die Repression fast unsichtbar. Zersetzung, so schreibt Pingel-Schliemann, „erhielt bei der Bekämpfung Oppositioneller den Vorrang vor strafrechtlichen Sanktionen“ (S. 93). Und weiter: „Selbst die Jahresberichte von ‚amnesty international’ wirkten seit 1979, was die Menschenrechtsverbrechen in der DDR im Vergleich zu anderen sozialistischen Diktaturen anbelangte, relativ harmlos“ (S. 105). Als so human erschien die Diktatur damit, daß viele Intellektuelle im Westen ihr offen zuneigten, genügend ihr zuarbeiteten.

Die Zahl der Zersetzten wird von Hubertus Knabe allein für die „letzten Jahre der DDR“ auf 20.000 bis 25.000 geschätzt. Knabes erwähntes neues Buch gibt erstmals einen halbwegs umfassenden Überblick über die verschiedenen Formen der Verfolgung wie auch über ihre Aufarbeitung seitdem. Das Buch zeichnet sich in der Darlegung der Geschehnisse durch große Akribie aus, der Autor, Knabe, angesichts wieder erstarkender Seilschaften und des verbreiteten Beigebens vieler Bürger, auch Unionspolitiker, durch großen Mut. Knabe kommt in dem Buch breit auf die Zersetzung zu sprechen, leider auch er aber kaum auf den Psychiatriemißbrauch und die Farce seiner Aufarbeitung.

2.6  Das ist das Vertrackte an der Repression per Seelen-(heil-)kunde, daß sie, anders als hier der Rote Ochse, kaum ins Auge fällt und die ihr einst Ausgelieferten es deshalb auch heute besonders schwer haben, als Opfer anerkannt zu werden - selbst unter ihresgleichen. Eines dieser Opfer, ein Arzt, der noch kurz vor der Wende wegen seines Widerstands gegen SED-Gewaltige vor Ort ins Irrenhaus gesteckt wurde, bekam, obwohl inzwischen voll rehabilitiert, seinen Antrag auf Mitgliedschaft in der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) abgelehnt, weil man da eben nur aus Haftanstalten, nicht aber aus psychiatrischen Kliniken kommende Verfolgte aufnahm.[4] Keine Zeitung, kein Nachrichtenmagazin, kein Sender im ganzen Land waren bereit, seine Geschichte herauszubringen. Auch im Bericht der einschlägigen Untersuchungskommission taucht sie nicht auf. Den systematischen Psychiatriemißbrauch hat es nach offizieller Lesart in der DDR halt „nicht gegeben“. Die ihn am eigenen Leib erfuhren, werden leicht auch heute im deutschen Rechtsstaat belächelt und entrechtet.

So nimmt es fast nicht wunder, daß nach der vor wenigen Wochen neu für die SED-Opfer vom Bundestag beschlossenen Entschädigungsregelung nur solche berücksichtigt werden, die mindestens sechs Monate in Haft waren. Opfer der Zersetzung, der mißbrauchten Seelenkunde wie Seelenheilkunde, die etwa „nur“ „Verfolgungszeit“ oder mißbräuchliche Psycho-Internierung vorzuweisen haben, blieben wieder außen vor.[5] - Psychiatrie und Psychologie sind als Wissenschaft vielfältig von innen und in ihrer Praxis von außen her administrativ mit einander verknüpft. Sie haben so auch in ihrer mißbräuchlichen Anwendung ein gemeinsames Konto. An Raffinesse wie an Zahl der Opfer übertrifft so der politisch-systematische „Psycho-Mißbrauch“ der DDR den der Sowjetunion eher, als daß er geringer gewesen wäre. Und von dem wissenschaftlichen „Fortschritt“, den die 2. Diktatur auf deutschem Boden damit in der Methodik des Überwachens und Strafens machte, von der Zersetzung, profitiert nun der Rechtsstaat. Elegant erspart er sich Entschädigungen ihrer Opfer. Dabei ziehen sich die psycho-wissenschaftlich angelegten Beschädigungen in annähend gleicher Häufigkeit wie bei ehemals Inhaftierten bis heute hin. Eine kürzlich von der Psychiatrischen Universitätsklinik Greifswald publizierte Arbeit[6] legt sie im Einzelnen dar.

2.7  Im letzten Rundbrief unserer GEP habe ich den Fall eines Ingenieurs dargestellt, der als Student nach einem gescheiterten Fluchtversuch inhaftiert, psychiatrisch untersucht und mit einer stigmatisierenden, dabei grotesk abwegigen Diagnose belegt worden war. Er konnte sich infolge exzellenter Leistungen nach Haftverbüßung dennoch beruflich entwickeln, ein Hochschulstudium abschließen und schließlich eine Stellung im höheren Dienst der Deutschen Post, nach der Wende der Bundespost einnehmen. Hier, im Rechtsstaat, wurden ihm zwar 27 Jahre „Verfolgungszeit“ anerkannt. Aus unerfindlichen Gründen wurde er aber plötzlich und dann Schritt um Schritt weiter degradiert, um nach nochmals drei Jahren der Rechtssuche endlich zu erfahren, daß in seiner Personalakte bei der Bundespostdirektion im fernen Bonn besagte psychiatrische Diagnose kursierte, nach der er für einen verantwortungsvollen Dienst natürlich ungeeignet wäre. So weit also reicht der psychiatrisch-psychologische Arm der Stasi. Er vermag denjenigen noch Schaden zuzufügen, die vor Jahrzehnten dem MfS einmal in die Fänge geraten sind. Der „Psycho-Arm“ reicht über jeden anderen „Strafarm“ einer Diktatur, über den des „Roten Ochsen“ jedenfalls weit hinaus.

2.8  Die „Psycho-Form“ von Überwachung, Abschreckung, Bestrafung ist aber nicht nur Relikt des Kommunismus. Ein Beispiel aus unserer rechtsstaatlichen Gegenwart: Die Diplom-Medizinerin N. K. hatte sich im Sommer 2003 einer Begutachtung durch den westlich sozialisierten Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Augusta-Viktoria-Klinikum in Berlin auf „Befähigung zur Ausübung ihres (nerven-)ärztlichen Berufs“ zu unterziehen. „Massive Patienten- und andere Beschwerden u.a. seitens ärztlicher Kollegen“, so heißt es in dem Gutachten, gaben 2002 „den Ausgangspunkt zu einem berufsrechtlichen Verfahren, um das Landesärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung gebeten haben.“ Die Ärztin praktiziert seit 1992. In ihrer Ehe kriselte es ab Mitte der 90er - Scheidung 2002 -, nachdem sie u.a. von der früheren IM-Tätigkeit ihres Mannes erfahren hatte. Es kam zu Spannungen auch mit anderen, ähnlich belasteten Leuten ihrer Umgebung, u.a. dem damaligen Leiter ihrer örtlichen KV, früher „IM Stadtrand“. Die KVen, Kassenärztlichen Vereinigungen, sind bekanntlich Aufsichts- wie Auszahlorgane der niedergelassenen Ärzte.

Daß die erwähnten Beschwerden gegen Frau K. politisch motiviert waren, sie zu entsprechenden Erwiderungen also guten Grund hatte, darüber ging der Gutachter flott hinweg. Er diagnostizierte an der seit über zehn Jahren praktizierenden Nervenärztin  „ein komplexes Wahnsystem...“ Ihre Befähigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs verneinte er zwar nicht, legte ihr aber „eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung“ sowie eine „Nachuntersuchung in einem Jahr“ auf, belegte sie so mit der anhaltenden Drohung der Existenzvernichtung für den Fall, daß sie ihren Widersachern, großenteils, wie gesagt, ehemaligen Stasi-Leuten, nicht beigäbe. Mit sichtlicher Befriedigung hielt er fest, daß sich bereits „das in Gang gesetzte berufsrechtliche Verfahren ... gleichsam ’disziplinierend’ ausgewirkt und der Ärztin zu einer realitätsgerechteren Haltung“ zurückverholfen habe, sie auch „keine konkreten Schritte zu einer entsprechenden publizistischen Verwertung“ ihres Falles unternähme. Tatsächlich ist es unsere GEP, die sie ermunterte, sich gegen die Unbedarftheit, Unverfrorenheit des professoralen Seelenheilkundigen auf die Hinterbeine zu stellen.

Zur Gauck-Birthler-Behörde erklärte der Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz in der FREIEn PRESSE, Chemnitz, vom 13.10.06, es hätten heute da  „im wesentlichen linke Westdeutsche und alte Stasi-Leute“ das Sagen..[7] Wäre es erstaunlich, wenn oder daß es in anderen Bereichen, etwa der Ärzterepräsentanz, ähnlich zugeht und der politische Psychiatriemißbrauch gar in seiner plumpen, sowjetoiden Form unter uns Platz greift, von den „sanften“ psychologischen DDR-Weisen der Zersetzung ganz abgesehen? Die Verfolgung der Ärztin wohl durch bewußte „Seilschaften“ - wen sonst? - geht im übrigen konkret noch weiter: An Ostern 2006 wurde gezielt in ihre Praxis eingebrochen, wurden ihre Praxisräume verwüstet. Das Deutsche Ärzteblatt ermahnte die Mediziner jüngst wieder zu kollegialem Verhalten unter einander.[8]  Dabei wird der „Richtlinie 1/76“ entsprechendes „Mobbing“, psychiatrisch institutionalisiert, auch von einigen ihrer gewählten Vertreter hemmungslos gegen sie ausgespielt.

Meine Damen und Herren, es wurde oft, so von dem verstorbenen FAZ-Herausgeber Joachim Fest das Wort Börnes zitiert: „Die Deutschen wollen keine Freiheit.“ „...Immer war“ ihnen, schrieb in unseren Tagen Chaim Noll, Sohn eines SED-Partei-Dichters, selbst ein Dissident und als DDR-Wehrdienstverweigerer dann Opfer systematischen Psychiatriemißbrauchs, „..immer war hoch willkommen, wer (hier) das Ungeheuerliche (tyrannischer Gewalt) legitimieren half...“ (NACHTGEDANKEN ÜBER DEUTSCHLAND, rororo, 1992), wer etwa, können, dürfen, müssen wir  ergänzen, Mißbräuche der Seelenheilkunde herunterspielte oder leugnete. Nun steht gerade Halle mit dem Aufstand vom 17. Juni 1953, u.a. dem Versuch der Häftlingsbefreiung hier am Roten Ochsen, für deutschen Willen zur Freiheit. Einige haben ihn hier gar mit dem Leben bezahlt. Halle ist auch der Ort, an dem Bürgerrechtler einmal - Knabe führt es aus - die IMs im Umkreis bekannt und darüber einen ehrlichen Umgang der Bürger mit einander ermöglicht haben. Wie plagt sich das übrige Land mit dem sonst üblichen Akteninhalt-Versteckspiel? Rühmlich ist als „Protest von Halle“ mit Ihrer Stadt auch das erste Aufbegehren der SED-Opfer gegen die peinlich-unzulängliche Entschädigungsregelung des sog. „1. SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes“ von 1992 verbunden. So möge unsere heutige Tagung, auf der die Tatsache geschehener und geschehender Mißbräuche der Seelen(heil)kunde und die seltsame Art ihrer „Aufarbeitung“ erstmals in einem akademischen Kreis ruhig vorgetragen werden konnte, mit dem Namen Ihrer Stadt rühmlich verbunden bleiben als "Zeichen von Halle", daß Recht und Freiheit auch moderner, seelen-(heil)-kundlich verbrämter Repression standhalten. Mögen alle daraus Mut schöpfen, denen die Perfidie des "Psycho-Mißbrauchs" begegnet!

2.9  Im Mißbrauch der Sowjet-Psychiatrie, meine Damen und Herren, lag die Lüge offen auf. Eine „Schizophrenie“, eine „Krankheit ohne Symptome“, wie vom seinerzeit führenden Sowjet-Psychiater Prof. Sneschnewski konzipiert, gibt es nun einmal nicht. Der Psychologie-Mißbrauch und die vielfältig mit ihm verbundenen Lügen ließen sich leichter verstecken. Sie kamen erst ans Licht, als die Stasi-Akten halbwegs zugänglich wurden. Jürgen Fuchs sprach (in o.g. Buch, S. 76) von der „Lüge auf allen Gebieten, der Aufkündigung jeder verläßlichen Kommunikation“, die die „Operative Psychologie“ zeitigte. Auch in unserer Demokratie aber hat die Lüge heute Konjunktur. Im März 2005 ging der Betrug des koreanischen Klon-Forschers Hwang Woo-Suk durch die Medien. Kürzlich flogen die Betrügereien des Dopings im Rad-Sport auf, von Ärzten einer renommierten Universitätsklinik in Freiburg geleitet. Wie kommt es, müssen wir fragen, daß sich Lüge und Betrug in der Wissenschaft wie darüber hinaus in der Gesellschaft so verbreitet haben? Unter den verschiedenen Faktoren scheint mir einer zu sein, daß Wissenschaftstheoretiker des sogenannten Post-Modernismus, Koryphäen gerade des „Psycho-Sozio-Bereichs“, beginnend etwa mit dem anfangs erwähnten Michel Foucault und anderen, Thomas Kuhn etwa, Jacques Lacan, Jacques Derrida, hierzulande Jürgen Habermas,[9] die Möglichkeit von Wahrheit grundsätzlich in Frage gestellt und so der Unwahrheit, der Willkür in der Wissenschaft grünes Licht gegeben haben. Als frühesten der „Post-Modernisten“ nennen manche übrigens Sigmund Freud.[10]

In der Folge erwärmten sich ganze politische Lager, die über Generationen vordem auf die Vernunft als Kraft des Fortschritts gesetzt hatten, für tollste Blüten des Irrationalismus. Betrügerei erhielt Rückenwind. Schön beleuchten das in ihrem Buch ELEGANTER UNSINN (C.H. Beck, 1998) der Amerikaner Alan Sokal und der Franzose Jean Bricmont. Das Ausmaß der Lüge in der Seelen-(heil)-kunde geht jedenfalls weit über den Bereich hinaus, den ich jetzt abschreiten konnte. Wen das näher interessiert, klicke auf die Web-Site der GEP und des mit ihr verbundenen Internationalen Netzwerks der Freud-Kritiker (INFC). Es gibt an Aufarbeitung von altem, Vorkehrung vor neuem Unrecht, neuer Lüge noch viel zu tun. So mögen diese Tagung, mein Vortrag und die freundliche Aufnahme durch Sie, das Zeichen von Halle, auch fortwirken als Warnung vor pseudowissenschaftlichen Versteigungen der Seelen(heil)kunde und Mahnung zu wissenschaftlicher Redlichkeit!

 

2.10  Infolge auslaufender Redezeit mußte Ref. den Vortrag am Ende kürzen. Die wesentlichsten Inhalte aber waren „rübergekommen“.

 

In der anschließenden Diskussion legte der Landesbeauftragte von Mecklenburg-Vorpommern Jörn Mothes, der selbst an der Erstellung der unter Fn 6 bezeichneten Arbeit der Univ. Greifswald beteiligt war, dar, daß die Quantifizierung der Folgeschäden aus Zersetzung im Vergleich zu Haftschäden halt immer schwierig ist. Dagegen gehalten wurde, daß die Graduierung von Folgeschäden immer mit Unschärfen behaftet war, aber dennoch angemessene Entschädigungen realisiert wurden, mit den Feststellungen von „Verfolgungszeit“ zudem ein ganz passabler Maßstab für Schadensregulierungen auch hier schon vorliege.

 

3.    Aktuelle Ergänzungen

 

3.1  Eine russische Oppositionelle ist nach Angaben ihrer Mitstreiter eines kritischen Artikels wegen zwangsweise in eine Psychiatrische Klinik gesperrt worden. Eine Vertreterin der Vereinigten Bürgerfront berichtete, Larissa Arap werde in einer Klinik bei Murmansk gewaltsam mit Medikamenten behandelt. Arap habe im Juni in einer Oppositionszeitung den Vorwurf erhoben, Patienten würden dort geschlagen und vergewaltigt. Sie sei dann Anfang Juli in der Praxis ihres Arztes festgenommen und in die Psychiatrie gebracht worden. Die vom Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow geführte Gruppe wirft Präsident Putin vor, die Demokratie in Rußland zu zerstören. Die Klinik bestätigte, daß eine Patientin namens Arap behandelt werde. Eine Stellungnahme zu den Vorwürfen war nicht zu erhalten. Reuters / SZ vom 31.07.2007

 

3.2               Der Chinesische Internet-Dissident He Weihua wurde in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Die „Organisation Reporter ohne Grenzen“ protestierte dagegen und kritisierte: „Es kann nicht hingenommen werden, solche Methoden zu benutzen, um Bürger zum Schweigen zu bringen MÜNCHNER MERKUR, 25./26. 08.2007. Yahoo weist jede Mitverantwortung von sich (FAZ, 29.8.).

 

3.3   Bundespräsident Horst Köhler hat am 21. August das 3. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz unterzeichnet. Die anspruchsberechtigten Opfer erhalten vom 1. September an E 250.-, solche freilich nur, die akut notleidend sind (und mehr als ein halbes Jahr inhaftiert waren). Opfer mißbrauchter Seelen(heil)kunde bleiben außen vor.

3.4  Den Fall Sonja Lüneburg (RB1-04,6.5) versuchen wir über die Jahre näher zu klären. Wir schrieben BILD an, von der die erste Information gekommen war. Die Redaktion antwortete nicht. Die Gauck-Birthler-Behörde gab auf Anfrage am 14.03.07 die Auskunft, es seien über Lüneburg „keine Akten auffindbar“. Wir schrieben jetzt den Ltd. Staatsanwalt von Berlin an. Er teilte mit, „daß hier keine Erkenntnisse über Sonja Lüneburg vorliegen.“

 

So viel kam auf weiteres Nachforschen dann aber heraus: Die alleinstehende Frau wurde 1966 aus West-Berlin in den Osten gelockt, wobei das MfS sie lang vorher schon ins Visier genommen, ihre Schulden bezahlt und eine Rückkehr ausgeschlossen hatte, um ihre Identität auf eine seiner Agentinnen, J. Olbrich, Spionin dann bei Bundeswirtschaftsminister Bangemann, zu übertragen. 1968 wurde die Unglückliche psychiatrisch interniert, unbekannt aus welchem Grund oder unter welchem Vorwand. Sie verblieb im Fachkrankenhaus Berlin-Buch bis 1974 und war dort ein zweites Mal von 1975 bis 1978. Ihr Leben verlosch geistig verwirrt in einem Pflegeheim. Die Stasi betreute sie dort bis zur Wende. (Aufzeichnungen von R. Henkel im Buch WAS TREIBT DEN SPION?). Keine Staatsanwaltschaft fand es für nötig, den offensichtlich kriminellen Vorgang von Freiheitsberaubung und Üblerem (vgl. Meldung von BILD vom 19.02.04) näher zu klären. Der Verdacht des systematischen politischen Psychiatrie-Mißbrauchs besteht jedenfalls fort.

 

3.5  Die Gauck-Birthler-Behörde steht seit Monaten in der Kritik, nachdem ihre von Anfang an bestehende Durchsetzung mit ehemaligen Stasi-Leuten und alten SED-Kadern bekannt geworden ist. Vielfach wird das als Indiz gewertet, daß eine Aufarbeitung der kommunistischen Verbrechen ausgeblieben ist, ja eine solche womöglich gar nicht gewünscht wurde, eher Beschwichtigungen der Bevölkerungsteile, denen Gerechtigkeit und damit eine Strafverfolgung der roten Täter ein wirkliches Anliegen ist.

Nun gab es im August größere Aufregung um einen „neu“ oder doch nicht neu aufgefundenen Schießbefehl, nach dem die DDR-Grenzwächter ausdrücklich auch auf flüchtende Frauen und Kinder zu schießen gehalten waren – laut Birthler ein „Sensationsfund“. "Wir sind noch lange nicht am Ende der Aufarbeitung" der DDR-Diktatur, sagt sie und gibt zur „Aufarbeitung“ etwa dem Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen sechs Aktenordner mit Namen der seinerzeit ins Stasi-Untersuchungsgefängnis Eingelieferten heraus – alle geschwärzt (SZ, 30.08.07).

Für uns war von Anfang an befremdlich, daß die „Aufarbeitung“ des DDR-Psychiatriemißbrauchs von Gauck in die Hände allein der Sonja Süß, geb. Schröter, gelegt wurde, einer Doktorandin von Achim Thom, des früheren "Leiters der Lehrgruppe Marxismus-Leninismus im Hochschulbereich Medizin" an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Entsprechend der behördliche Schluß: Kein systematischer Psychiatriemißbrauch in der DDR! Birthler distanziert sich heute gelegentlich von ihrem Amtsvorgänger. An der Verschönerung besagter DDR-Psychiatrie-Praxis änderte sie nichts.

 

3.6  Rainer Eppelmann, evangelischer Pfarrer, 1990-95 MdB-CDU, wurde in der ehem. FDJ-Zeitung Junge Welt vom 09.12.1989 so zitiert:

"Um die Inaktiven nicht den Rechten in die Arme zu treiben, müssen wir uns ihren Wünschen, Empfindungen, Erwartungen stellen. Das heißt nicht, daß wir zu allem Ja und Amen sagen dürfen. Aber es kann uns Linken nicht gleichgültig sein, was 70 Prozent der DDR-Bevölkerung bewegt. Sonst sorgen sich die anderen um sie...

An die seinerzeitige Bundesministerin für Justiz Leutheuser-Schnarrenberger schrieb der damalige NVA-Abwicklungsminister Eppelmann am 8.9.1992

"In Absprache mit dem Bundesinnenminister Dr. Schäuble... ist seinerzeit die Militäraufklärung und das Informationszentrum der ehemaligen DDR, der Nationalen Volksarmee aufgelöst worden. Die Akten sind auf meinen Befehl hin vernichtet worden, um einer strafrechtlichen Verfolgung der Mitarbeiter dieser Behörde entgegenzuwirken..."

Eppelmann war nach 1989 Gründungsmitglied, zeitweise Vorsitzender des Demokratischen Aufbruchs, dessen weiterer (bald als Stasi-Spitzel enttarnter) Vorsitzender W. Schnur war und zu dessen Vorsitz als Vertreterin des linken Flügels auch einmal Dr. Sonja Süß (damals Schröter) kandidierte. Heute ist Eppelmann Beiratsmitglied der BStU sowie seit 1998 Vorsitzender der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur, einer bundesunmittelbaren Stiftung des öffentlichen Rechts, an deren Tropf die Opferverbände hängen. 

 

3.7  Im Juli 2007 kam über seiner Vorgeschichte als „IM Erich“ der Neurologe und Psychiater und CDU-Stadtrat in Bernau bei Berlin Dr. Bernd Findeis ins Gerede. Seine IM-Vorgeschichte war anonymisiert schon in DÄ 50/2004 behandelt worden (Weil F., Ärzte als inoffizielle Mitarbeiter...).[11] Jetzt kamen im Bernauer Stadtrat lebhafte Diskussionen auf, u.a. der Antrag auf Durchleuchtung der Stadtverordneten insgesamt. Die Mehrheitsfraktionen CDU und SPD lehnten ihn ab. Auch an Findeis hielt die CDU fest. Als Mitglied der Ethikkommission der brandenburgischen Landesärztekammer mußte er aber zurücktreten. In Kenntnis seiner Vorgeschichte hatten ihn „obere“ brandenburgische Kollegen, Ärztefunktionäre, da erst einmal hingewählt.

 

3.8   Frau Dipl.Med. Norina Kuchta aus Frankfurt / Oder (.2.8), inzwischen als kompetente Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie wie als ausgeglichene Persönlichkeit, Mutter zweier blühender Töchter, auch persönlich bekannt (Bild von Besuch in Garmisch-Partenkirchen), wurde im September 2007 zum Vorstand der GEP kooptiert.


 

4. Gabriele Kuby, Tochter des (linken) Journalisten und Schriftstellers Erich Kuby, ist jüngst einem breiten Publikum bekannt geworden durch verschiedene Bücher sowie deren Besprechung in der Presse, voran der JUNGEn FREIHEIT vom 29.06.2007. Kuby richtet sich eindringlich gegen das augenfällig laufende staatliche Groß-Unternehmen der Schaffung eines neuen Menschen. Ihm dient u.a. das „Gender Mainstreaming“. Als so absurd nimmt es sich aus, daß manchen gar eine Diskussion darüber als abwegig erscheint. Unsere Leser sind auf das Thema eher vorbereitet. Ein ähnliches Unterfangen lief unter Trotzky schon in der frühen Sowjetunion („neuer Sowjetmensch“). Es wird heute anscheinend weltweit „von ganz oben“ mit Nachdruck verfolgt. Wir greifen das Thema erneut auf, weil die „seelen-(heil-)kundlichen“ Fächer da immer im Spiel sind. Kuby ist die erste und einzige, die außer uns Widerstand leistet, bravourösen Widerstand.

Ihre Bücher:

G. Kuby, Verstaatlichung der Erziehung – Auf dem Weg zum Neuen Gender-Menschen, E 2,95, ISBN 978-3-939684-09-1

G. Kuby,  Die Gender Revolution - Relativismus in Aktion, 160 Seiten, E 9,95, ISBN 978-3939684-04-6, 2006,

G. Kuby, Ausbruch zur Liebe – Für junge Menschen, die Zukunft wollen, 240 Seiten, E 12,80, ISBN 3-928929-69-0

 Bestelladresse: fe-medienverlag, Hauptstr. 4, 88353 Kisslegg, www.fe-medien.de, Tel. 07563-92006

Im Folgenden Auszüge aus ihrem neuen, kleinen, konzentrierten Buch 

 

Verstaatlichung der Erziehung - Auf dem Weg zum neuen Gender-Menschen

... Abschied von der Rationalität

4.1  Wissenschaftliche Rationalität – ein Wert, auf den unsere aufgeklärte Kultur stolz war, wird der Ideologie geopfert. Da es unter der Diktatur des Relativismus keine verbindlichen Werte mehr gibt und deswegen auch keine Möglichkeit, das Allgemeinwohl zu definieren, zerfällt die Gesellschaft in Partikularinteressen, von denen sich jene durchsetzten, die die größte Macht hinter sich haben, u. a. die demokratisch nicht legitimierte Macht der Medien. Weil die Zieldiskussion nicht offen und redlich geführt werden kann, müssen die Fakten verbogen werden.

Wäre das, was tatsächlich geschieht, ein unerwünschter Nebeneffekt, so hätte sich das herumgesprochen und die Politik wäre korrigiert worden. Seit den siebziger Jahren geht die Politik aber kontinuierlich in dieselbe Richtung: die Abschaffung der traditionellen Familie und die Schließung der „sozialen Lücke“, die Simone de Beauvoir vor gut sechzig Jahren gefordert hat. Immer weniger Familie, immer mehr Staat: Von der Krippe in den Pflicht-Kindergarten und von dort in die Ganztagsschule. Der Staat legt die Hand auf die Kinder. Eltern, deren „natürliches Recht und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht“ die Pflege und Erziehung der Kinder sind (GG Art 6,2,) sollte es interessieren, ob die Erziehungsziele des Staates mit ihren eigenen übereinstimmen.  

Welche Erziehungsziele hat der Staat?

4.2  Bei der Diskussion um staatliche Kindererziehung, die mit der Krippe beginnen soll, wird die „Professionalität“ der Betreuerinnen stillschweigend als Garant für eine rechte Kindererziehung gesehen. Aber was sind eigentlich die Ziele der staatlichen Erziehung in Krippen und Kindergärten? Es gibt keine „neutrale“ Erziehung, deren Güte am Grad der Qualifikation der Erzieher/innen zu messen wäre. Auch die Ausbildung der Erzieher/innen beruht auf Wertentscheidungen. Wir leben in einer post-christlichen, säkularen Kultur, die sich zunehmend mit heidnischer Spiritualität füllt. Im staatlichen Bildungssystem darf christlicher Glaube nicht mehr vermittelt werden. Vermittelt werden sollen „Werte“. Aber welche Werte?

4.3  Gender Mainstreaming - Leitlinie der Politik

Auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung heißt es: „Gleichstellungspolitik mittels der politischen Strategie des Gender Mainstreaming hat die Bundesregierung als durchgängiges Leitprinzip und Querschnittsaufgabe festgelegt. Damit reiht sich die Bundesregierung in die weltweiten Aktivitäten zur wirkungsvolleren Durchsetzung von Gleichstellungspolitik ein“ (www.bmbf.de/de/532.php). Federführend für die Umgestaltung der Gesellschaft nach den Prinzipien des Gender Mainstreaming ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Schaut man sich auf der Homepage des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend um unter den Begriffen „Gleichstellung“, „Gender Mainstreaming“, „GenderkompetenzZentrum“, um herauszufinden, was eigentlich Ziel der Familienministerin ist,[12] so entdeckt man unter scheinbar leeren Phrasen des Rätsels Lösung: Die Geschlechtsdifferenzierung von Mann und Frau und die Heterosexualität als Norm sollen aufgehoben werden. Dazu wurde der Begriff „Gender“ erfunden. Diese neue Ideologie wird durch virtuose Beherrschung des politischen Apparats in gesellschaftliche Wirklichkeit verwandelt. Dies gelingt durch Unterlaufen der demokratischen Strukturen ohne jede öffentliche Debatte. Schaltstelle ist die „Interministerielle Arbeitsgruppe Gender Mainstreaming (IMA GM)“, die dem Bundesfamilienministerium untersteht. Dort werden die Strategien erarbeitet, wie über „Gesetzesfolgenabschätzung“ und „Implementierung in die Arbeit der Bundesregierung“, durch „Gender Budgeting“, das heißt die Umlenkung der Staatsfinanzen, in Zusammenarbeit mit dem vom Familienministerium finanzierten „GenderkompetenzZentrum“ der geschlechtsvariable Mensch geschaffen wird.

Die Sprache ist verräterisch, denn ohne Veränderung der Sprache ist die Veränderung der Gesellschaft nicht möglich. An der Außenseite begegnet man Phrasen, die so nichtssagend sind, dass sie aufhorchen lassen. Dringt man über die Verweise und Links auf der Homepage (www.bmfsfj.de) tiefer in die Brutstätten des neuen Menschen ein, dann stößt man auf Klartext.

 (U.a. heißt es hier:) „Die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer ist heute das zentrale gleichstellungspolitische Anliegen: Ohne eine Aufhebung der geschlechtsspezifischen Verantwortlichkeiten in Familie und Beruf und ohne das Bereitstellen der hierfür erforderlichen Rahmenbedingungen ist Gleichstellung nicht durchsetzbar.“

Hier kommen wir dem Kern der Sache näher: Die Geschlechtsrollen von Mann und Frau sollen aufgehoben werden. Mutter und Vater sind aber geschlechtsspezifische Verantwortlichkeiten. Eine Mutter kann nicht Vater, ein Vater nicht Mutter sein, auch dann nicht, wenn er zwei Monate lang den Hausmann macht.

„Die Arbeit der Bundesregierung ist durchgängig am Konzept einer Gleichstellungspolitik orientiert, die die Verwirklichung der Gleichberechtigung als prozessorientierte Querschnittsaufgabe betrachtet. Diese Strategie basiert auf der Erkenntnis, dass es angesichts der unterschiedlichen Lebenssituationen von Männern und Frauen keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt.“

Früher ging es um „Gleichberechtigung“ der Frauen mit den Männern, jetzt geht es um deren „Gleichstellung“, nämlich um den Prozess der Auflösung der gesellschaftlichen Wirklichkeit, welche die Geschlechtsdifferenz von Mann und Frau spiegelt.

„Gender bezeichnet die gesellschaftlich, sozial und kulturell geprägten Geschlechtsrollen von Frauen und Männern. Diese sind - anders als das biologische Geschlecht – erlernt und damit auch veränderbar. Mainstreaming bedeutet, dass eine bestimmte inhaltliche Vorgabe, die bisher nicht das Handeln bestimmt hat, nun zu einem wichtigen Bestandteil bei allen Vorhaben gemacht wird.“ Die Veränderung der geschlechtlichen Identität, die bisher nicht das politische Handeln bestimmt hat, soll nun bei allen Vorhaben realisiert werden.[13]

Beim „GenderkomptenzZentrum“ erfährt man in dem Artikel „Geschlecht als sozial konstruierte Kategorie“, dass das „duale Ordnungsschema der Zweigeschlechtlichkeit“ überwunden werden muss.

Aber was ist der Mensch, wenn er nicht Mann oder Frau ist? Das Familienministerium gibt darauf keine offensichtliche Antwort. Es tauchen Begriffe wie „Transidentität“, „Intersexualität“ und „queer“ auf, bei denen sich nur jene winzige Minorität etwas vorstellen kann, die darin befangen ist.

4.4  UN – EU – Familienminsterium –  alle ziehen an einem Strang

Die EU ist weniger auf Verschleierung bedacht. Sie kämpft für die Gleichstellung, der „lesbian, gay, bisexual and transgender (LGBT) community. Die staatlichen Gender-Aktivisten sind über diese Kategorisierung bereits hinaus und arbeiten mit dem neuen Wort „queer“. Solange von Homosexualität geredet wird, gibt es immer noch eine polare Zuordnung zur Heterosexualität. Es soll aber jede Geschlechtsidentität aufgelöst werden. „Queer“ bezeichnet eine „dezidierte Nicht-Identität“[14]

Unter dem Punkt „Implementierung von Gender Mainstraming in die Arbeit der Bundesregierung“ erfährt man, dass die Interministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung des Familienministeriums „mit einem hohen Grad an Verbindlichkeit“ arbeitet, um „in mehreren Schritten Gender Mainstreaming als Element einer unbürokratischen, effizienten und zielgerichtet arbeitenden Verwaltung zu etablieren“.

Mit dem Instrument der „Gesetzesfolgenabschätzung“ werden sämtliche Gesetze in „einem sehr frühen Stadium“ auf Gender Mainstreaming getrimmt.

Durch „Gender Budgeting“ „lassen sich … Prioritäten verändert setzen und Mittel umverteilen, um einen geschlechtssensiblen und gerechten Haushalt aufzustellen.“ Gender Budgeting setzt also die Strategie des Gender Mainstreaming im Bereich der Haushaltspolitik um.

4.5  Das „GenderkompetenzZentrum“

„Wissenschaftliche“ Zuarbeit leistet das GenderkompetenzZentrum, dessen Errichtung im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen 2002 vereinbart wurde. Es ist an der Juristischen Fakultät der Humboldt Universität bei Prof. Baer angesiedelt. Finanziert wird es durch Drittmittel vom Bundesfamilienministerium. Es bildet in einem Magister-Studiengang namens „Gender-Studies“ Gender-Kader aus und „versteht sich als Wissens- und Informations-Drehscheibe zwischen anwendender, forschender und beratender Seite“. „Der Präsident der Humboldt Universität setzt sich für Forschung und Lehre in Geschlechterstudien und die Förderung von Wissenschaftlerinnen aktiv ein.“ (Gender-Studies kann man inzwischen an fast jeder deutschen Hochschule studieren.) Vertreter der Kirchen können sich beim Genderkompetenz-Zentrum Rat holen, „wie sie ihre Predigten und Andachten in geschlechtssensibler Sprache verfassen können und weshalb das wichtig ist“.

„Diese konzeptionelle Neuausrichtung soll – nicht zuletzt im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2007 – Erfolgsvoraussetzungen und -strategien anderer Länder, insbesondere der nordischen Staaten, aufnehmen und erkennbare Erfolge in Deutschland ermöglichen.“ (Was das konkret heißt, hat Tina Moll[15] vorgeführt).

Als letzte Tat hat der scheidende Generalssekretär der UN, Kofi Annan, einen Bericht mit dem Titel „Delivering As One“ verfasst. Darin setzt er sich dafür ein, „die Förderung der Gender-Gleichheit bei allen UN-Aktivitäten in den Mitgliedstaaten sowie bei der Budgetierung des Haushalts für Entwicklung in den Mittelpunkt zu stellen....[16]

Gender Mainstreaming ist die Strategie der UN, der EU und der Einzelstaaten, Deutschland an vorderster Front. Die Bevölkerung weiß nichts davon, nicht einmal die intellektuelle Elite akademisch gebildeter Zeitungsleser. In den Medien hört man nur das Herrjemine über die Folgen: Die Leistungen der Kinder fallen ab, sie werden lernresistent, ständiger Krawall im Klassenzimmer und auf dem Pausenhof, Gewalt unter Schülern, Gewalt gegen Lehrer, sexuelle Gewalt unter Minderjährigen[17]. Ach ja, und die Geburtenrate …

4.6  Weil Gender Mainstreaming die globale Agenda mit oberster Priorität ist, kann das Problem des Familienzusammenbruchs und der sinkenden Geburtenrate nicht gelöst werden. Es soll offenbar nicht gelöst werden. Fragt sich nur, wer hier eigentlich die Musik spielt, nach der die Politiker tanzen. Die gewollte moralische Verwahrlosung des Volkes ist die Wurzel des Übels...

4.7  Im Bereich von Politik, Medien und Universität –  den Machteliten der Gesellschaft – steht auf Gender-Widerstand Verleumdung, Einflusslosigkeit, berufliche Ausgrenzung, wie ich aus Erfahrung weiß... Meinungsfreiheit existiert nicht mehr in den Mainstream-Medien. Ein neues Schimpfwort wird zu einem juristischen Tatbestand, um den Widerstand zu kriminalisieren: Homophobie. Eine Phobie ist ein krankhafter[18] Angstzustand...

Die EU hat mit ihrer Entschließung B6-0025/2006 vom 18. Januar 2006 (angekündigt), dass sie Homophobie „ausmerzen“ will. In Polen schreitet sie im Frühjahr 2007 zur Tat. Weil Polen keine „homosexuelle Propaganda in Schulen“ will, soll nach dem Willen der großen Mehrheit des EU Parlaments (26. 04. 2007) in Polen eine „fact finding mission“ wegen „zunehmender Tendenz zu rassistischer, fremdenfeindlicher und homophober Intoleranz“ durchgeführt werden, um das Land beim Europäischen Gerichtshof anklagen zu können....

4.8  Zu lange sind wir auf die ideologischen Phrasen von Freiheit, Toleranz und Antidiskriminierung hereingefallen. Sie dienen der Vorbereitung von Unfreiheit, der Abschaffung der Meinungs- und Religionsfreiheit und der Diskriminierung und Ausgrenzung jeglichen Widerstandes...

Es ist insbesondere für Christen an der Zeit aufzuwachen. Der Angriff richtet sich auf das Fundament des Christentums, nämlich die Ebenbildlichkeit des von Gott geschaffenen Menschen.... Stehen wir auf, damit die „Schöne neue Welt“, die Aldous Huxley in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts vorausgesehen hat, nicht Realität wird...“

 

4.9  An Kubys Ausführungen ist u.E. besonders hervorzuheben, daß sie sich nicht wie andere, auch genügend Konservative, in Wehklagen über die Verlotterung der Sitten und daraus folgende Nöte ergeht und dann wie etwa Christa Meves zu noch mehr Beratung, noch fragwürdigerer, etwa „tiefenpsychologischer“ Fremdbestimmung aufruft. Kuby hinterfragt vielmehr just die (schön-neu-weltlichen) Lehrinhalte – das Gender-mainstreaming letztlich nur ein Beispiel dafür -, die heute auf unterschiedlichsten Ausbildungsebenen gelehrt und von unterschiedlichsten staatlichen oder staatlich geförderten Instanzen aus dann auf Jung und Alt niedergehen. Dankenswerterweise zeigt Kuby zudem die Letztverantwortlichkeit der Machthaber auf. Sie geben vielfach über ihre Psychiater, Psychologen besagte Inhalte als „gesundheits-“ und dazu als „demokratiefördernd“ aus, ganz wie es jener Aldous Huxley tat, der täuschend dabei eine neue, „schön-neu-weltliche“ Diktatur verfolgte.

Gabriele Kuby stellt sich als ehemalige 68erin vor. Als lange nach tragfähiger Lebensorientierung suchende Angehörige einer Generation, die über viele Trümmer der jüngeren Vergangenheit hinwegzukommen hatte, ist sie über ernüchternde Zwischenschritte zur katholischen Kirche konvertiert. Daß diese mutige Frau Probleme aufgreift, vor denen sonst alles, auch einige der renommiertesten christlichen Gelehrten kuschen – die gesamte Psychiatrie-Mißbrauchs- und Reformproblematik haben sie weithin verschlafen -, kann nicht genug gewürdigt werden.


 

5.   Der „elegante Unsinn“, „Abschied von der Rationalität“, von denen in den Kapiteln 2 und 4 die Rede war, haben in der Seelen-(heil)-kunde zwei Brückenköpfe, die „Sozialpsychiatrie“ und insbesondere die Freudsche Psychotherapie, beide vielfältig mit einander verknüpft. Just von hier aus wurde dann quasi mit heilkundlicher Autorität alle staatlich gelenkte Erziehung - Psychotherapie gilt vielfach als „Nacherziehung“ – den Lehren Freuds und nachfolgender „Freud-Marxisten“ unterstellt - wohl zur Schaffung des „neuen Menschen“ à la Trotzky (RB 1/07, 5.8), „Gender mainstreaming“ eine Facette davon. G.B Chisholm 1945, bald darauf 1. Generalsekretär der WHO: „Die Uminterpretation und letztlich Ausmerzung des Konzepts von Richtig und Falsch, welches die Basis der Kindererziehung war, ... das sind die letzten Ziele praktisch aller effektiven Psychotherapie...“ (RB 2/00,3.4). Ob Kubys Aufschrei  von der „schönen“, neu-westlichen, schön-neu-weltlichen Walze der 68er Kulturrevolution auch bald erstickt sein wird?

Wir drucken den folgenden Beitrag aus dem DEUTSCHEN ÄRTZTEBLATT notgedrungen ohne Erlaubnis von Herausgeber wie Autoren nach, weil letztlich nur am Original ansichtig und schmeckbar zu machen ist, mit welchen Tricks die Freudianer, Hauptträger eines neuen Bilds vom Menschen und seiner Geschlechtlichkeit, von der Politik wie (in den letzten Jahren) von der Ärzterepräsentanz unterstützt, ihre Positionen in jeglicher staatlichen („Vor“- wie  „Nach)­Erziehung“ Schritt um Schritt ausgebaut haben. In Fußnoten (Fn) stellen wir einige der Verzeichnungen heraus und korrigieren sie. Wir empfehlen den Beitrag im Ärzteblatt nachzulesen (www.aerzteblatt.de - Archiv), dort auch die (hier gestrichenen) Referenzen, auf die sich seine Autoren Beil und Rüger stützen. Ihr Beitrag wurde in DÄ 38/07 inzwischen auch diskutiert so, daß die Freudianer darüber leicht wieder hinweggehen können.

 

DEUTSCHES Ärzteblatt 28-29/2007 vom 16. Juli 2007

Ambulante psychotherapeutische Versorgung

Das System wird immer komplexer

 

5.1  Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen[19] beschloss am 3. Mai 1967 die „Richtlinien über tiefenpsychologisch fundierte und analytische Psychotherapie in der kassenärztlichen Versorgung“ („Psychotherapie-Richtlinien“). Diese traten am 1. Oktober 1967 in Kraft. Auch wenn die Wurzeln weiter in die Vergangenheit zurückverfolgt werden können, begann damals die geradezu revolutionäre Entwicklung[20] eines Versorgungssystems, das die volle Finanzierung von relativ umfangreichen psychotherapeutischen Behandlungen - in einem auch heute noch weltweit einzigartigen[21] Rahmen - ermöglichte. Diese Richtlinien stellten Grundlagen zur Verfügung, die zur Förderung der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung und zur allmählichen Entwicklung und finanziellen Sicherung des „hauptberuflichen Psychotherapeuten“  führten.

5.2  Diese Entwicklung führte auf ärztlicher Seite 1992 zum Facharzt für Psychotherapeutische Medizin (seit 2003 Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie) und zur Betonung der psychotherapeutischen Kompetenz in den Gebieten Psychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie durch Ergänzung der Gebietsbezeichnungen um den Begriff Psychotherapie. Seit 1967 nahmen auch sogenannte nicht ärztliche Psychotherapeuten an der Versorgung teil. Die meisten waren Diplom-Psychologen oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Die zunehmende Professionalisierung dieser Berufsgruppen[22] und der politische Wille, einen grauen Markt zu regulieren, der sich neben der Richtlinienpsychotherapie in der sogenannten Kostenerstattung entwickelt hatte, führte 1998 zur Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes (PTG).[23]

Der damalige Text der Psychotherapie-Richtlinien (9) beschränkte sich auf drei Festlegungen:

-  die Definition der zugelassenen psychotherapeutischen Behandlungsverfahren

-  die Anwendungsbereiche (Indikationen)

- ein Gutachterverfahren zur Überprüfung der Leistungspflichtigkeit der zuständigen Krankenkasse im konkreten Einzelfall.   Letzteres war eine Vorbedingung der Kostenträger für die Zustimmung zu den Richtlinien).

5.3  Der Einführung der Psychotherapie-Richtlinien vorausgegangen waren die Wirksamkeitsnachweise für psychoanalytisch begründete Behandlungsverfahren aus dem Zentralinstitut für psychogene Erkrankungen der AOK Berlin[24] durch Annemarie Dührssen und Dührssen und Jorswieck. Vergleicht man das Vorgehen 1967 mit dem heutigen bei der Zulassung neuer Verfahren und Methoden, so ist nach wie vor ein Wirksamkeitsnachweis erforderlich. Heute obliegt die Aufgabe der Bewertung von Psychotherapieverfahren dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), der als untergesetzlicher Normgeber (Fn19) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auf der Grundlage des § 135 SGB V im Hinblick auf Nutzen, medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit prüft. Wie zum Beispiel das Vorgehen bei der Bewertung der Gesprächspsychotherapie zeigt, haben sich Umfang und Systematik des Prüfverfahrens vervielfältigt. So umfasst der auf der Grundlage der evidenzbasierten Medizin ermittelte sogenannte Nutzenbericht 604 Seiten und einen Anhang mit Stellungnahmen von 265 Seiten. Fast 100 Studien wurden im Volltext geprüft und bewertet.

5.4   Andere Grundkonzeption der Verhaltenstherapie

Auch in anderer Hinsicht ist die Richtlinienwelt komplizierter geworden, so zum Beispiel in der Frage, wie ein Verfahren definiert werden kann. Hatte sich die damalige Begrifflichkeit der Richtlinien an den psychoanalytischen Therapieverfahren orientiert, so wurde mit der Einführung der Verhaltenstherapie deutlich, dass sich deren umfassendes Theoriesystem der Krankheitsentstehung und deren spezifische, in ihrer therapeutischen Wirksamkeit [25] belegte Behandlungsmethoden auf eine andere Grundkonzeption von der Entstehung psychischer Krankheiten und damit implizit auf ein anderes Menschenbild[26] beziehen. Dabei mögen Verhaltenstherapie und analytisch begründete Verfahren noch als deutlich voneinander abgrenzbar erscheinen. Schwieriger wird die Definition eines zuzulassenden Verfahrens jedoch, wenn sehr unterschiedliche Behandlungsmethoden unter dessen Namen koexistieren. Wann diese als Weiterentwicklungen zu verstehen sind und ab wann ein neues Verfahren anzunehmen ist, ist umstritten und für die Vertreter eines um Zulassung bemühten Verfahrens unter Umständen wichtig und kritisch.

5.5  Offen ist auch die Frage, ob in Zukunft Methoden zugelassen werden sollen, die ein schmales, bei bestimmten Störungen nachgewiesenes Wirkungsspektrum haben. Methoden konnten in den bisherigen Richtlinien nur im Rahmen einer „übergreifenden Theorie“ eingesetzt werden und allein nicht zugelassen werden. Nachdem der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie seinen gesetzlichen Auftrag zur Prüfung der wissenschaftlichen Anerkennung von Verfahren (§ II PTG) auf Methoden ausgeweitet hat, wurden inzwischen EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), Interpersonelle Psychotherapie und Hypnotherapie als Methoden anerkannt[27]. Legt man den Richtlinientext buchstabengetreu aus, so ist die Bewertung einer Methode durch den G-BA bislang nicht möglich. Eine die Zulassung ermöglichende Richtlinienänderung vom 20. Juni 2006 ruht bisher nach Beanstandung durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Wesentlicher Grund für diese Beanstandung war das bei der Zulassung von Verfahren neu eingeführte Kriterium der Versorgungsrelevanz auf der Grundlage epidemiologischer Studien. Durch das Kriterium Versorgungsrelevanz sollte erreicht werden, dass nur Verfahren zugelassen werden können, für die bei der Nutzenbewertung die Wirksamkeit für ein breites Indikationsspektrum nachgewiesen wird.

5.6    Inhärenter Konflikt

Die 1967 eingeführten Richtlinien stellen nach dem Kommentar von Faber und Haarstrick (7) „einen ersten Versuch dar, ätiologisch orientierte Psychotherapie unter Berücksichtigung ihrer Eigengesetzlichkeit mit dem Krankheitsbegriff der Reichsversicherungsordnung .... in Einklang zu bringen“ (siehe Kasten). Dabei ist allerdings der ,,Handlungsspielraum“ von den Grundnormen des Systems der kassenärztlichen Versorgung bestimmt und eingegrenzt. Dieses System, das durch die Mittel der Solidargemeinschaft der Versicherten, also der Krankenkassen, finanziert wird, ist sowohl im Leistungsanspruch wie auch in der Erfüllung des Anspruchs durch Gesetz geregelt (6). Damit mussten von Psychotherapeuten, die in der kassenärztlichen Versorgung tätig waren, die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung beziehungsweise ab 1988/89 die Vorschriften des SGB V berücksichtigt werden: Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; [28] sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.

5.7  Der zwangsläufige Konflikt, den entsprechende Vorgaben im Rahmen der psychotherapeutischen Versorgung mit sich bringen mussten, wurde rasch deutlich: Einerseits muss eine sinnvolle Verwendung der Mittel der Versichertengemeinschaft gesichert sein. Andererseits hatten viele Psychotherapeuten die Sorge, durch allzu starre Rahmenbedingungen in ihrem therapeutischen Handeln eingeschränkt zu werden. Dies gilt insbesondere, da im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung eine Operationalisierung von Begriffen wie „ausreichend und zweckmäßig“ schwierig ist und unter Umständen je nach methodischer Ausrichtung auch unterschiedlich ausfällt.

5.8  Die Übernahme der Weiterentwicklung der Psychotherapie-Richtlinien durch den G-BA und dessen Stellung als untergesetzlicher Normgeber schufen die Notwendigkeit transparenter Bewertungsvorgänge. Diese Transparenz soll die Verfahrensordnung gewährleisten, die bei allen Bewertungsverfahren angewendet wird. Durch Zitierung in der Verfahrensordnung wird ein Bezug zu den Psychotherapie-Richtlinien hergestellt. Die bei erster Sicht ins Auge springende starke Orientierung der Verfahrensordnung an randomisierten kontrollierte Studien (RCT) wird für die Psychotherapie immer wieder für Diskussionen sorgen (2, 8). Dabei sind die entsprechenden methodischen Probleme nicht nur für die Psychotherapieforschung spezifisch, sondern sie gelten auch für andere Bereiche der klinischen Forschung und werden in der Verfahrensordnung berücksichtigt.

5.9  Die Psychotherapie-Richtlinien sind seit 1967 in ihrer Grundkonzeption erhalten geblieben. Sie mussten allerdings bei geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen jeweils angepasst werden. Darüber hinaus waren klinische Erfahrungen und der jeweilige wissenschaftliche Erkenntnisstand zu berücksichtigen. So wurde 1976 das Indikationsspektrum auf rehabilitative Zielsetzungen bei chronischen Erkrankungen erweitert. Diese ,,Zweiteilung“ des Indikationskatalogs steht zurzeit auf dem Prüfstand. Der damalige diskriminierende Begriff „der seelischen Behinderung“ soll entfallen. Um einen einheitlichen, auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand befindlichen Indikationskatalog wird - besonders für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen - noch gerungen.

5.10  1987 wurde die Verhaltenstherapie nach Vorlage und Prüfung entsprechender versorgungsrelevanter Studien in die Richtlinienpsychotherapie eingeführt. Dagegen konnte der ebenfalls 1987 und nach denselben Kriterien geprüfte Antrag auf sozialrechtliche Anerkennung der Gesprächspsychotherapie nicht positiv beschieden werden. Auch zwei spätere Anträge auf Aufnahme der Gesprächspsychotherapie in die vertragsärztliche Versorgung führten 1997 und 2006 zu keinem anderen Ergebnis - bei jeweiliger Überprüfung der Versorgungsrelevanz nach den gültigen Prüfkriterien.[29]

5.11  Ebenfalls im Jahr 1987 wurde die psychosomatische Grundversorgung in Ergänzung zur Richtlinienpsychotherapie als ein originärer Aufgabenbereich der Ärzte in der Primärversorgung in Ergänzung zur Fachpsychotherapie eingeführt, mit dem Ziel, die ärztliche Versorgung unter einer ganzheitlichen Sicht auf eine breitere Basis zu stellen. Demnach ist die psychosomatische Grundversorgung[30] ausdrücklich keine Domäne der Fachpsychotherapie, sondern der ärztlichen Primärversorgung - auch wenn sie mangels anderer Zuordnungsmöglichkeiten bei ihrer Einführung Teil der Psychotherapie-Richtlinien wurde.

5.12  Schließlich mussten nach 1990 die in der ehemaligen DDR vornehmlich etablierten psychotherapeutischen Behandlungsverfahren in das System der Richtlinienpsychotherapie integriert werden. Mit der Verabschiedung des PTG 1998 waren die Psychotherapie-Richtlinien und die Psychotherapie-Vereinbarungen entsprechend anzupassen. Sie traten in der neuen Fassung am I. Januar 1999 in Kraft. 1999 wurde in den Psychotherapie-Richtlinien vorgesehen, neben dem Gutachterverfahren ab 2000 externe Qualitätssicherungsmaßnahmen durchzuführen - ein Vorsatz, der bis heute nicht umgesetzt wurde, was für mehr oder weniger bewusste Widerstände dagegen spricht.

Zahlen belegen die seit 1967 stattgefundene dynamische Entwicklung. 1980 waren 1.600 ärztliche Psychotherapeuten, 550 Psychologische Psychotherapeuten und 430 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zugelassen. Am 31. Dezember 2006 waren 4.484 ärztliche Psychotherapeuten und 15.433 Psychologische Psychotherapeuten (einschließlich Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten), das heißt insgesamt 19.917 Psychotherapeuten an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung beteiligt (KBV).

5.14  Versorgungsdefizite

Die Versorgungslandschaft hat sich differenziert und strukturiert.[31] Trotz dieser Entwicklung bestehen Versorgungsdefizite[32], deren Ursachen 2006 Thema des Deutschen Ärztetages waren: Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen führen dazu, dass die in den letzten zwei Jahrzehnten entstandenen besseren Behandlungsmöglichkeiten nicht wahrgenommen werden. Zudem ging es um die Stärkung und Förderung der psychiatrisch-psychosomatisch-psychotherapeutischen Kompetenz im ärztlichen Handeln. Hintergrund war die Sorge, dass psychotherapeutische Kompetenzen zunehmend im nicht-ärztlichen Versorgungsbereich verortet werden.[33] Dadurch könnte eine institutionell untermauerte, zweigeteilte Versorgungslandschaft entstehen, die den Ärzten den Körper und den Psychologischen Psychotherapeuten die Psyche zuweist. Der „psychosomatische Blick“ ginge verloren und damit auch die Philosophie, die hinter der Einführung der Richtlinienpsychotherapie stand: Psychische und somatische Krankheiten sind gleichwertig. Der Patient soll in seiner biopsychosozialen Dimension gesehen und verstanden werden.

5.15  Dieser Anspruch soll auch im bestehenden dreigliedrigen Versorgungssystem verwirklicht werden. Auf der unteren Ebene steht eine breite, niedrigschwellig angesetzte psychosomatische Grundversorgung, besonders im hausärztlichen und gynäkologischen Fachgebiet. Über dieser Ebene gibt es die psychotherapeutische Versorgung im engeren Sinn für spezifische Krankheiten der jeweiligen Fachgebiete im Sinn der fachgebundenen Psychotherapie. Auf der nächsten Ebene folgt die spezialisierte fachärztliche Versorgung durch die Gebiete psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychiatrie und Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. Trotz Überschneidungen haben diese Gebiete je einen eigenen Versorgungsauftrag, Die Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten gliedern sich in die Ebene der spezialisierten fachärztlichen Versorgung ein. Sie sind die Spezialisten für Richtlinienpsychotherapie im engeren Sinn, während die ,,Psycho-fachärzte“ durch ihre Verankerung im medizinischen Bereich und ihre „psychosomatische“ Doppelqualifikation noch andere durch die Weiterbildungsordnung und den EBM festgelegte Versorgungsbereiche übernehmen.

5.16  Ausblick mit Sorge

Wie lange blüht ein System, und wann hat es seinen Zenit überschritten? Nach zwei wahrscheinlich aus überwiegend politischen Motiven erfolgten Beanstandungen von Richtlinienänderungen durch das BMG innerhalb eines Jahres und nach einer von Sorge um die ärztliche Psychotherapie geprägten Beschlusslage auf dem Deutschen Ärztetag 2006[34] stellt sich die Frage, ob eine inzwischen unübersichtlich große Anzahl von Interessen und deren Vertretern sich noch im Sinn eines Ganzen integrieren lassen. Können diese unterschiedlichen Strömungen noch zusammengeführt werden, oder bewirken sie eine Zunahme von Bürokratisierung oder politisch motivierter Einflussnahme? Beides sind Faktoren, die die Klärung von Sachfragen erschweren.

 

Anschriften der Verfasser:

Dr. med. Karin Bell, Brücker Mauspfad 601, 51109  Köln

Prof. Dr. med. Ulrich Rüger, Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

der Georg-August-Universität Göttingen,

Von-Siebold-Straße 5, 37075 Göttingen


 

6.   Folgend das Beispiel einer „Debatte“, wie sie (ähnlich den vorausgegangenen Ausführungen) so realitätsfern wie hochtrabend den „Seelen(heil)kundigen“ immer wieder angeboten, "eingerieben" werden, immer die therapeutische Wirksamkeit der Psychotherapie unterstellend, letztlich reine Scheindebatten. Wiedergabe (trotz Überlängen) im Original, da die Verzeichnungen nur so ansichtig zu machen und (u.a. in Fußnoten) zu korrigieren sind. Durch den ungeplant hinzugekommenen Einspruch von Prof. Wilcocks wurde die Scheindebatte hier zu einer echten Debatte. Seit Anfang Juni 2007 steht sie bereits im Netz (INFC-D). Protzig forderte das Journal auf: „Schreiben Sie uns!“, publizierte aber nach Wilcocks’ Entgegnung bis Ende September 2007 nicht eine Silbe. Zeit wird’s, daß unseren „Psycho-Ordinarien“ auch aus dem Ausland gehörige Antworten zuteil werden.

 

Eine "Debatte" in DNP 4/06 – angeblich: pro und contra Psychosomatische Versorgungskette

Brauchen wir Psychosomatik neben der Psychiatrie? (so die Einleitung von DNP)

Die Versorgung psychisch erkrankter Menschen in Deutschland ist zweigliedrig: Neben der psychiatrischen Versorgung durch Fachärzte und Kliniken gibt es die mehr psychotherapeutisch orientierte Psychosomatik. Ist diese dichotome Versorgung sinnvoll, oder ist sie nur ein historisch gewachsenes Phänomen, dessen Aufgaben neu definiert werden müssen?

 

6.1   Pro: differenziertere psychotherapeutische Behandlung (H. Kächele, Ulm)

 

Psychosomatik hilft[35], wo Psychiatrie an Grenzen stößt

 

Psychiatrie und Psychosomatik ergänzen sich gegenseitig. Langfristige Therapieziele sind eher die Domäne der Psychosomatik. Eine stationäre psychosomatische Therapie erreicht zudem Menschen, die für eine ambulante Psychotherapie kaum zugänglich sind.[36]

Die Psychotherapie in Deutschland war im letzten Jahrhundert weitgehend von der Psychiatrie ausgeklammert. Zunächst hatte sich die Psychotherapie außerhalb der Universitäten entwickelt.[37] 1967 wurde die analytische Psychotherapie in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen, so dass die Versorgung der Bevölkerung durch Psychotherapie - mit psychoanalytischer Provenienz - sichergestellt war. Zehn Jahre später wurde dann auf Empfehlung der psychoanalytischen Gutachter auch die Verhaltenstherapie in diesen Leistungskatalog der Krankenkassen eingebracht. Parallel zum Aufbau der ambulanten Versorgung vollzog sich in den Sechzigerjahren der Ausbau der stationären Psychotherapie im Rahmen des Rehabilitationssystems. leer stehende Krankenhäuser aus der Zeit. da Tuberkulose noch ein Problem war - in den Fünfzigerjahren -, wurden dann zu Einrichtungen für stationäre psychosomatisch-psychotherapeutische Rehabilitation umgewandelt. Es wurde also unabhängig und unbeeinflusst von der Psychiatrie ein Versorgungssystem entwickelt - und zwar ein ambulant-stationäres Versorgungssystem, welches eine großartige Leistung darstellt.

Die Erfolge sowohl der ambulanten als auch der stationären Psychotherapie sind vielfältig evaluiert[38]. Die stationäre psychosomatische Psychotherapie erreicht besonders auch Menschen, die von sich aus nur selten die ambulante Psychotherapie in Anspruch nehmen würden. So wird eine Einstiegsmöglichkeit gegeben für Menschen, die den Weg direkt nicht finden und die dann über eine stationäre Rehabilitation an das Feld der ambulanten Versorgung herangeführt werden können. Neben der Fach-Psychotherapie wurde das Gebiet der psychosomatischen Grundversorgung aufgebaut, mit dem Ziel, basale Kenntnisse in die hausärztliche Praxis einzubringen. Ambulante Psychotherapie wird derzeit durch mehr als 12000 ärztliche und psychologische Psychotherapeuten sichergestellt. Um von einer Versorgungskette sprechen zu können, müssten allerdings diese Stationen noch besser miteinander vernetzt werden.

Patienten, die sich an unsere universitäre Ambulanz wenden, werden gut zur Hälfte von Hausärzten überwiesen, die anderen kommen vorwiegend aus der Psychiatrie, wo sie ihrer Ansicht nach nicht ausreichend behandelt werden konnten. M.E. ist der Umfang fachpsychotherapeutischer Leistungen in der ambulanten und stationären Psychiatrie in den meisten Fällen immer noch recht bescheiden. Das wird gewiss nicht überall der Fall sein, aber im Großen und Ganzen ist die psychotherapeutische Arbeit in der Psychiatrie begrenzt. Das Fachgebiet der psychotherapeutischen Medizin kann m. E. eine qualifizierte psychotherapeutische Versorgung leisten. In diesem Sinn besteht eher ein Ergänzungsverhältnis und kein Konkurrenzverhältnis zwischen Psychotherapie und Psychiatrie.

Es ist verständlich, wenn ein Patient mit einer depressiven Episode zunächst psychiatrisch behandelt wird. Aber trotz vielfältiger Studien zur Kurzzeit-Psychotherapie muss man zur Kenntnis nehmen, dass die Effekte von medikamentöser Therapie und von kurzen psychotherapeutischen Behandlungen a la longue sehr bescheiden sind. Chronifizierte depressive Verläufe sollten spezialisierte psychotherapeutische Angebote erhalten, die eher eine Domäne der Fach-Psychotherapie sind. Sie unterscheidet sich von der Psychiatrie einfach darin, dass von der Ausstattung und vom Angebot her eine breitere und differenziertere psychotherapeutische Behandlung möglich ist - die auf die individuellen Störungen des Patienten abgestimmt werden kann.

Für den niedergelassenen Psychiater ergibt sich folgendes Fazit: Es kann durchaus sinnvoll sein, initial eine medikamentöse Behandlung anzusetzen. Wenn aber beim zweiten oder dritten Behandlungsversuch mit Medikamenten diese Strategie nicht ausreicht, muss ernsthaft erwogen werden, ob eine intensivere psychotherapeutische Behandlung angezeigt ist, um den Patienten dann ins psychosomatische Versorgungssystem wechseln zu lassen.

Prof. Dr. Horst Kächele,

Leiter der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Ulm,

Am Hochsträß 8, 89081 Ulm

 

6.2    Contra: Zuständigkeitsbereiche unklar

(M. Berger, Freiburg/Br.)

Aufgaben der Psychosomatik

 gemeinsam neu festlegen

 

Die Psychosomatik vereint Patientengruppen, die nur wenig miteinander gemein haben. Es muss zum Wohle der Patienten dringend geklärt werden, was genau die Aufgabe einer modernen Psychosomatik ist. Eine scharfe Trennung von Psychiatrie und Psychotherapie ist dabei jedoch kontraproduktiv. In Deutschland besteht das Problem, dass über die Definition von Psychosomatik derzeit keine Einigkeit herrscht.[39] Wenig sinnvoll ist es, dass der Begriff historisch interpretiert wird, d.h. dass man Psychosomatik mit Psychotherapie gleichsetzt.

Wichtig ist es meines Erachtens, die Psychosomatik in den Kontext von Aufgabenstellungen und Versorgungsspektren einzuordnen. Somato-psycho-somatische Aufgabenstellungen lassen sich in vier Bereiche aufteilen:

Der erste Bereich umfasst Patienten, die an schweren körperlichen und meist chronisch verlaufenden Erkrankungen leiden, welche sehr belastend sind, sodass die Kranken nur schwer damit fertig werden. Es entwickelt sich ein Circulus vitiosus: Einerseits führt die deutlich eingeschränkte Lebensqualität zu negativen psychosozialen Konsequenzen, zum anderen behindert der schlechte psychosoziale Zustand wiederum die Bewältigung der chronischen körperlichen Einschränkungen.

Eine zweite Gruppe von Patienten weist eine Komorbidität von somatischen und psychischen Erkrankungen auf. Als Beispiel wäre ein Patient zu nennen, der an einem Karzinom leidet, aber unabhängig davon als weiteres eigenständiges Krankheitsbild eine depressive oder eine Angsterkrankung hat. Es existieren also zwei Erkrankungen nebeneinander. Dabei kann die psychische Erkrankung bereits vor der somatischen Krebserkrankung bestanden haben. Von einigen Vertretern der deutschen Psychosomatik wird diese Konstellation auch der Psychosomatik zugeordnet, während sie in anderen Ländern in den Bereich der Konsiliarpsychiatrie fällt. Dadurch entstehen hierzulande Probleme der Abgrenzung, und zwar nicht zugunsten der Patienten.

Die dritte Gruppe leidet primär an einer psychischen Erkrankung, vor allem an Depressionen, und entwickelt dadurch somatische Beschwerden. Dabei handelt es sich beispielsweise um depressive Patienten, die in diesem Rahmen über Rückenschmerzen, ein Kloßgefühl im Hals, Verdauungsprobleme oder Schwindel klagen. Früher wurde diese Konstellation als larvierte Depression bezeichnet. Die Mehrzahl der Patienten in psychosomatischen Kliniken sind so erkrankte Patienten. Im Ausland wird man diese Patienten nicht als psychosomatisch krank einstufen, sondern als Kranke, die im Rahmen ihres primär psychischen Leidens somatische Beschwerden entwickeln. Neben den genannten subjektiven Beschwerden können auch massive körperliche Manifestationen auftreten wie das metabolische Syndrom, die in schwere organische Störungen und Erkrankungen münden.

Die vierte Gruppe von Patienten leidet an sogenannten funktionellen Beschwerden, womit körperliche Symptome ohne ein nachweisbares somatisches Korrelat gemeint sind. Besonders bekannt sind dabei das „Reizdarmsyndrom" und die "Herzneurose“.

Die genannten Bereiche werden in Deutschland nicht genügend differenziert, so dass aufgrund der definitorischen Unschärfen immer unklarer wird, wer eigentlich für die einzelnen Patienten zuständig und verantwortlich ist. Noch weniger sinnvoll ist es aber, eine scharfe Trennung zwischen Psychiatrie und Medikamentenmedizin einerseits und Psychosomatik und Psychotherapie andererseits zu vollziehen.

Die Aufspaltung ist gänzlich kontraproduktiv. Auch bei Krankheiten wie dem Reizdarmsyndrom beispielsweise belegen große Studien, dass einerseits psychologische Therapieverfahren helfen, dass aber auch Antidepressiva eine gute Wirkung haben können.

Letztendlich ist für alle Patienten ein komplexes therapeutisches Vorgehen notwendig. Selbst die Versorgung der ersten und vierten Krankheitsgruppe, die man im engeren Sinn als psychosomatisch bezeichnen könnte, erfordert meiner Ansicht nach häufig eine Komplexbehandlung mit Pharmako-, Psycho- und Soziotherapie.

Damit stellt sich für mich die Frage, wie in Zukunft psychosomatische Medizin zu definieren ist. Diese Klärung sollte nicht berufspolitisch und nicht historisch erfolgen, sondern nach dem Krankheitsspektrum und den Versorgungsnotwendigkeiten. Ein runder Tisch von Ärzten für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Innere und Allgemeinmedizin, aber auch Psychologischen Psychotherapeuten scheint notwendig, um innerhalb der Ärzteschaft, der Psychologen, aber auch der Kostenträger und vor allem der Patienten eine dringend erforderliche Klärung zu erzielen.          

Prof. Dr. Mathias Berger,

Ärztlicher Direktor der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum,

Hauptstraße 5, 79104 Freiburg


Leser-Umfrage (von DNP)

Ihre Meinung zählt! Schreiben Sie uns!

Welche Relevanz hat die psychosomatische Medizin für Sie?

 Redaktion DNP, Med.Komm.-Verlag, Neumarkter Straße 43, 81673 München, Fax: 0 89/43 72-13 60...

 

 

6.3  Auf  vorstehende „Pro & Contra-Scheindebatte“ zur „Psychosomatik“ der deutschen „Psycho-Professoren“ Kächele und Berger, die mit der ausdrücklichen Aufforderung: „Schreiben Sie uns“ endete, schrieb Prof. em. R. Wilcocks einen ausführlichen Leserbrief zuerst auf Englisch, eine deutsche Übersetzung ankündigend, um erst einmal zu hören, ob er mit einem Abdruck rechnen könne. Er erhielt keine Antwort. DNP (Der Neurologe & Psychiater) versuchte es mit Diskursverweigerung. Darauf griffen wir die Sache auf und setzten sie ins Netz, jetzt mit besagtem Leserbrief, einem echten Contra:

 

R. Wilcocks, Edmonton

Heißt das in Deutschland Debatte?

1974 stellte der amerikanische (Philosoph und W/D) Wittgenstein-Experte in der reputierten BBC-Sendung "The Listener" die Frage: „War Freud ein Lügner?“ In jenen weit zurückliegenden, „unschuldigen“ Tagen war solch eine Frage fast eine unzulässige Vulgarität. (Cioffi konnte davonkommen, weil er Strahlkraft hat UND Amerikaner ist). Heute haben wir einen so enormen Zuwachs ernsthafter Erkundung des Archiv-Materials und an Kenntnis der verschiedenen Mythenbildungen aus den frühen Tagen der Psychoanalyse, daß Cioffis Frage umformuliert werden kann (und es heißen sollte): „Sagte Freud je die Wahrheit?“

Der „pro-&-contra-„Psychosomatik“-Debatte von Horst Kächele und Mathias Berger stellte DNP die Aufforderung bei: „Ihre Meinung zählt! Schreiben Sie uns!“ In der Annahme daß meine „Meinung zählt“, antworte ich auf das jüngste Beispiel eines alten Tricks, der dreistufig der deutschen Öffentlichkeit vorgesetzt wird, der Behauptung nämlich, daß (1) Freud die Wahrheit sagte und der Wissenschaft verpflichtete, ernsthafte Professoren der Medizin dafür bürgten, (2) daß eine echte Debatte „pro“ und „contra“ zwischen dem ... redegewandten Prof. Kächele und dem als Verteidiger tradierter Psychiatrie auftretenden Prof. Berger stattfinde und (3) in Konsequenz dieser „pro&contra-Debatte“ - eigentlich eines Witzes zur Täuschung Unwissender - eine vernünftige Entscheidung erreicht sein sollte, die zur Bildung eines „Runden Tischs“ aufrufe, an dem die Freud-Gläubigen neben den Ärzten tradierter wissenschaftlicher Auffassung sitzen.

Was für ein „Runder Tisch“ sollte das sein? Die eine Hälfte der an ihm Sitzenden stände Evidenz-basierter Medizin fern und die andere Hälfte, die von Dr. Berger (miß-)repräsentierten Psychiater, verschwendeten ihre Zeit, um vorzugaukeln, daß der „psychosomatische“ Zugang für einen Patienten, bei dem sich die Psychiatrie als nicht zureichend erwies, hilfreich sein könnte...

Berger gibt vor, gegen Kächele zu plädieren (oder zu schreiben); dabei bekräftigt er ihn und ist somit selbst Teil des Problems, das die deutsche Medizin im Augenblick besetzt hält; er unterläßt es ... Kächele da zu packen, wo er gepackt werden sollte: auf dem Boden empirischer medizinischer Wissenschaft. Dieser macht in seinen verschiedenen Publikationen zwar viel her von der „empirischen“ Art seiner Fallstudien. Das aber ist in unseren Augen nichts anderes als Mondstaub, um uns schläfrig seinem Freudschen Menschenverständnis zustimmen zu lassen. Man lese nur seine ... Lobhudelei über Freuds „Traummuster“ (zweites Kapitel von Die Traumdeutung) in seiner jüngsten Schrift Was träumte Freud? ... Kächele lehrt seine Studenten an der Universität Ulm die „epochemachende“ (sein Ausdruck!) Entdeckung des Traums von Irmas Injektion (o.g. zweites Kapitel) , das Wissen übergehend, daß dieser Traumbericht ein demonstrierbar unmögliches, seit zwanzig Jahren als solches bekanntes Täuschungsmanöver darstellt (die Beweisführung hierzu in meinem Buch  Maelzel's Chess Player: Sigmund Freud and the Rhetoric of Deceit (1994). Das hält Spitzenvertreter deutschen Gelehrtentums nicht auf, ihren Studenten Lügen aufzutischen, als wären es hart erarbeitete Wahrheiten. Hoffen wir, daß wirkliche Gelehrsamkeit, d.h. akkurate Untersuchung des Faktischen, die Gelehrten, Studenten, die versuchen, ein wahrheitsgetreues Verständnis der von ihnen bewohnten Welt zu gewinnen, bewahren wird. Dieses neue einundzwanzigste Jahrhundert verspricht zu guter Letzt doch Aufklärung...

(Kächeles) Position scheint zu sein, daß wir als „Erben“ die Weisheit des Meisters interpretieren dürfen, es uns aber nicht zukäme, seine Schriften kritisch zu bewerten. Sind sie aber medizinisch korrekt? Sind sie menschlich überhaupt möglich? Harrison G. Pope, Jr. von der Harvard Universität und sein Team haben bezüglich der „Verdrängung“ (Freuds zentraler Hypothese zur Ätiologie der Neurosen  - W/D) überzeugend Freuds Begrenzungen im Denken des 19. Jahrhunderts aufgezeigt...

Wie der Freud-Forscher Mikkel Borch-Jacobsen festhielt, gab es in der Psychoanalyse seit Freuds Tod keine neue „Entdeckung“ aus dem einfachen Grund, daß Freud selbst nichts entdeckte. Wir hatten einige weitere, rhetorisch weniger begabte „Entdecker“ der Psyche in Freuds Nachfolge wie etwa Otto Fenichel, (auch durch sie W/D) aber keine neuen Entdeckungen. Amüsant ist es zu lesen – und es sollte beim aufmerksamen Leser die Alarm-Glocken schrillen lassen -, daß Kächele Fenichel hohen Respekt zollt. Dieser hing so getreulich an den Freudschen Vorgaben, daß er Schriften produzierte etwa des Titels: „The Symbolic Equation: Girl = Phallus“ oder auch „The Psychopathology of Coughing“ ... Vielleicht ist das die Art „Runde-Tisch-Medizin“, die nach Berger aus dem Treffen der Meinungen zwischen pro-„psychosomatisch“ (= psychoanalytisch) und wissenschaftlich orientierten Ärzten hervorgehen mag.

Diese vorgebliche Debatte zwischen einem „Pro“ und einem „Contra“ „Psychosomatik“ läßt sich am besten mit dem bissigen Kommentar Prof. Krafft-Ebings auf Freuds Vortrag (von 1896 - W/K) über die vermeintliche „Ätiologie der Hysterie“ zusammenfassen: „Es klingt wie ein wissenschaftliches Märchen!

   Robert Wilcocks, Professor em., Edmonton, Kanada

 

6.4  Vorstehender Leserbrief wurde von uns Unterzeichneten übersetzt, notwendigerweise gekürzt, vereinzelt ergänzt (W/D). Die Ausführungen Wilcocks’ halten wir insgesamt für so gewichtig, für die deutsche „Psychotherapie-Szene“ so überfällig, daß wir sie im Frühsommer schon im Netz publizierten und damit auch das Versprechen von DNP einlösten, nämlich eine (echte) Pro-&-Contra-Debatte der „Psychosomatik“ erst realisierten. Scharfe Kritik ist an dem skandalösen Lavieren der beiden Psycho-Professoren (und der Fachzeitschrift) gewiß angebracht, am skandalösesten aber die jahrzehntelang erlebte Akzeptanz von Schein-Debatten, Schein-Therapien durch so viele unserer (daran verdienenden) Fachkollegen und die Gesamtheit der deutschen „Psycho-Administratoren“.

F. Weinberger, K. Dieckhöfer, 2. Juni 2007                                    

6.5  Alle internationale Kritik hat dem seit über 100 Jahren grassierenden, vor allem aber seit 1968 ins Kraut geschossenen Freud’schen Aberwitz ein Ende noch nicht bereiten können. Aber sie ist herangewachsen. Blieb wer da Zweifel anmeldete, vor Jahrzehnten gänzlich ausgegrenzt, dem Geifer der Analytiker ausgeliefert, so sind diese mancherorts schon in die Defensive geraten, die Freud-Kritiker aber insgesamt doch, wie Han Israels (RB 1/07, 5.1) anführte, eine „blühende Gemeinschaft“. Eine nicht unerhebliche Rolle spielt dabei das von uns 2003 mitgegründete Internationale Netzwerk der Freud-Kritiker (INFC). Es ermöglicht Augenwischereien wie den von Kächele und Berger gebotenen jetzt abgestimmt zu begegnen, den Schaumschlägern heimzuleuchten. Auch daß der Beitrag, den Nils Wiklund bezüglich Freuds vergeblichen Strebens nach dem Nobelpreis in unserem Rundbrief 1/07,6.2 schon publizierte, kürzlich, etwas verkürzt zwar, in der Süddeutschen Zeitung vom 25.07.2007 erschien, hier unter dem Titel „Wie viel er auch dichtete“, könnte ein Hinweis sein, daß die Argumentationskraft unserer Seiten allmählich durchdringt.

6.6  Aber auch in der internationalen Freud-Kritik gibt es Unebenheiten. Anläßlich des Erscheinens des französischen Schwarzbuches / Livre noir de la psychanalyse und seiner Bewerbung durch den Chefredakteur des linken, von Sartre gegründeten Wochenmagazins Nouvel Observateur  M. Joffrin traten sie nachhaltiger zu Tage. Auf die Proteste der Freudianer hin, eines Großteils seiner Kundschaft, antwortete er ihnen: „Soll nun Schluß sein mit der Psychoanalyse..., unseren Analytiker-Freunden? Nein. Wir haben sie (mit der Unterstützung des Schwarzbuchs) etwas angeschubst. Das ist etwas ganz Anderes...“

Und in der Tat war ein guter Teil der Freud-Kritik, wie sie auch in Deutschland hin und wieder, etwa im SPIEGEL, in DIE ZEIT etc. erschien, eher Auftrieb für die Analytiker-Riege. In Leserbriefen konnten sie da ihrer Empörung Lauf lassen, ihren Leim neu auftischen und mit der Quantität und Massivität ihres Auftretens den (falschen) Eindruck der Stichhaltigkeit ihrer Theorie und „Therapie“ erneuern. Wer eine fixe Idee durchsetzen will, schare eine Anzahl verschworener Propagandisten um sich, dazu aber auch einige renommierte (Pseudo-) Kritiker, die andere Zweifler an sich binden, sie dann um so mehr in Ratlosigkeit stürzen, sie verwirren, zerstreuen und blockieren.

Seien wir uns darüber im Klaren: So sehr Psychoanalyse Schwindel ist, ist sie doch westlicher mainstream. Ob da die Freud-Kritiker, die in jüngerer Zeit, erstaunlich genug, international neu auf den Plan getreten sind, ernstlich Kurs halten werden, muß sich noch weisen. Manche, die hervorragende, scharfsichtige Kritiken in gar dicken Büchern abgeliefert haben, verhalten sich seitdem erstaunlich ruhig – etwa Dieter Zimmer, der einmal das Buch TIEFENSCHWINDEL herausbrachte. Leidende Menschen fallen den Betrügern derweil weiter zum Opfer  (nebenstehender Kasten). Der fortwährende freie Austausch der Kritiker unter einander gibt die beste Gewähr für ihre Ernsthaftigkeit.

6.7  Das INFC hat in der kurzen Zeit seines Bestehens seit Herbst 2003 in der Freud-Kritik einen hervorragenden Platz gewonnen. Die Abrufe von seiner drei­sprachigen Netz-Seite sind steil angestiegen - im August 2007 auf über 14 Millionen KByte. Das sind fast anderthalb Millionen dicht gefüllte DINA4 Druckseiten in einem Monat. Weil aktiv aufgesucht, werden sie wohl auch gelesen, wie wir feststellen können, großenteils von Fachleuten. Sollten diese auch in den deutsch­sprachigen Ländern allmählich der Phantastereien, die ihnen ihre Ordinarien, ihre Instituts- und Klinikdirektoren und nachgeordnete Staatsdiener, entsprechend ihre Fachkongresse, Fachjournale seit Jahr und Tag andienen, überdrüssig geworden sein? „Die“ Ärzteschaft, Ärztefunktionäre, die auf das Freud-Zeug gar einen Facharzttitel, ja eine „Psycho-Industrie“ (Dineen, RB 2/01,3.1) gestellt haben, geraten allmählich doch unter Begründungsdruck.

Sie scheinen sich auf die Unterstützung zu verlassen, die Freud & Co. „ganz oben“ (vgl. Chisholm) genießen, vertrauen offensichtlich, daß sie mit ihrem Flunkern wie bisher durchkommen. So rot die Reform der Psychiatrie mit der Integration der Psychoanalyse immer war, wurde sie ja auch von Unionspolitikern mitgetragen. Die niedergelassenen Nervenärzte hatte man mit fetten, Freud-spezifischen Gebührenordnungsziffern geködert, ihren langjährigen Widerstand damit zumindest gespalten. Und die Jubelpresse von der FAZ bis zur TAZ und der JUNGEn WELT bis zur JUNGEn Freiheit hält dicht.

6.8  Aus dem Dunstkreis Freuds kam die „(kultur-)revolutionäre“ Entwicklung der 68er bis hin zum Terrorismus. Für das Sozialistische Patientenkollektiv Heidelberg, dem ein Großteil der Attentäter von Stockholm (1975) entstieg, setzten sich hochmögende Gelehrte ein, so der spätere Leiter des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt / M. Prof. H.E. Richter. In Heidelberg war durch Alexander Mitscherlich die Psychoanalyse erstmals zu universitärer Geltung gekommen[40] (s. auch Kapitel 8.2 und 8.6).


 

7.    Die Systemänderung der 68er spielte sich entscheidend in den „seelenkundlichen“ Fächern ab und wurde hier an zwei Zügeln geführt, zum einen der Psychotherapie, zum anderen der  sogenannten Sozialpsychiatrie, beide Bereiche vielfältig mit einander verbunden und gegenseitig sich stützend. Von hier, besser: auch von hier breitete sich die Systemänderung über alle Gesellschaftsbereiche aus - weshalb wir allgemeine Aufmerksamkeit für die „Psycho-Entwicklungen“ für so wichtig erachten. Wie eingeengt seit 1968 die Debatte auch der Sozialpsychiatrie ist, dazu im Folgenden wieder ein aktuelles Beispiel.

 

Gelenkte und unterdrückte Debatten auch um die sozial(istisch)e Psychiatrie

Im deutschen ärzteblatt verbreitete sich der Dresdner Psychiater Dr. Loos über das „Zusammenwachsen der Psychiatrien von Ost und West“ (RB 1/07,9.6). Entsprechend Bahr’schem „Wandel durch Annäherung“ hatte sie sich bis dahin im Westen (!) strukturell und inhaltlich (RB 1/07) weithin sozialistisch schon gewandelt. Loos räumte kleine Fehlverhaltensweisen einiger Kollegen unter dem Druck des SED-Systems zwar ein, beschönigte die DDR-Psychiatrie ansonsten nach Kräften. Das war aber zweien seiner Kollegen, der eine westlich, der andere östlich sozialisiert, nicht genug. Unter dem ersten Anschein von Kritik setzten sie „noch eines drauf“.

7.1  Prof. Dr. med. Alfred Drees,  Krefeld, fand an Loos in DÄ 13/2007 „Enorme Vorurteile. Er schrieb:

Es wurde Zeit, endlich - nach der Wiedervereinigung - einen Blick auf die Psychiatrie in der ehemaligen DDR zu werfen, denn bei uns im Westen sind die Vorurteile noch immer enorm. Kaum jemand kennt die zitierten Rodewischer Thesen von 1963, mit denen die sozialpsychiatrische Entwicklung in der DDR begann, lange bevor sie bei uns im Westen in Gang kam. Ich konnte bereits Anfang der 70er-Jahre in der psychiatrischen Universitätsklinik Leipzig  erstaunt erleben, wie bei offenen Türen auf demselben Flur mit der Chirurgie Patienten frei behandelt wurden, und wie weit die ambulante Nachsorge und die Zusammenarbeit mit Firmen bereits entwickelt war, lange bevor wir im Westen damit begannen. Wir haben damals in der Medizinischen Hochschule Hannover[41] von den Leipzigern gelernt und eine gute Zusammenarbeit und einen Austausch von Ideen und Praktiken gesucht und gefunden.

 

7.2  Prof. Dr. Klaus Weise, Markkleeberg (bei Leipzig), fand an Loos eine „Einseitige Sichtweise und weiter:

Das Bild, das Dr. Loos von der DDR-Psychiatrie zeichnet, erscheint mir einseitig und fragmentarisch ... Sicher haben diktatorische Machtstrukturen und besonders fehlende Öffentlichkeit die Psychiatrie beeinflusst und die Entwicklung moderner, humaner Betreuungsformen gehemmt. Auch hatte das System Einfluss... Wie viele andere soziale Bereiche war die Psychiatrie (aber) nicht... einlinig kausal durch die Machtstrukturen des Systems bestimmt... (Sie) war eine relativ eigenständige soziale Substruktur, die nur begrenzt vom politischen System kolonisierbar war. Das hatte nichts mit politischem Widerstand zu tun, sondern mit der Differenzierung unterschiedlicher sozialer Strukturen in einer modernen Gesellschaft und der Dialektik von System und Lebenswelt... Es ist falsch, wenn Dr. Loos sagt, dass es positive Entwicklungen in der DDR nur bis 1970 gegeben habe, und nur die Rodewischer Thesen nennt. Von 1970 bis zur Wende wurden im Rahmen eines staatlichen Forschungsprojekts Modelle gemeindepsychiatrischer Versorgung erprobt. Sie wurden Grundlage eines modernen Entwicklungsprogramms der Psychiatrie, das allerdings nur insulär realisiert wurde. Hemmnis waren neben materiellen Defiziten vor allem die ... konservativen, biologisch-naturwissenschaftlichen Tendenzen im Fachgebiet. In der DDR gab es auch in der Psychiatrie Bemühungen um demokratische Lebensformen, offen geführte Kliniken mit Formen der Patientenselbstverwaltung etc. Bekannt wurden besonders die "Brandenburger Thesen zur therapeutischen Gemeinschaft". Die Grenzen solcher Bemühungen, die auch mit den ... Idealen des Sozialismus begründet werden konnten, wurden nicht gesetzt vom politischen System und seinen Machtstrukturen, sondern vor allem von den traditionellen autoritär-hierarchischen Strukturen von Medizin und Psychiatrie.[42] Das Fehlen einer "Vielfalt von Betreuungsangeboten und Vereinsinitiativen" jenseits des Krankenhausareals in der DDR war eher ein Vorteil. Psychisch Kranke und Behinderte wurden nicht in neuen gemeindepsychiatrischen Strukturen betreut, die ja immer ausgrenzende Effekte haben, sondern in normalen Betrieben, Wohnbereichen, in Clubs und anderen sozialen Angeboten von Gemeinde oder Gewerkschaften, d. h. "bürgerzentriert", ein Versorgungsprinzip, das K. Dörner kürzlich als Zukunftsvision gezeichnet hat...

 

7.3  Gegen vorstehende Glorifizierungen der DDR-Psychiatrie läßt sich wohl einiges einwenden, etwa daß auch DDR-Papier, auf dem etwa die „Rodewischer“ und die „Brandenburger Thesen“ standen, geduldig war und die „sozialpsychiatrische Entwicklung [43], für Weise wie Drees offensichtlich das Gelbe vom Ei der Psychiatrie, aich heute  immer noch eine Marginalie in der ambulant-fachlichen Krankenversorgung darstellt, wenn auch eine ganz unverhältnismäßig teure. Daß „in der psychiatrischen Universitätsklinik Leipzig... bei offenen Türen auf dem selben Flur mit der Chirurgie Patienten frei behandelt“ wurden, hier gar „Bemühungen um demokratische Lebensformen“ vorkamen, war eher aus Not geboren und gewiß nicht die Freiheit, nach der das übrige eingesperrte Land lechzte. Haben aber nach Weise, dem ehemaligen Klinikdirektor und Hätschelkind der SED, die „neuen gemeindepsychiatrischen Strukturen immer ausgrenzende Effekte“, so forderten seine sozialpsychiatrischen Kollegen im Westen eben diese immer laut. Mit all ihrem „Lernen in Leipzig“, Lernen von der DDR, konnten sie noch DDR-nähere Strukturen im vereinigten Deutschland doch noch nicht durchsetzen. Wenn aber Drees und Weise ihrem auch „sozial(istisch)-psychiatrisch“ gesinnten Kollegen Loos „enorme Vorurteile“ und eine „einseitige Sichtweise“ anhängten, dann wohl deshalb, weil er immerhin angedeutet hatte (RB 1/07,9.6), was sie und die meisten anderen Sozialpsychiater partout auszuklammern suchen, daß und wie nämlich die Seelenheilkunde auch in der DDR der politischen Repression diente. Für politische Abweichler gab es dort jedenfalls eher geschlossene als „offene Türen“.

7.4  In diesem Sinn wurde auch ein Leserbrief eingereicht,[44] vom Deutschen Ärzteblatt jedoch nicht abgedruckt mit der Begründung, die Diskussion sei abgeschlossen. Seit rund 30 Jahren rudert, wie an genügend Beispielen schon dargelegt,[45] die verfaßte Ärzteschaft im linken Fahrwasser. Niemanden muß sich wundern, daß „Die Zeitschrift der Ärzteschaft“ unter ihrem neuen Chefredakteur Stüwe heute andere als rote Auffassungen ausgrenzt. Wie diese Richtung erstmals vor 30 Jahren gerade über der Psycho-Thematik durchschlug, dazu im Folgenden Auszüge aus einer Rede des Ref. auf dem 80. Deutschen Ärztetag 1977 in Saarbrücken[46] – wenige Wochen davor war unsere DVpMP, jetzt (seit 1999) GEP, gegründet worden –, dazu die Darlegung des Echos darauf. Zum Zeitpunkt des Vortrages lag der Bericht der „Psychiatrie-Enquête“ vor, über deren Behandlung der Ärztetag drei Jahre vorher in Berlin - er war damals den Linken noch nicht ganz gefügig[47] - von 68er Ärzterabauken gesprengt worden war (Bild in RB 2/01,6.9). Jetzt (1977) saßen sie dominierend auf den Delegiertenbänken.

7.5  „... Detailforderungen des Enquête-Berichts verschaffen Ihrer Entscheidung besondere Tragweite. Es wurde Ihnen im vergangenen Jahr enquête-gemäß der Antrag auf Einrichtung einer Gebietsbezeichnung "für psychoanalytische Medizin" unterbreitet. Dabei ließ sich erst jüngst wieder zeigen: Trotz Lärms der Anpreisung, trotz Lehrstühlen und amtlicher Gebührenordnungsziffern stehen der wissenschaftliche Wahrheitsgehalt und die Wirksamkeit der Psychoanalyse, der „anspruchsvollsten“ der Psychotherapien, rundum in Frage. Keine Frage freilich, daß ihre Ideen in ein weltanschauliches Konzept passen, nach dem der Mensch, ähnlich die Gesellschaft, rundum veränderungsbedürftig sind. Folglich, so scheint es, lieben Mensch- und Gesellschaftsänderer, einige richtige Ansätze in ihr ausnützend, die Psychotherapie. Wohl kaum von ungefähr die seit Jahren auffällige Begeisterung der linken Medien - was bekamen andere Ärzte da zu hören? - für Psychotherapeuten. Sind Ihre Theoreme dialektisch doch gut mischbar und in aller Regel marxistisch gut vermengt. Was Mensch- und Gesellschaftsänderern noch fehlt, was ihnen die Arbeit wesentlich erleichtern würde, ist der Nimbus eines Facharzttitels.

Wie könnten sie uns ihre, nach Viktor Frankl, dem ‚existentiellen Vakuum’ der Zeit entnommenen Ideen wirksamer aufzwingen, wie die ‚eigentümlich zerstörerischen Eigenschaften’, die nach Karl Jaspers der Psychoanalyse, dem Marxismus, der Rassentheorie gemeinsam sind, nachhaltiger entfalten als durch Geltendmachen fachärztlicher Kompetenz? Wie wird die Rechtspflege hierzulande aussehen, wenn etwa die Ansicht des Spitzen-‚Fach’-Vertreters Mitscherlich, ‚das herrschende Rechtsdenken’ sei ein ‚epochaler Irrtum’, die Justiz ‚die gefährlichste aller Bürokratien’, als ärztliches Fachwissen anerkannt, in die Gutachterpraxis einzieht? Hier entscheiden Sie nicht über eine äußere Umstrukturierung des Gesundheitswesens. Hier geht es um seine inhaltliche Besetzung, um Umfunktionierung eines ärztlichen Bereichs zum Herrschaftsinstrument der Ideologen. Hier geht es um die Schlüssel zum Bewußtsein der Zeit...“

7.6  Während dieser Worte verwandelte sich die Versammlung der Ärzterepräsentanten in einen Hexenkessel. Vor Buhrufen, Geschrei („Aufhören“), Gelächter der Versammelten konnte Ref. seine Rede kaum zu Ende bringen. Seit jenem 80. Deutschen Ärztetag gehören Freud’sche Psychotherapie und „Sozialpsychiatrie“ zum ärztlichen Komment, bald darauf (1995) ergänzt noch durch weitere sozialistische Stücke wie die Forderung nach uneingeschränkter Fristenlösung. Das Schweigen zum Psychiatriemißbrauch in der Sowjetunion gehörte 1974 schon dazu. Zur Etablierung des Facharztes für psychotherapeutische Medizin (inzwischen unbenannt - s. ,5.2) kam es damals zwar noch nicht, sondern erst 1992, also fünfzehn Jahre später (s.o.). Insofern zeigten die angeführten  Warnungen doch einen gewissen Erfolg. Aber die übrigen Forderungen der Enquête, vor allem die auf Staatsmedizin, Staatspsychiatrie, auf "neue Versorgungsmodelle" wie die entsprechende "Schulung der eigenen Einstellung", ihre und ihrer Kollegen Hirnwäsche, begrüßten die Delegierten innigst. In der Folge sind heute 30 Prozent der nervenärztlichen Praxen akut von Insolvenz bedroht(NPZ 5/07). An ihre Stelle sind Institutsambulanzen getreten, wo die erbrachten Leistungen ein Mehrfaches kosten (etwa E 200.- gegenüber 50.- in der Praxis pro Fall und Quartal) - in die Höhe gehen auch die Zwangsunterbringungen (.2.2) -, „im Team“ dafür „politisch korrektes“ Denken überwacht wird und so zur Schaffung  etwa „neuer Menschen“ zur Verfügung steht.

7.7      Daumenschrauben sind zum Drehen da. Sie liegen heute vielen am Menschen beruflich Tätigen schon an. Lehrer etwa werden jetzt (nur in Bayern?) „evaluiert“, damit auf ihre Lehre insbesondere in Fächern wie Biologie, Sexualkunde etc. Verlaß ist. Sie sind, wie man hört, wenig erbaut, nach Studium, bestandenen Prüfungen und langen Jahren beruflicher Bewährung immer wieder abgeprüft und ggf. heruntergestuft zu werden. Bei den Ärzten sind’s ihre gewählten Vertreter wie etwa der KBV-Chef Dr. Köhler, der sich für „Qualitätssiegel“ stark macht. Per QM (Qualitätsmanagement), CME (Continuous Medical Education) sind sie zu erwerben. Geprüft wird natürlich auch hier offen oder verdeckt die politische Einstellung. Bei den Nervenärzten bläst u.a. Dr. Huhn aus Itzehoe seit Jahrzehnten mit einem industrie-bezahlten Journal in selbiges Horn. „Wer viele Jahre als nervenärztlicher Vertragsarzt auf dem Buckel hat, zudem... jahrelang ‚Prüfarzt für die Fachgruppe’ war, schreibt er in nda 5/07, „weiß über das  - gelinde gesagt – nur noch als seltsam zu bezeichnende Ausbildungs- und entsprechende Kenntnisniveau mancher Fachkollegen...“ Wer Wasser auf die Regierungsmühlen leitet, dem bringt’s immer Gewinn, auch wenn’s mit dem Deutsch hapert. Das Kenntnisniveau der Hilfswilligen bezüglich psychiatrischer Mißbräuche war meist bescheiden. Und ob sie sonst besser beschlagen sind, weiß auch niemand.

7.8  Vergessen wir aber nie: Es waren und sind hoch angesiedelte Fachvertreter und Politiker  - erstere wie die Enquête-Kommissare Prof. Kulenkampff, Häfner, Hippius & Co. vielleicht Anspitzer, vielleicht aber auch nur die Hiwis letzterer -, die die Psycho-Verstaatlichung durchdrückten. Seelenheilkunde scheint als Kontroll- und Disziplinierungsmittel der Neuen Weltordnung eingeplant zu sein. Drei ihrer höchsten Exponenten:

-              
G. Brock Chisholm M.D., erster Generalsekretär der WHO, forderte 1945 die Ausdehnung psychiatrischer Dienste, „sozialer Augen und Ohren“ auf alle Lebensbereiche mit der Maßgabe: „Die Uminterpretation und letztlich Ausmerzung des Konzepts von Richtig und Falsch..., das sind die letzten Ziele praktisch aller effektiven Psychotherapie... Wenn das Menschengeschlecht von seiner es verkrüppelnden Last von Gut und Böse befreit werden soll, müssen es Psychiater sein, die hierfür die Verantwortung übernehmen...“ (.5.).

-                William Menninger M.D. und sein Bruder Karl M.D. waren nach ’45  Initiatoren der Psychiatrie-Reform in den USA, Karl, „ a lifelong crusader“ gegen das psychische Krankheit umgebende Stigma, Gründer des Topeka Institute for Psychoanalysis, hier Neufasser der psychoanalytischen Neurosenlehre, die in dieser abgespeckten, unverändert aber haltlosen, primitivierenden Form (von Faber & Haarstrick nachempfunden  - .5.6, Kasten) weltweit in alle Psychiatrie-Reformen einging und so psychiatrischer („staatspsychiatrischer“) Betreuung über die wirklich Kranken hinaus Zugriff auf „alle Mühseligen und Beladenen“ verschaffte.

-               Norman Sartorius Prof. Dr. Dr. Dr. mult., Direktor der Mental-Health-Abteilung der WHO, in den 90ern Präsident des WVP, „Direktor“ jetzt von dessen „Weltprogramm gegen Stigma und Diskriminierung“ (DÄ 22/ 06) – Krankheit ist immer von Nachteil – und „crusader“ für weitere Psychiatrie-Aufblähung, gern staatliche. 

       

Bild links: G.B. Chisholm, Bild Mitte: W. Menninger und J.F. Kennedy (aus Publikationen der Scientology-nahen KVPM), Bild rechts: N. Sartorius beim Deutschen Ärztetag 2006 (aus DÄ 22/06). An Scientology ist gewiß Fragwürdiges. Daß wir durch sie auf Chisholm und das von ihm Vertretene aufmerksam wurden, ist ihr indes als Verdienst anzurechnen um so mehr, als in der Fachpresse, auf Fachkongressen darüber nie ein Wort verlautete.



8.    Ein kollegialer Dialog
Dr. Weinbergers mit der Kollegin Kuchta zur Vorbereitung ihres Mitwirkens im Vorstand der GEP (Auszug)

8.1  K: ... Die dicke Akte, die die Stasi über Sie führte, zeigt allein, welche Abträglichkeit für das sozialistische System sie Ihrer Arbeit beimaß. Unter anderem erstellte sie eine Art Persönlichkeitsprofil von Ihnen, wie es oft der Vorbereitung von Zersetzungsmaßnahmen diente. Daß und wie Sie letztlich aber nicht nur vom MfS, sondern auch von westlichen Politikern und Medien einschließlich der Gauck-Behörde und von Ihren, unseren werten Kollegen ausgegrenzt, ja heruntergemacht wurden, ist schon pervers. Sie hatten über drei Jahrzehnte zwar immer einige Unterstützer, mußten ihren Weg letztlich aber alleine gehen.

W: Für die Leichtfertigkeit, mit der sie die „Errötung“ des Fachs[48] hinnahmen, steht ein Drittel der Kollegen jetzt vor dem Bankrott (.7.6). „Abgehängt“ wurde im übrigen Prof. von Baeyer, unser langjähriger Ehrenpräsident, von ihnen ähnlich, nachdem er zuvor die deutschen Psychiater im Weltverband erst wieder zu Ehren gebracht hatte. Nachträglich versuchen sie ihn jetzt in ihr Boot zu holen. Lesen Sie die Kapitel „Die Reaktionen der westlichen Psychiater auf den sowjetischen Psychiatriemißbrauch“ in unserem Rundbrief 1/88 wie auch das Kapitel „Geschichte der Medizin - Psychiatrie  im Umbruch“ im Rundbrief 2/04.[49] Es waren  Zeiten allgemeinen „Verständnisses“ für die SU, besser: allgemeinen Kotaus vor dem Kommunismus in Deutschland. Voll dabei die Psychiater und ihr Berufsverband (BVDN). Ihnen ging es nie  um etwas anderes als um Anpassung an den politischen Mainstream und ums Geldverdienen, was unter Umständen ja auch im Sozialismus geht - s. das aktuelle China. Mache sich niemand über die Primitivität der ärztlichen Berufsvertretung Illusionen.

8.2  K: Nicht von ungefähr hielt ich selbst in höchster existentieller Gefahr vom BVDN Abstand. Heute kann ich über die Begutachtung durch Zeiler lachen. Wir musterten uns als Psychiater gegenseitig. Nur hatte er Macht, mich zu vernichten. Ich hatte sie nicht. Er fragte mich, ob ich von  meinen Attacken auf unsere Stasi-verbundenen Kollegen, Ärztefunktionäre vor Ort, nun ablassen würde. Als ich zurückfragte, was wäre, wenn nicht, kam die Antwort: „Dann richten Sie sich auf Ihre Pensionierung ein“!

W: Gewiß ist, was Sie erlebten, schon der Extremfall roter Schwindel-Psychiatrie, wie sie sich verbreitet in der Sowjetunion abspielte, in vielen feineren, nicht unbedingt aber harmlosen Varianten auch hierzulande eingenistet hat. Die Masse unserer Kollegen kümmert es nicht. Nach Jahrzehnten gibt es heute eine breitere Debatte des RAF-Terrors und „die Faszination in Teilen der links-liberalen Szene“ dafür (FAZ, 22.08.07). Die Attentäter von Stockholm 1975, die „2. RAF-Generation“, entstammten mehrheitlich dem SPK Heidelberg. Renommierte Gelehrte, Fachvertreter unterstützten es (.6.8).  Im BVDN war das alles kein Thema.

K: RAF-Mitglieder wurden in der DDR mit einer neuen Identität ausgestattet. Der Terrorist Ekkehard von Seckendorf praktizierte in den 80ern bei uns in Frankfurt / Oder als „Dr. Winter“, leitender Arzt der Beratungsstelle für Alkoholkranke.

W: „68er Faszination“ ließ die Kollegen den Psychiatriemißbrauch der SU schweigend hinnehmen wie insbesondere die Psychiatriereform mit all ihren Verstaatlichungsbestrebungen [50] und ihren Flunkereien. Die Faszination reichte bis in die FAZ [51] und in die CSU, wenn hier auch von handfesteren Motiven gestützt. [52] Sie hat unser Fach selbst heute noch im Griff  - vgl. die Schwärmereien der Drees und Weise (.7.2-3). Auch Ihr Gutachter stammt aus der Medizinischen Hochschule Hannover (Fn 41). Schon aber im Schweigen der Kollegen zu den sowjetischen Mißbräuchen des Fachs, m.E. der ersten Manifestation neuen politischen Ungeistes in der Medizin, bildeten sich „obere“  Denk- und Verhaltensmuster ab. Wie der Brite Macolm Lader in Psychiatry on Trial (Penguin, 1977) berichtete, winkten, nachdem aus der damaligen SU entsprechende Berichte eingegangen waren, von einer Stellungnahme zum Psychiatriemißbrauch ab die Menschenrechtskommission der UN wie des Europarates, die WHO, die UNESCO und der Weltärztebund. Entsprechend verhielt sich 1971auch der WVP (Weltverband für Psychiatrie). Mühsam nur und äußerst knapp setzten wir 1977 in Honolulu (.2.3) die Verurteilung der sowjetischen Fachgesellschaft (mit 90 gegen 88 Stimmen) durch. Unseren Kollegen war nachdrücklich bedeutetet worden, was „angemessenes“ Verhalten hier wäre.

8.3  K: „Bedeuten“ heißt immer noch nicht befehlen.

W: Was waren in Deutschland psychiatrische Ordinarien, Chefärzte, Staatsbeamte, auf einen ungeschriebenen Befehl, einen Wink „von oben“, zu tun nicht schon bereit? So wie unsere Klinikdirektoren und „Psycho-Administratoren“ ihren politischen „Vorgesetzten“ heute insbesondere in der WHO folgen – Bundes-, Landes- und erst recht (in Bayern) Bezirkspolitiker sind anscheinend nur noch Exekutoren dieser abgehobenen Gremien  -, so blind folgt ihnen das Gros der Kollegen und ihrer Verbände. Nur so ist zu verstehen, daß von ihnen, die primär lebendigen Menschen verpflichtet sein sollten, jener so unsäglich öde wie verstiegene „Bericht zur Lage der Psychiatrie...“ der Enquete-Kommission von 1975 hingenommen wurde.

8.4  K: Auch die Psychoanalyse hat durch die Enquête Auftrieb erfahren. Aber Freud hat doch zumindest das für sich, daß er mehr Hinhören auf alltägliches seelisches Leid anstieß und damit die Grundbedingung psychotherapeutischer Hilfe erfüllte,

W: was uns wieder die Freudianer suggerierten. Schon im alten Griechenland haben sich „die späteren Sophisten viel mit Psychotherapie befaßt“. An Plutarch anlehnend, erinnern Leibbrand und Wettley[53] an Antiphon, der in Korinth an sein Haus schrieb, er sei „imstande, die Depressiven durch Worte zu behandeln und wenn er so die Ursachen erfahren habe, redete er den Kranken zu.“ Er gab das mit der Zeit freilich auf. Er hielt wohl über genügend Mißerfolgen, so Leibbrand & Wettley, „die Methode für unter seiner Würde.“ Die jüngere, ebenfalls lange vor Freud einsetzende Geschichte der Psychotherapie beschrieb Henry F. Ellenberger in DIE ENTDECKUNG DES UNBEWUSSTEN, diogenes bzw. Basic Books, 1970. Mir scheint, Freud und seine Anhänger haben mit ihren Lehren und der Penetranz ihrer Durchsetzung realer Psychotherapie eher den Weg verstellt. Inwieweit sie zur allgemeinen Verwirrung des elenden letzten Jahrhunderts beitrugen, sollte wohl auch noch geprüft werden. Gewiß braucht es das Wort in der Heilbehandlung. Welche „Worte“ aber bei welchen Krankheiten eine überlegene, damit erst therapeutische, d.h. statistisch gesicherte Wirkung erzielen, das ist bis heute ungeklärt. Die „hauptberuflich“ (.5.1), doktrinär nach Freud & Co. gelehrte Psychotherapie erzielt sie jedenfalls nicht. Sie ist Irreführung.

8.5  K: Und doch wird just sie allerorts propagiert, auch  von den Krankenkassen. Immer wieder werde ich, wenn etwa ein Depressiver nicht rasch genug gesund wird, von ihnen angespitzt, ihn oder sie doch noch zu „hauptberuflichen“ Psychotherapeuten zu schicken, so als seien psychisch Kranke bei Schaumschlägern, Scharlatanen besser aufgehoben.

W: Was darauf deutet, wie weit verbreitet der Aberglaube an Hokuspokus-Medizin ist, oder auch darauf, daß und wie er „von hoch oben forciert“ wird und zwar international. In  Guardian UNLIMITED vom 15.08.07 klagte der Londoner Pharmakologe Prof. David Colquhoun über vielfältige Begünstigungen von allem möglichen Firlefanz in der Heilkunde durch „respektable Zeitungen, Universitäten und höchstgestellte Politiker bis zu Tony Blair.[54] Er sprach von einem neuen „Zeitalter des Obskurantismus“, das uns seit rund 30 Jahren eingeholt habe. Dabei gebe sich der Schwindel gern als „humaner“ als die Medizin aus. Das Übelste aber sei, so Colquhoun, daß das Denken unserer Zeit damit „vergiftet“ würde, das Denken, leider, auch vieler Mediziner. Wir stehen international gegen vielfältigen, hoch gestellten Aberwitz.

8.6  K: Irrtum oder Lüge? - Die Frage nach dem Unterschied stellen wir in der Psycho-Diagnostik unseren Patienten, um abstraktes Denkvermögen zu prüfen. Irrtum oder Lüge oder Wissenschaft, vielleicht gar gelenkte Wissenschaft - die erweiterte Frage hätten in Bezug auf die Psychoanalyse primär wir Fachleute zu beantworten. Die einen von uns halten für überlegene Seelenheilkunde, was andere, etwa der holländische Psychologe Israels als „großen Irrtum“ (RB 1/07,5.1) und wieder andere gar als Lüge (Cioffi, Wilcocks u.a. - .6.3) erachten. Der Streit geht an sich seit hundert Jahren so.

W: Ich halte es gern auch mit Israels. Er spricht ja in seinem DER FALL FREUD selbst von der "Geburt der Psychoanalyse aus der Lüge". Auch Irrtum taugt als Basis einer "anerkannten" Wissenschaft schlecht. Jüngst ist das Buch von Martin Dehli LEBEN ALS KONFLIKT erschienen, eine schöne Übersicht über all die Tricks, mit denen uns Freud nach 1945 entscheidend durch den Trickser Mitscherlich (Fn 32 und 40) hereingedrückt wurde. Unter der Kappe eines „Antifaschisten der ersten Stunde“ zeigte er mit genügend rechten Denkmustern im Gepäck, aber wendig, „wie ein einzelner einer ganzen Nation die Psychoanalyse aufzwingen“ konnte (so Kurt Eissler, der Verwalter des Freud-Archivs in Washington, Dehli S. 217), die Ärzte anfangs noch skeptisch. Keineswegs wissenschaftliche Argumente, sondern politische Interessen und Interventionen haben die Analyse hochgespült. Mitscherlich verfolgte sie jetzt mit Horkheimer und der „Frankfurter Schule“ im Bund. Der 68er Philosoph Habermas, der jüngste ihrer Promotoren, rechtfertigte die Beugung der Wissenschaft in 68er Richtung. Sie sei doch immer interessengeleitet (Fn 9). Dadurch aber, daß sich „eleganter Unsinn“ (.2.9), ja Lüge im psychiatrisch-psychotherapeutischen Bereich einnisten konnten, sie hier fast selbstverständlich wurden, kam es, daß andere ärztliche Gebote ähnlich über Bord gingen, kaum einen unserer Kollegen etwa der politische Mißbrauch des Fachs, die Ausgrenzung, wenn nicht existentielle Vernichtung Andersdenkender unter offenkundig falschen Diagnosen mehr störten. Dehli zeigt nochmals im Detail: Psychoanalyse ist selbst verdrückte Verfremdung, ist systematischer, von oben durchgestellter Mißbrauch der Heilkunde zu politischen Zwecken, zur „Demokratisierung“, wie gern gesagt wird, oder, wie’s eher scheint, zur Überleitung in neue, schön-neu-weltliche Diktatur. Parallel dazu verkam der „anti-totalitäre Konsens“, wie er nach ’45  vorherrschte, nach ’68 zum einäugig „anti-faschistischen“. 

8.7  K: Normalerweise, gibt es bei Streitfragen in der Wissenschaft, wenn auch nur leise Zweifel an der Stichhaltigkeit vorgelegter Ergebnisse aufkommen, keine Ruhe, bis sie geklärt sind. Bei den Klon-Experimenten des Hwang Woo-Suk wurden trotz bereits erfolgter Publikation in der renommierten SCIENCE diese überprüft und so die angeblich gelungene Schaffung eines (embryonalen) „neuen Menschen“ durch Kerntransfer zur Jahreswende 2005 auf 2006 als Schwindel entlarvt. In Fragen des Seelenheilkunde aber gibt es zu „Forschungsergebnissen“, die von Anfang an, d.h. seit einem vollen Jahrhundert unter dem Verdacht des Schwindels stehen, ein Patt. Von den maßgeblichen Fachleuten servieren die einen sie unverdrossen als großartige Heilkunde, während andere um sie Scheindebatten führen und den „Servierern“ kollegiale Honneurs machen. Und immer noch gehört Mut dazu, sind es folglich nur wenige, die die „Forschungs- und Therapieergebnisse“ der Freudianer als das bezeichnen, was sie sind, als Irrtum oder gar Lüge.

W: Der eigentliche Skandal aber ist: Es gibt - politisch veranlaßt? - keine gültige, allgemein verbindliche Prüfung. Genauer ist es so, daß Prüfungen, die den „Servierern“, „den Hwang Woo-Suks“ der Seelenheilkude quasi, unerwünschte Ergebnisse versprechen, à priori von ihnen und deshalb (!!) auch in der Öffentlichkeit nicht anerkannt werden. Gleichgültig läßt es sie, ob es sich bei dem, was geprüft werden sollte, um Wissenschaft oder Irrtum oder Lüge handelt, gleichgültig auch, welche Konsequenzen für Mensch und Gesellschaft daraus folgen. Von Politik, den Medien und der Ärzteschaft werden, was die Seelen-(heil-)kunde betrifft, Lüge, Irrtum und Wissenschaft heute als gleichberechtigt anerkannt, praktiziert und gefördert und ihre Unterscheidung als drittrangig abgetan.

Dem Rundbrief 2/07 wollte ich zur Abrundung noch die Übersetzung eines Artikels des New Statesman vom 28.06.04 zu Foucault (Fn 1) beifügen. Folgend wenigstens ein kurzer Auszug aus Patrick West, „Ein Philosoph als gefährlicher Lügner: Michel Foucault lehrte, daß ‚Macht’ gut, ‚Wahrheit’ relativ und ‚Geschichte’ nichts als eine interessante Erzählung sei. Warum himmeln wir den französischen Philosophen immer noch an? ... Er forderte Insassen französischer Gefängnisse öffentlich auf, auszubrechen und unterstützte Ayatolla Khomenis Revolution wie auch die Baader-Meinhof-Terroristen.... (Er) schuldet seinen Teil Nietzsche’schem Antihumanismus, Freud'scher Psychologie, der Linguistik und auch politischer Reaktion... Er repräsentiert eine Generation von Linken, die, an den Fehlschlägen und Schrecknissen der sozialistischen Experimente der Nachkriegsära verzweifelnd, intellektuellen Trost in einem apathischen Relativismus suchten. Die postmodernen Pessimisten weisen die Begriffe von Menschenrechten und Fortschritt zurück. Sie mokieren sich über das Haften an Rationalität als einer Chimäre...

Wie Mitscherlich, laut Analytiker Kohout ein „Träger des nationalen Gewissens“, finden weithin auch Foucault und ähnliche Geister noch immer „Anschluß“ (Fn 1). Sein Buch WAHNSINN UND GESELLSCHAFT lobte in einem ähnlich gerichteten Buch (BÜRGER UND IRRE, Fischer, 1975) der Sozialpsychiater Klaus Dörner (.7.2) als „ersten wesentlichen Ansatz einer Wissenschaftssoziologie der Psychiatrie.“ Paraphrase des neuen Westens, für den mit Freud all diese Herrschaften stehen, wurden dann Abu Ghraib (RB 1-04,7.6) und der dem neomarxistischen System angepaßte „neue (Gender-)Mensch“.

8.8  K: Von Politikern und ähnlichen Zeitgeist-Größen wurden und werden Fragwürdigkeiten, so unbewiesen ihr Wert auch war und ist, allerorts angepriesen und selbstherrlich durchgedrückt. Allgemein werden die weitere Überwachung der privaten, nicht zuletzt der ärztlichen PC-Inhalte forciert, in der Heilkunde dazu die Continuous Medical Education (CME), das Qualitätsmanagement, Richtlinien, Leitlinien, die elektronische Gesundheitskarte etc. Letztere droht intimste Patienten-Daten allgemein ansichtig zu machen. Die MEDICAL TRUBUNE Nr 3, 7/07 titelte einen Beitrag kürzlich: „Gesetzgeber bastelt an Lauschangriff auf Ärzte“. Das  drückte eigentlich alles schon aus. Der Huxley-Orwell-Horror nimmt kein Ende!

W: Weiter anstehenden Kontrollmitteln neuer Diktatoren zu begegnen, fehlen uns Geld und Kraft. Die Ärzte wählten über Jahrzehnte Vertreter, die sie besänftigt und alles hingenommen haben. „Die dümmsten Kälber...

K: Der von Ihnen erwähnte Prof. Colquhouns kritisiert auch die Kirchen. So antichristlich, speziell antikatholisch Freud immer argumentierte, hat, wie Sie in den Rundbriefen 2/02, 1/03 und 1/05,5.2 darlegten, die Kirche doch Mitte des letzten Jahrhunderts, hat Pius XII. schon den Freudianern beigegeben.

W: Daß die Kirchen für neu in der Wissenschaft aufgekommene Mystik empfänglich sind, wen kann es wundern? Ihre Aufgabe ist es nicht, die Wissenschaft voranzubringen. Wer von uns möchte auch alles Unrecht, alle Irrationalismen, die zur Liberalität westlicher Gesellschaften gehören, aus der Welt schaffen? Wir dürften zufrieden sein, wenn es gelänge, einige der übelsten abzustellen. Die Kirchen leisten entschieden Gutes. Sie lehren die Gottesebenbildlichkeit des Menschen, stärken ihn allein damit gegen noch so geschickt depravierende (Psycho-)Irrlehrer und Tyrannen. Sie bringen Glanz ins Menschenleben. Sie sind seit über tausend Jahren zu tief mit unserer Kultur verwoben, als daß Kritik heute gerade an ihnen ansetzen müßte. Papst Pius XII. ist von maßgeblichen Analytikern hinters Licht geführt worden. Das Ausmaß der Freud’schen „Irrtümer“ war seinerzeit auch noch nicht voll überblickbar. Im übrigen ist das kirchliche Maß längst nicht mehr Maß aller Dinge. Hauptverantwortlich für das Desaster nicht nur in der Heilkunde bleiben in jedem Fall die Politiker. Der gefährlichste (und verlogenste) Irrationalismus kommt seit ’68 im wissenschaftlichen Gewand daher - theoretisch links, um von der Union in Praxis umgesetzt zu werden.

K: An der Abdrängung des Fachs ins „Sozial(istisch)-psychiatrische“ hätten sich bei Ihnen im Westen nachhaltig auch kirchliche Stellen beteiligt, monieren manche.

W: Daß die Kirchen auch da waren, wo für die Träger neuer „sozialpsychiatrischer Dienste“, Tagesstätten  etc. viel Geld winkte, ist verständlich. Daß den allzu leicht in Isolierung fallenden Schizophrenen Kontaktmöglichkeiten, Tagesstrukturierungen etc. geschaffen wurden, wer hätte das nicht begrüßt? An den Krankheitsverläufen selbst änderte die Sozialpsychiatrie natürlich nichts. Insgesamt ist an ihr aber ein realer Kern, mehr zumindest als an den abstrusen Freud-Lehren. Auch unter deren Jüngern sind natürlich Gutwillige, die zwischendurch ihren Menschenverstand sprechen lassen und damit Gutes bewirken. „Lebensbewältigungshilfe“ ist gewiß keine rein ärztliche Domäne. Soweit Freud- bis New-Age-indoktrinierte Mitarbeiter(innen) kirchlicher Beratungsstellen antichristlich agieren, soll das primär andere bekümmern (RB 1/76,6.4). Unsere Sache bleibt es, den falschen Ansprüchen ideologisierter,  menschenverderbender „Staatsseelsorger“ Grenzen zu setzen.

8.9  K: Mir gefällt an der GEP, ganz unabhängig von ihrer Aufmerksamkeit in meinem eigenen Fall, das breite Spektrum ihrer Aktivitäten in vielen fachlichen Bereichen, die auf unseren Kongressen, in unseren Journalen sonst überhaupt nicht oder wenn, dann nur geglättet, „mainstream-gerecht“ zur Sprache kommen. Psychiatrie – ein Fach der Tabus, allenfalls der gelenkten Diskussion?

W: Daß es in der Psychiatrie seit langem keine freie Diskussion mehr gibt, Widerspruch Ausgrenzung aus der „seelen(heil)kundlichen“, ja der ärztlichen Gemeinschaft einbringt, andere Äußerungen als „Sozialpsychiatrie“ und Freud lobende im Fach selbst wie in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr laut werden, dies offensichtlich aber von „oberen“ politischen Instanzen ausgeht, denen wie der WHO heute selbst gut katholische Gremien und sonst kritisch sich gebende Gelehrte gottgleiche, jedem Zweifel enthobene Autorität einräumen, das bleibt der Hauptskandal.

K: Von der DDR zur BRD war und ist es anscheinend doch nicht so weit. Wir wollen aber über lauter Klagen nicht vergessen, was doch gewonnen wurde und auch nicht, was unser Fach trotz fortdauernder Unzulänglichkeiten an Gutem leistet. Die große Mehrheit der psychisch wirklich Kranken findet in ihm entscheidende Hilfe. Die Menschen mit Befindlichkeitsstörungen, Zweifeln, Kümmernissen etc. sind, weil sehr viel zahlreicher, für die Politiker wohl besonders interessant. Wissenschaftlich umfassend ausgewiesene Psychotherapiemethoden wird es vielleicht nie geben, weil der nicht direkt von Krankheit befallene Mensch frei ist. Allein gesetzmäßig an ihm verlaufende Krankheit ist wissenschaftlich faßbar. Über den an sich zweifelnden, unsicheren, nicht eigentlich jedoch kranken Menschen werden sich Ideologen, Marx’sche, Freud’sche und sonstige, immer wieder hermachen. Das zu seiner leichteren Kontrolle und Manipulation auszunützen, darauf sind offensichtlich genügend Politiker erpicht. Aufgabe der Wissenschaft wäre primär die Zurückweisung pseudowissenschaftlicher Ansprüche. Aber realisierbar soll andererseits sein, was an Elementen förderlicher Psychotherapie ausgewiesen ist. „Das gute Wort“  braucht es in der Heilbehandlung in jedem Fall.

W: Genau das war und ist die Intention unserer GEP. Ob „die“ Wissenschaftler besagte Aufgabe auch wahrnehmen werden, steht nach bisherigen Erfahrungen dahin. Die weltweite Nachfrage nach unseren Informationen - im August wurden über 14 Millionen KBytes von unserer mit dem INFC gemeinsamen Webseite heruntergeladen und somit wohl auch gelesen – könnte ein positives Indiz sein. Vorsicht ist jedoch angebracht. Wir leben in einem „neuen Westen“, der - so sehen es viele - auf eine diktatorische Brave New World zuläuft mit zunehmend zentrierten Machtmitteln, „politisch  korrekten“ Medien und einer von oben „durchgestellten“ Psychiatrie und Psychotherapie. Jede (Ein-) Dollar-Note mit dem abgehobenen Auge an der Pyramidenspitze erinnert daran. Wie wir „einige Irrationalismen“ und Übergriffe angingen, die mit unserem Fach in Verbindung stehen, dürfen wir auch übergeordneten Fragen nicht ausweichen, etwa der Frage, was Novus ordo seclorumdenn meint. Bedeutet „Neue Weltordnung“ wirklich „Schöne neue Welt?“ Zukunftsplaner verrechneten sich zum Glück öfters schon.

 

 

Was keiner wagt, das sollt ihr wagen,

Was keiner sagt, das sagt heraus,

Was keiner denkt, sollt ihr befragen,

Was keiner anfängt, das führt aus.

Wenn keiner ja sagt, sollt ihr’s sagen,

Wenn keiner nein sagt, sagt doch nein,

Wenn alle zweifeln, wagt zu glauben,

Wenn alle mittun, steht allein.

Wo alle loben, habt Bedenken,

Wo alle spotten, spottet nicht.

Wo alle geizen, wagt zu schenken.

Wo alles dunkel ist, macht Licht.

Wo alle lügen, dient der Wahrheit,

Wo alle heucheln, macht nicht mit.

Verscheucht den Nebel, strebt zur Klarheit.

Wo alle weichen, keinen Schritt ...

J. W. Goethe

 

 (aus Der kleine Mutmacher)


 

Endnoten:

[1] Das Thema des Vorredners, des Politologen Dr. Rüdiger lautete: „Überwachen und Strafen in Halle: Überlegungen im Anschluß an Foucault“. Weiter referierte der Strafrechtler Prof. J. Renzikowski. Moderator war Prof. M. Kaufmann, Institut für Philosophie.

[2]Die psychiatrische Praxis der Zwangsunterbringung  scheint ... eher von Zeitgeist und Haltung der jeweiligen Einrichtung bestimmt als von rechtlichen Bestimmungen“, hieß es so offen wie richtig kürzlich im DeutscheS Ärzteblatt 36/07.

[3] vgl. hierzu die Ausführungen der Professoren Drees und Weise  unter .7.1-2.

[4]  Dies kein Tadel: Wie sollte der Verband erkennen, wer, weil krank, im psychiatrischen Krankenhaus war und wer zu Unrecht.

[5] Auch andere Ungerechtigkeiten werden an der neuen Gesetzesregelung moniert.

[6]  Spitzer, C. et al., Beobachtet, verfolgt, zersetzt – psychische Erkrankungen bei Betroffenen nichtstrafrechtlicher Repressionen in der ehemaligen DDR, Psychiatrische Praxis, 2/2007, eine insgesamt hoch respektable Arbeit, wiewohl der Ausdruck „nicht­strafrechtlich“, auf englisch „non-criminal“, etwas unangebracht wirkt.

[7] Die Stasi archiviert sich selbst, schrieb die BERLINER MORGENPOST, 15.06.2007. Neben 56 Stasi-Leuten fungierten behördenintern noch „mehrere hundert ehemalige SED-Systemträger“, schrieb die SUPERILLU 26/07.

[8]  Mobbing in Klinik und Praxis – Dem Kollegialitätsprinzip zum Trotz, DÄ 23/07

[9] Habermas Jürgen, ERKENNTNIS UND INTERESSE, Suhrkamp, 1973

[10]  Nils Wiklund, svenska dagbladet, 07.12.2006 bzw. RB 1/07.6.2: Freud und der Nobelpreis.

[11]  Es hieß da: „... Beispielsweise informierte IMB „Erich“ das MfS aus eigenem Antrieb darüber, welche Krankheit, politische Ansichten und daraus folgenden Absichten einer seiner Patienten habe. Ohne Skrupel berichtete er über die familiären Verhältnisse wie über die Ausreiseabsichten des Patienten. Zum Abschluß des Gesprächs wurde vereinbart, ,dass der IM den MfS-Mitarbeiter über Veränderungen des Gesundheitszustandes sowie im Fall einer Entlassung informieren würde. (...) IMB „Erich“ war laut Aktenaussagen anfänglich bereit, „das MfS bei der Realisierung seiner Aufgaben ... zu unterstützen“. ... Er erklärte, daß er von ‚der Notwendigkeit der Bekämpfung von gegen die DDR gerichteten subversiven Handlungen und Aktivitäten’ überzeugt sei... Jedoch könne er als Christ aus Glaubens- und Gewissensgründen eine derartige Aufgabenstellung nicht realisieren, sondern lediglich ihm bekannt werdende Hinweise dem MfS übermitteln, ohne selbst aktiv zu werden...“

[12] Nachdem die Broschüre der BZgA Körper, Liebe, Doktorspiele,  nach mancher Meinung eine „amtliche Rechtfertigung für Pädophile“, durch Kuby öffentliches Aufsehen erregte, verschwand sie von der Website des Ministeriums. Feig ist man da auch noch.

[13] Daß nicht nur „Rollen“, sondern auch die Substanz des Menschen im Visier „oberer“ Planer sind, dazu u.a. Exkurs III in RB 1/07: Umwandlung des Menschen als Endziel.

[14] Kuby verweist hier auf: Ulf Heidel et. al. (Hrsg.), Jenseits der Geschlechtergrenzen, Queerstudies an der Universität Hamburg, 2001.

[15] Kuby hatte zuvor ausgeführt: „In der 51. Sitzung der 'UNO-Kommission für den Status der Frau' im März 2007 stand ein Entschließungsantrag zur 'Abschaffung von schädlichen Praktiken des vorgeburtlichen geschlechtsbestimmten Sortierens und des Kindermords an Mädchen' auf der Tagesordnung. Dies ist gängige Praxis in China und weiten Teilen Asiens. Frau Moll, Attaché Deutschlands bei den Vereinten Nationen, brachte den Antrag als Repräsentantin der 27 Mitgliedstaaten der EU zu Fall mit der Begründung: 'Dieser Entschließungsantrag ist vor allem ein heimlicher Angriff der USA gegen Abtreibung. Das wollen wir nicht mittragen.'

[16] Kuby verweist auf: Friday Fax, 16. 11. 2006, Nr. 48, Jg.9.

[17]  Kuby: Im Kanton Zürich waren 1999 Minderjährige für 300 Fälle sexueller Gewalt an Gleichaltrigen verantwortlich. NZZ Online, 28.11.06.

[18] Seine Diagnostizierung hier ist Psychiatrisierung einer politischen Einstellung und damit Psychiatrie-Mißbrauch.

[19] Die Seltsamkeiten dieses Selbstverwaltungsorgans, heute: Gemeinsamer Bundesausschuß (G-BA), haben wir in RB 1/07,5.6 näher beleuchtet, hier auch die politische Natur und die Spielchen dieses „untergesetzlichen Normgebers“.

[20]  Wahrlich eine „revolutionäre“,  eben neo-marxistisch, freud-marxistisch geprägte (arrangierte) Entwicklung.

[21]  Mit der ärztlichen, dann staatlichen Anerkennung der Freudschen Schwindellehren als Heilkunde, der Schaffung eines just darauf gründenden „2. Psycho-Facharztes“ und des ähnlich begründeten „Hauptberufes“ des psychologischen Psychotherapeuten, schließlich der „vollen Finanzierung“  ihrer auf besagten Schwindellehren fußenden „Leistungen“ aus den Beiträgen der Pflichtversicherten hat es Deutschland tatsächlich wieder zu „weltweiter Einzigartigkeit“ gebracht, zu einer freilich, über die das Ausland weithin wieder den Kopf schüttelt.

21. Können Berufe, Berufsgruppenprofessionalisiert“ werden? Ideologisiert werden können sie und ideologisch auf Freud getrimmt wurden sie auch. Das ist das Verheerende an dieser „revolutionären Entwicklung“ und so schön kaschiert kam sie u.a. mit der sog. Psychiatrie-Reform daher, daß weithin unerkannt blieb, was sie im Kern beinhaltete.

[23]  Eher scheint es, daß „politischer Wille“  dem Schwindelsystem Psychotherapie zugrunde liegt. Gerade in Deutschland läßt sich das von 1945 an,  von den ersten Ansätzen des Aufbaus der neuen staatlichen Administration beobachten. Schon hier war der Analytiker Mitscherlich zur Stelle – an der Spitze der WHO stand damals G.B. Chisholm (RB 2/2000, 3.4) –  und der Freud-Kritiker Karl Jaspers, natürlicher Anwärter für leitende Staatsämter, verlor zunehmend an Boden.

[24] Wir haben diese Arbeit wiederholt,  erstmals im Deutschen Ärzteblatt 40/1977, zuletzt in RB 2/02,5.2 beleuchtet, haben diesen „Wirksamkeitsnachweis“ als Augenwischerei ausgewiesen. Von selbiger Art freilich sind alle psychoanalytisch-psychotherapeutischen „Wirksamkeitsnachweise“. Schon der berühmte, von Breuer und Freud als „geheilt“  vorgestellte „erste Psychotherapie-Fall“  der „Anna O.“ war Lug und Trug. Das Fehlen stichhaltiger Effizienznachweise für die Freudsche Therapie wird in der umfänglichen Freud-kritischen Literatur durchgehend moniert. Es hält die Freudianer nicht ab, solche Nachweise dreist immer wieder zu behaupten. Eine kritische Überprüfung hat es nie gegeben. So tragen die zuständigen staatlichen Instanzen für die Groß-Betrügerei der hier behandelten „psychotherapeutischen Versorgung“ auch die Letztverantwortung.

[25]  Auch hier handelt es sich keineswegs um ein „umfassendes“, eher um ein reichlich dürftiges Theoriesystem – s. RB 2/03,8.2-8.4. In seinem Lexikon der Psycho­irrtümer, Eichborn, 2000, stellte R Degen dar, daß auch die oft (u.a. von Klaus Grawe et. al.) beschworene überlegene Wirksamkeit der VT, einschließlich ihrer „kognitiven“ Variante, durch die Ergebnisse solider Arbeiten nicht gedeckt wird.

[26]  Zugrunde liegt der Psychoanalyse wie der Verhaltenstherapie ein gleich materialistisches Menschenbild.

[27] Die „Hypnotherapie“ gab Freud, weil erfolglos, schon auf. Die „Interpersonelle Psychotherapie“ ist das,  worauf sich Chisholm (RB 2/00,3.4) stützte. So viele Psychotherapien wurden schon als erfolgreich gepriesen und erwiesen sich als Bluff, daß Vorsicht bei allen neuen Erfolgsmeldungen angebracht ist, auch beim schlichten Verfahren des EMDR.

[28] Im Hinblick darauf  müssen die „hauptberuflichen Psychotherapeuten“, derzeit also ca. 5000 Ärzte und 15.000 Psychologen, für jeden „Krankheitsfall“,  den sie nach der Freud-Methode zu behandeln gedenken, in einem „Gutachten“ vorher die Freudscher Theorie entsprechende Krankheitsentstehung und damit Sinnhaftigkeit einer dieser Theorie entsprechenden „Therapie“ ausweisen, müssen den Fall also, was es auch koste, hinfrisieren, damit er im „Binnenkonsens“ einem gleichgesinnten „Gutachter“ paßt und von diesem zur Behandlung freigegeben wird. Ist selbige Theorie auch international als haltlos ausgewiesen, haben hierzulande doch 20.000 „hauptberufliche Psychotherapeuten“, wollen sie nicht verhungern, das sacrificium intellectus zu erbringen und eine Krankheitsentwicklung à la Freud zu erfinden. Verantwortlich für die Großbetrügerei sind weniger die „Therapeuten“ selbst als die Politiker, die die Regelung zielstrebig über Jahrzehnte verfolgten. Daß bei dem Verfahren auch nur entfernt die Vorgaben der RVO des "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich" gewahrt würden, davon kann bei den "anerkannten" Psychotherapie-Verfahren gar keine Rede sein, von "transparenten Bewertungsvorgängen" ebenso wenig.

[29] Immer wieder davon ausgehend, es hätte eine solide Prüfung von Psychotherapiemethoden gegeben, wird (im Original) in einem weiteren Kasten versichert, die Gesprächstherapie nach Carl R. Rogers werde jetzt langwierig-gewissenhaft noch geprüft. Auch das natürlich Geflunker.

[30] Diese allen Ärzten aufgetragene „psychotherapeutische Grundversorgung“ soll hauptsächlich bewirken, die vielen „schwierig“ bleibenden Fälle ihrer Praxis möglichst schnell zu „haupberuftlichen Psychotherapeuten“  zu überweisen, auf daß immer größere Teile der Bevölkerung den Kopf mit Freud-Stoff vollgestopft bekommen und so in Ratlosigkeit versinken. Zu Huxleys „schöner,  neuer Welt“ gehört der manipulierbare, leicht führbare „neue Mensch“, der sein Sklaventum liebt.

[31]Differenziert, strukturiert“ hat sich an Freuds Theorie und „Therapie“ gar nichts. Von Karl Menninger, Topeka, Kansas, wurden an ihr einige Anstößigkeiten retouchiert, Freuds „Libidotheorie“ und seine „Instanzenlehre“ etwa. Mit der Annahme ursächlich fortwirkender „intrapsychisch unbewußter Konflikte“ blieb ihr Kern erhalten, wurde er Basis aller der amerikanischen folgenden „Psychiatriereformen“.

[32]  Der Ausdruck von „Sorge“, die Klage auch über „Versorgungsdefizite“ soll hier wie in ähnlich oft wiederkehrenden Verlautbarungen die Festigkeit der nunmehr ereichten Freudianer-Position unterstreichen, gleichzeitig die Ärzte für noch mehr Freud’sche Psychotherapie begeistern. Konkurrieren mit ihr auch 600 bis 800 andere „Psychotherapien“, haben es die Freudianer durch politische Unterstützung doch zur Dominanz im Geistesleben der gesamten westlichen Welt gebracht. Solange diese Unterstützung vorhält, wird sich daran wenig ändern. Wie sie konkret aussah, dazu gibt nach M. Bormuths KARL Jaspers und die Psychoanalyse (ISBN 3-7728-2201-0) Auskunft. M. Dehlis neu herausgekommenes Buch LEBEN ALS KONFLIKT (ISBN 978-3-8353-0063-7) gibt weiteren Einblick. Es macht u.a. deutlich, wie die Widerstände, die etwa an der Universität Heidelberg 1946 der Etablierung eines Universitätsinstituts für Psychotherapie entgegenstanden, vom Geld der Rockefeller Foundation, besonders aber vom Justizminister Carlo Schmid (SPD) überwunden wurden und die Universität sich so von einem nazistischen Pfuhl zur Vorhut der 68er Kulturrevolution wandelte. Entscheidend gelang das Kunststück dem vormals rechts-radikal versponnenen, der NS-Eugenik nahen Alexander Mitscherlich, der sich mit seiner MEDIZIN OHNE MENSCHLICHKEIT und der Psychoanalyse nach 1945 „eine überindividuelle Opferidentität“ zulegte und so zu einer „Gründerfigur“ der Bundesrepublik wurde.

[33]  Die hier geäußerte Sorge über ein Abwandern der Psychotherapie an Nicht-Ärzte, Sorge dann auch über „politische Einflußnahmen“  sind schlichte Heuchelei. Waren es doch seit Freud just Freud-gläubige Ärzte, die auf das Hereinholen von (Freud-gläubigen) Nichtärzten (Psychologen) in die Psychotherapie drängten. Politische Einflußnahmen waren ihnen dabei nur recht! Die oft bekundete „Sorge“ - Lippenbekenntnisse sind wohlfeil - soll die Ärzte, die Leser besagten Blattes veranlassen, sich noch inbrünstiger dem Freud’schen Ungeist auszuliefern. Nicht untergehen soll aber, daß manche Psychologen ähnlich dezidierte Freud-Kritik wie wir leisten, uns damit hohen Respekt lehrend. Daß „Lebensbewältigungshilfe“ nicht nur Ärzten obliegt, ist à priori selbstverständlich.

[34]  In vollmundigen Beschlüssen zog dieser Ärztetag nochmals alle Register zum Loblied auf die Psychotherapie, faselte von erforderlicher (und zu erlernender) „psychosozialer Kompetenz des Arztes und der Ärztin“, wie selbstverständlich unterstellend, daß Kompetenz aus der Verinnerlichung Freud’scher und ähnlicher Axiome erwächst. Die “Beanstandungen“ des BMG richten sich auch diesmal à priori gegen keine Pseudowissenschaft. - Widerspruch wäre noch an vielen Stellen des Artikels anzumelden. Die vorausgehenden Fußnoten haben den von ihm gebotenen wilden Mix von Wahrheit und Unwahrheit wohl aber schon genug beleuchtet. Es handelt sich bei dieser "Therapie" letztlich eben um ein politisch aufgeblasenes Lügengespinst.

[35]  Der Begriff Psychosomatik (Psyche–Seele, Soma-Körper) wurde früh von der Psychoanalyse in Anspruch genommen, wurde so einer ihrer Tarnbegriffe. Daß sie hilft, dafür gibt es nicht den Anflug eines Nachweises. Dies der Hauptgrund für den Widerstand gegen sie seit hundert Jahren.

[36] Die „Psychosomatik“ „erreicht“ diese Leute meist dadurch,  daß diese von den Medien, den Krankenkassen hingelobt, von Ärzten zur „Erholung“, „Rehabilitation“ etc. überwiesen werden, ohne daß sie von sich aus den Wunsch nach psychischer Hilfe, geschweige freudischer Indoktrination geäußert hätten.

[37]  Dies mit gutem Grund: Wurde sie doch (und wird vielfach immer noch) weithin als das angesehen, was sie war und ist: Pseudowissenschaft. Ihre so „sichergestellte“ Anwendung – eine „großartige Leistung?

[38]Evaluieren“ heißt „bewerten“, „beurteilen“.  Insofern hat Kächele recht. Wenn er aber mit dem Begriff ausdrücken will, die Erfolge seien ausgewiesen, ist das grob unwahr. Die Arbeiten, die bisher als Erfolgsnachweise Freud’scher Psychotherapie vorgelegt wurden, haben sich durchwegs als Bauernfängerei erwiesen. Daß „Psychosomatik hilft, wo Psychiatrie...“, ist wie der ganze weitere Absatz und die folgenden Absätze haltloses Gedöns. K. macht auch gar keine Anstalten zu zeigen, was das „qualifiziert psychotherapeutische“ Versorgungssystem wirklich leistet. Schon Anna O. (Fn24), die Starpatientin Breuers, die er (zusammen mit Freud) auf seine Behandlung hin als geheilt erklärte, in Wirklichkeit aber unmittelbar nach seiner Bhandlung in die psychiatrische Klinik Bellevue, Kreuzlingen, einwies, „bethonte“ laut Bericht der Klinik über ihren Aufenthalt dort vom 12.8. bis 20.10. 1882, „in abfälliger Weise die Unzulänglichkeiten der Wissenschaft gegenüber ihrem Leiden und betonte in bissiger Art die Zwecklosigkeit ihres Kuraufenthaltes hierselbst“, die vorausgegangene Breuer’sche „Talking Cure“, Auftakt zur Psychoanalyse, wohl einschließend (Zitat aus Hirschmüller A., Bern, 1978). Unrichtig sind letztlich auch Kächeles Angaben zur Zahl der Therapeuten (s. ,5.12)

[39] Keineswegs nur über die „Definition“ der „Psychosomatik“, sondern vor allem über ihren therapeutischen Wert fehlt Einigkeit. Dabei haben Freudianer ihre Gleichsetzung mit Psychotherapie weithin durchgesetzt. Gleichzeitig jonglieren sie mit diesen immer unscharfen, schillernden Begriffen, um dem Widerspruch ein klares Ziel möglichst zu entziehen. Daran redet Berger vorbei.

 [40]  Mit seinem Buch MEDIZIN OHNE MENSCHLICHKEIT leistete Mitscherlich gewiß einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen in der Medizin (Fn 32). Daß er in dem Buch und den folgenden Büchern noch mehr besagte Verbrechen benützte, die Psychoanalyse zu pushen, damit begann gleichzeitig die große Unredlichkeit, die sich ab ’68 neu über das Land, insbesondere seine Seelen-(heil)-kunde breitete. Von Baeyer blieb zu Mitscherlich auf wohl weislichem Abstand (RB 2/04, 3.2).

 

[41] Die Psychiatrie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) war in vor- wie nach-68er Jahren unter Leitung der Ordinarien K.P. Kisker und dem Chef der Poliklinik E. Wulff, einem „solidarischen Freund der Sowjetunion“, eine der roten Psycho-Kaderschmieden, „Sozialpsychiatrie“ dabei ihre immer wieder gezogene „Trumpfkarte“.

[42] Einst orthodoxe Marxisten hoher Hierarchie probieren es jetzt weil trendiger, neomarxistisch, anti-naturwissenschaftlich, antirationalistisch –  s. .2.9 wie auch Foucault .8.7.

[43] Am psychiatrischen Krankheitsverlauf hat sich durch sie nichts gebessert. Sie realisierte nur ein Stück Gesellschaftsänderung.

 

[44]   von einem Chirurgen, der seinerzeit auf jenem Flur tätig war und roten Terror in der DDR an Leib und Seele erlebte.

[45]  In RB 1/07,7.5 gingen wir auf die Experten ein, die die Gutachterstandards der Bundesärztekammer (!) zur Beurteilung von Psychotraumatisierungen bei Migranten verfaßten. Die bei google vordem von ihnen mit angegebenen, sämtlich linken, bis zur Rosa-Luxemburg-Stiftung reichenden Polit-Attribute löschten die Herrschaften danach prompt – ähnlich wie es nach den Aufdeckungen Kubys die BZgA machte - Fn 12).

[46] der Vortrag zur Gänze ausgedruckt in Münchner Ärztliche Anzeigen vom 27. Juni 1977.

[47] Wahlen zu den Ärztekammern gewannen in den Großstädten von den 70ern an weithin der VDÄÄ (RB 1/07,8.1). Und auf dem Land  wurden den Ärzten ein um das andere Mal Wahllisten vorgelegt, die sich in etwa unterschieden wie die Plädoyers von Kächele und Berger oder die Wahllisten der DDR. Die gesundheitspolitischen Einstellungen der Kandidaten wurden nie diskutiert. Auch im liberalen Kreis Starnberg, wo Ref. 35 Jahre nervenärztlich tätig war, war die Ärztevertretung nur als „Katze im Sack“ zu haben, nie anders. Die Positionen der Kandidaten wurden als "mainstreamig" vorausgesetzt und als selbstverständlich hingenommen.

[48] In der Enquete-Kommission, die diese Wandlung, die Erweiterung staatlicher Aktivität in der Psychiatrie, dringend empfahl, saßen in erdrückender Mehrheit Staatsdiener, Ordinarien, Chefärzte und ihre Mitarbeiter. Da man die Niedergelassenen, die damals immerhin 90% der einschlägig Kranken versorgten, irgendwie einbinden mußte, holte man als ihren Vertreter ins „Zentrale Redaktionsteam“ der Kommission ein Mitglied des Bundesvorstands der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Ärzte (ASÄ). Der BVDN nahm es hin, verschwieg es seinen Mitgliedern. Sein Zorn traf den Autor, als er die Sache 1974 ans Licht brachte (DÄ 23/ 74). Das Gros der Kollegen interessierte es aber gar nicht.

[49]  Dieser Rundbrief richtete sich Ende Dezember 2004 an die Mitglieder und steht nicht im Netz. Er brachte im Nachdruck aus dem Deutschen Ärzteblatt vom 5.11.04 eine „Würdigung“ von Baeyers aus der Feder des Sozialpsychiaters Dr. Kretz. Dieser versuchte unseren verstorbenen Ehrenpräsidenten, mit ihm die klassische „Heidelberger Schule“ zu einem neu-linken „Mitscherlichen“ Unternehmen umzuinterpretieren. Gegen solche Fälschung konnten wir damals in DÄ 51-52/04 noch eine Berichtigung zur Publikation bringen, auch sie dann im Rundbrief nachdrucken.

[50] Um sich (und ihren Administratoren) Institutsambulanzen zu erschleichen, schreckten unsere Kliniker vor plumpen Fehldeutungen nicht zurück. H. Dilling etwa behauptete an Hand vorgelegter Zahlen, Kliniken und frei praktizierende Nervenärzte – in der FAZ vom 10.01.74 nannte er sie „Prügelknaben“ –  hätten eine unterschiedliche Klientel. Dabei wiesen die Zahlen mehr oder minder ein und die gleiche Klientel aus. Kaum jemandem fiel es auf.

[51] Mit Dilling und Co. stützte die FAZ die Forderungen der Enquête, jegliche Möglichkeit zur Gegendarstellung abwürgend, hierin dem heutigen Deutschen Ärzteblatt ähnlich (.7.4).

[52]  Die ambulante psychiatrische Krankenversorgung ihrem Diktat zu unterstellen und die eher unabhängigen niedergelassenen Nervenärzte zu verdrängen, darauf waren Unionspolitiker nicht weniger scharf als andere. Zur Schaffung eines „neuen Menschen“, gefügigeren Untertanen braucht der Staat team-kontrollierte Psycho-Experten und Geld braucht er ohnedies. Das holt es sich gern auch von den Krankenversicherten.

[53] in ihrem umfassenden Werk DER WAHNSINN (ISBN 3-89996-452-7)

[54]  „Der konservative Abgeordnete David Tredinnick befürwortete eine homöopathische Behandlung der Maul- und Klauenseuche und der Gesundheitsminister Lord Hunt verwies in einer schriftlichen Antwort auf die Anfrage eines klinischen Wissenschaftlers auf ‚psychische Chirurgie’ als ‚Beruf’. Unter dem Einfluß des Gesundheitsministeriums änderten sonst gesunde Pharmakologen der ‚Medicines and Health Regulatory Authority’, die eigentlich der Sicherung der Wirksamkeit der Medizinen dienen soll, die Angaben zu homöopathischen und pflanzlichen Mitteln als zu 'traditionellem’ Gebrauch bestimmt, während sie überhaupt keinen Nachweis ihrer Wirksamkeit forderten... Die Faszination der Blairs für Pendel, Kristalle und anderen New-Age-Unsinn ist bekannt...“