Alternative Rede zur Akademischen Gesellschaft Gießen
(dort am 24.8.2013 nicht, an ihrer Stelle ein´anderer Text vorgetragen – s.u.)
(Anrede)
Einige persönliche Bemerkungen voraus, um mich ein wenig vorzustellen. Nach Abschluß meiner Weiterbildung zum Psychiater und Neurologen in Berlin und München – in Berlin war ich ab 1964 auch Hörer am dortigen Institut für Psychotherapie, dort auch in sog. Lehranalyse – war ich von 1970 bis 2004 als niedergelassener Nervenarzt in Starnberg tätig, dabei immer „berufspolitisch“ engagiert, in verschiedenen einschlägigen Gremien dazu Erfahrung sammelnd, meist gemischte. Tragend blieb eine Verbindung zu dem emeritierten Heidelberger Psychiatrie-Ordinarius Walter von Baeyer, mit dem zusammen ich 1977 eine heute nach ihm benannte Gesellschaft für Ethik der Psychiatrie, die GEP, gründete. In ihren meist zweimal jährlich erscheinenden Rundbriefen legten wir über die Jahre manch krumme Entwicklungen des Faches dar, von den Medien totgeschwiegen. Unsere GEP ist dennoch nicht ganz unbekannt geblieben. Von Prof. Dieckhöfer, unserem langjährigen 2. Vorsitzenden, und von mir wurden, wurden so just in einigen politisch brisanten Fällen immer wieder Gutachten angefordert. Wiederholt mußten wir da einigen der renommiertesten deutschen Psychiatrie-Koryphäen entgegen- und auf die Zehen treten, mitunter erfolgreich. Einer dieser Fälle war jetzt Gustl Mollath. Mein Gutachten vom April 2011 wurde vom Bayreuther Vollstreckungsrichter Kahler vom Tisch gewischt. Bei der Ihnen bekannten Kundgebung in Nürnberg Ende Juli kam die Rede darauf und zehn Tage danach Mollath nach siebeneinhalbjähriger Internierung frei. Die Verdienste anderer sind sicher größer, die Verdienste insbesondere von Mollaths Anwalt Dr. Strate und von Dr. Schlötterer, dem ersten, der sich durch die den Fall überwuchernden „psycho-justiziellen“ Behauptungen und Befunde kritisch durchgearbeitet hat. Meine Erfolgsbilanz blieb über die Jahrzehnte durchwachsen.
Ich möchte erst einmal, leicht verkürzt und der aktuellen Situation angepaßt, die Rede nochmals wiedergeben, die ich vor vier Wochen in Nürnberg hielt, da in ihr wie in einer Nußschale zusammengefaßt ist, was heute in dem Fach an akuten Mißständen und Gefahren ansteht.
(Die Nürnberger Rede kann im Original an obigen Stellen angeklickt, gehört, gelesen werden. Zum familienrechtlichen Schwerpunkt der Tagung überleitend, fuhr Weinberger in Gießen dann fort):
Im letzten Sommer konsultierte mich eine nette 34-jährig-junge Mutter, aus Hamburg stammend, ohne weitere Angehörige damals in Mainz lebend, von Beruf Tierärztin. Ihr wurden ihre beiden kleinen Kinder – eines trug sie bei der Untersuchung noch im Leib – weggenommen. Eine Fachkollegin von mir und auch ich selbst befanden sie als psychisch fit. Ihre Partnerschaft mit dem wesentlich jüngeren Kindsvater war in den Monaten zuvor zerbrochen. Bei Nachbarn hatte das unverheiratete Paar Argwohn erregt. Nach lautstarken Auseinandersetzungen kam es bald zur Trennung. Das Jugendamt wurde verständigt. Dort tätige Sozial-Pädagogen, Sozialarbeiter – manche von ihnen fühlen sich wohl als halbe, wenn nicht bessere Psychiater – rochen eine „psychische Störung“ und meldeten sie ans Familiengericht.[1] Dieses bestellte ein psychologisches Gutachten bei der „Gesellschaft für wissenschaftliche Gerichts- und Rechtspsychologie“. Die GWG -Sachverständigen, eine Psychologin und eine ebenso dieser Organisation verpflichtete Psychiaterin, diagnostizierten eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ (ICD-10: 60.31). Das Gericht entzog daraufhin der Frau die Kinder, erst den zweijährigen Sohn und gleich nach der Niederkunft die neugeborene Tochter. Trotz ICD-Zifferbelegung ist die Diagnose in der deutschen Psychiatrie immer noch umstritten (s. “Nürnberger Rede”). Sie stammt aus der Freudschen, vor allem Kernbergschen Begriffs- und Vorstellungskiste.[2] Fragwürdige, u.U. noch fehlerhaft herbeigebogene „Psycho-Diagnosen“ genügen heute anscheinend genügend Richterinnen und Richtern, lebenstüchtigen Eltern oder Elternteilen ihr Lebensglück, Kindern ihr Geborgensein zu rauben, ohne Ansehen des Grundgesetzes, das in Art. 6, Abs. 2 sagt: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“.
Gegen die gewaltsame Entziehung der eben neugeborenen Tochter setzte sich die Frau heftig zur Wehr. Der hinzugezogene Sozialpsychiatrische Dienst (SpDi), liebstes Kind der Reform-Psychiater und unserer Politiker, veranlaßte, daß die Frau gefesselt in die psychiatrische Klinik gebracht wurde. Das GWG-Papier nahm ich in einem Gegengutachten auseinander. Das damit angerufene Oberlandesgericht Koblenz wies die Beschwerde der Frau jedoch zurück. Sie hatte mich gebeten, zu dem Termin zu kommen. Vom Gericht geladen worden war ich nicht. So auf eigene Kosten nach Koblenz zu fahren – ich hatte zu Hause viel unerledigte Arbeit liegen – war ich wenig motiviert. Im Hinterkopf hatte ich, wie mein Gutachten zum Fall Mollath vom Bayreuther Vollstreckungsrichter vom Tisch gefegt worden war. Ich erfuhr von der Frau dann nur noch, daß das OLG Koblenz gegen sie entschied, die Kinder ihr genommen blieben. Ich habe den Fall im GEP-Rundbrief 2/12 dargelegt und trage ihn hier nochmals vor, weil er mich belastet und weil ich hoffe, mit Ihnen zusammen vielleicht zu einer Abstellung von Praktiken wie der beschriebenen zu kommen.
Besagte Frau nahm an der Gießener Tagung teil. So erfuhr Ref. von ihrem weiteren Ergehen und dem ihrer Kinder, ihrer Sache.
Am 20.9. letzten Jahres letzten Jahres fand in München eine Demonstration statt „gegen Kindesraub und die Zerstörung von Kindern und Familien durch Jugendämter, Familiengerichte, Gutachter“: Keine der Münchner Zeitungen berichtete darüber!
Auf das mediale Totschweigen der Münchner Eltern-Demonstration wie auf den Punkt ist näher noch einzugehen, daß die Medien bei aller umfänglichen Behandlung des Mollath-Skandals die mitverantwortliche Psychiatrie von jeder Kritik ausgenommen haben. Mollath sprach bei einem seinem ersten in Freiheit gegebenen Interview von „vielen Bürgern, die nicht nur mein Fall interessiert, sondern das ganze System der Psychiatrie“. Just dieses Interesse wird von den Medien seit vierzig Jahren ignoriert. Medien-Schelte gilt als absolut unzulässig. Sie ist hier aber unerläßlich. In den Medien kommen stets „obere“ Fachrepräsentanten à la Kröber, Pfäfflin, Saß zu Wort. Meine Rede auf dem Nürnberger Kornmarkt war seit Jahrzehnten die erste kritische Darstellung der psychiatrischen Realität vor einem allgemeinen Publikum. Sie wird, auf verschiedene Netzseiten gestellt, von vielen angeklickt, wurde es vielleicht gar von den Richtern, die Mollath dann freiließen. Die Medien, die SZ nicht zuletzt, gingen in ihren Berichten über die Nürnberger Kundgebung auch diesmal daran wortlos vorbei.
Verschiedene Autoren, meist Juristen, leuchteten in ihren Blogs die komplexe Affäre Mollath weiter aus. Die psychiatrischen Aspekte ließen auch sie außen vor. Auf Opablog vom 13.8. 2013 hieß es in einer epikritischen Übersicht über diese Publizistik: ‚Die verschiedenen Aspekte (des Skandals) wurden durchaus nicht in gleicher Qualität bearbeitet. Der Justizskandal stand im Vordergrund….“, zur Zwangspsychiatrie dann aber: „Vielleicht hat es auch einfach an blogaffinen, schreibfreudigen Psychiatriefachleuten gefehlt’“. Selbst aber überging der Opablog-Autor die psychiatrische Thematik konstant. Verzeichnend auch die (insgesamt erhellenden) Ausführungen der OSTAin a.D. G. Wolff, die im 9. Abschnitt ihres juristisch gewichteten Blogs die Qualität psychiatrischer Gutachten von klangvollen Titeln etc. ableitete – als bewiesen die Herren Kröber, Pfäfflin & Co. nicht das Gegenteil.
Erfreulicherweise kam am 15.8.2013 in der ARD-Runde bei Beckmann die Psychiaterin Dr. Ziegert zu Wort. Den wirklichen Ursachen der Gutachtermalaise näherkommend, führte sie aus, daß die Richter bei der Auswahl psychiatrischer Gutachter vielfach solche wählten, deren Schlußfolgerungen ihrer Linie entsprächen, so wie viele dieser Gutachter, von den richterlichen Aufträgen abhängig, sich nach deren Erwartungen richteten. Daß es, wie sie sagte, nur „eine Handvoll“ Gutachter gäbe, ist unrichtig. Das Problem scheint eher zu sein, daß Richter auch qualitativ untadelige, ihrer Linie nur widersprechende Gutachten, wie bei Mollath geschehen, einfach wegwischen können. Daß Dr. Ziegert, die mir bisher unbekannt war, gleichzeitig die Wirkung von Psychopharmacis realistisch darstellte, verdient Anerkennung. Auch Herr Mollath akzeptierte das. Aus der Masse nervenärztlicher Indolenz, Feigheit, allein am Geldverdienen Interessiertseins treten doch immer wieder einzelne Kolleginnen und Kollegen mit einem Ansatz von Mut zur Wahrheit hervor. Freilich, Kritik an ihrem Fach selbst äußerte auch Ziegert nicht. Sie hinterfragte die richterliche Auswahl von Gutachtern, das eigene Fach jedoch nur insoweit, als sie auf die Frage, ob sie sich selbst begutachten lassen würde, antwortete: „Eher nicht“.
Die psychiatrische Fachgesellschaft DGPPN schwieg zum Fall Mollath lange ausgiebig. Am 26.7.2013 klagte ihr jetziger Vorsitzender Prof. Mayer, Bonn, in einer Presseerklärung (Fettdruck FW): „Berichte über angezweifelte Gutachten und seltene Zwischenfälle“ bestimmten „zu Unrecht das Bild (der Psychiatrie) in der Öffentlichkeit“. Die Berichterstattung über den Fall Mollath „unterstellt der forensischen Psychiatrie, daß diese ein rechtloser Raum sei“. Just das sagte Mollath in einem ersten Interview in Freiheit. Auch Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie stünden, wie schrecklich, schrecklich, „aktuell vermehrt in der Kritik“. „Dabei setzt sich die DGPPN schon seit vielen Jahren … auf eine qualitativ hochwertige, zertifizierte Fortbildung“. Die Herren Kröber und Leipziger boten sie jetzt für teures Geld unter dem Titel an: „Unser Gustl…“. Die DGPPN habe „maßgeblich zur Qualitätsverbesserung forensisch-psychiatrischer Expertisen“ beigetragen, wie man an besagten Herren sieht – auch Prof. Saß einer, den ich wegen eines plumpen Gefälligkeitsgutachtens schon in einem unserer GEP-Rundbriefen vorgeführt habe. –Abgehoben auch die Aussagen Prof. Falkais, des Münchner Psychiatrie-Ordinarius und DGPPN-Vorgängerpräsidenten, in einem Interview mit der SÜDWEST-PRESSE vom 13.8.2013.
Genau so öd und aufgeblasen tönten die „MitarbeiterInnen“ der Bayreuther Forensik, Mollaths Wärter vor Ort. Die öffentliche Diskussion, schreiben sie in einem offenen Brief vom 11.7.13 , sei „negativ gefärbt“. Sie selbst mühten sich „engagiert und mit Idealismus“, Menschen „auf ihrem Weg zur psychischen Gesundung / Stabiliserung zu unterstützen.“ Sie arbeiteten „nach wissenschaftlich fundierten, psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlungsstandards“, nach den „Leitlinien psychiatrischer Dachverbände in multidisziplinären Teams mit qualifizierten MitarbeiterInnen“ usf. Überall diese armseligen, abgegriffenen, verlogenen Sprüche. In FOCUS vom 18.8. äußerte sich ähnlich auch der Chef dieser Leute, wenn nicht ihr Einflüsterer, Dr. Leipziger selbst.
Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes Christoph Frank wieder fand die Kritik der Öffentlichkeit an den jahrelangen Verschleppungen des Verfahrens „überzogen“, die „Einflußnahmen“, zu denen diese die bayerische Justizministerin schließlich bewog, „sehr bedenklich“, „die rote Linie – überschritten“. Bedenklich erscheint vielen in dem Fall eher Merks lange Unberührbarkeit. Auf allen „etablierten“ Ebenen warfen sich im Fall Involvierten gegen ihre Kritiker selbstgerecht in die Brust, außer Frau Dr. Merk selbst, die CSU, der Vorsitzende des Landtags-Rechtsausschusses Schindler von der SPD nicht weniger. Schlicht skandalös aber war und ist die mediale Bewahrung des psychiatrischen Gebiets vor jeder kritischen Durchleuchtung.
Gewiß kam den Medien zustatten, daß das „Lager“ der Psycho-Kritiker vielfach gespalten ist, hier u.a. auch solche wirken, die ihre Kritik mit verwegenen Thesen verbinden und sie so eher kompromittieren. Mitunter fallen sie aus unerklärten Gründen plötzlich gar in feindliche Töne gegen ihre Mitstreiter. Erfreulich, daß alle internen Konflikte den Einsatz für Mollath nicht aus der Spur brachten. Konflikte gibt’s in allen Gruppierungen, mitunter gar von außen geschürte. Immer wieder höre ich von Mitgliedern unserer GEP, sie seien von politischer, etwa schwarzer Seite, von roter gewiß nicht weniger, vor einer Verbindung mit uns gewarnt worden. Daß sich auch bei vordem Hilfesuchenden Freundlichkeit mitunter ins Gegenteil kehrt, wenn sie meinen, von uns nicht genügend Hilfe bekommen zu haben, auch das kommt vor. Natürlich ist an unserer GEP viel zu bemängeln. Über vier Jahrzehnte waren wir jedoch die einzige Gruppierung im Land, die Psychiatriemißbräuchen, wo immer wir von ihnen erfuhren, entgegentrat, dieser laut Mollath „perfidesten Klinge“ wehrte, über die manch Unliebsame in unserer „schönen neuen Welt“ zu springen haben
In psychiatrischen Fachjournalen sind Fragen des Psychiatriemißbrauchs seit Jahrzehnten tabu. Wer sie anschneidet, ist der Ausgrenzung bereits verfallen. Die allgemeinen Medien stoßen ins gleiche Horn. Mein Gutachten zu Mollath, das diesem nun mit zur Freiheit verhalf, nannte Frau Lakotta auf SPIEGEL-online „indiskutabel“. DIE ZEIT versuchte konstant Mollath zum Irren zu stempeln, titelte in Nr. 51/12 etwa: „Ein Kranker wird Held“.[3] Am übelsten ist mir eine Begegnung mit dem Wissenschaftsredakteur der FAZ Dr. Flöhl in Erinnerung. 1974 konnte ich vor dem Deutschen Ärztetag zur damals anstehenden Psychiatrie-Reform, sprechen, Mollaths „Psychiatrie-System“. Im Anschluß an die Reden im Plenum trafen sich die dort zu Wort gekommenen Fach-Referenten im kleineren Kreis. Unter ihnen saß merkwürdigerweise auch Flöhl. Vom Gros der Ordinarien unterstützt, hob er an, mich, den Außenseiter, aber immer noch offiziell geladenen Fachreferenten, abzukanzeln. Über die Reform seien sich, belehrte er mich, „alle“ einig. „Und da kommen Sie daher und wollen alles umwerfen“. Solche Unverschämtheit nahmen sich Leute heraus, die doch über die Meinungen der Referenten reportieren sollten. Über die Reform gemäß der Enquête war sich damals tatsächlich „alles“ mitsamt der Medien einig, als hätten sie alle „von oben“ den gleichen Marschbefehl mitbekommen. Diese psychiatrische „crème de la crème“ (Zitat Merk) war sich über die Enquête, d.h. die obrigkeitliche Ausrichtung des Fachs so einig, wie sie sich weit über die Herren Leipziger, Kröber, Pfäffin hinaus über Mollath einig war. So blieben jetzt auch über seinem Fall die Strukturen der Psychiatrie ssamt der Geschichte ihres Mißbrauchs in den Medien von jeder Diskussion ausgenommen und ihre Kritiker weiter in den Orkus der Unberührbarkeit, Unerwähnbarkeit verbannt. Daß es, wie ich in Nürnberg ausführte, in der Psychiatrie, den Psycho-Fächern insgesamt (?) seit langem keine freie Diskussion gibt, auch das war den Medien keine Erwähnung wert. Daß die Diskussion unter dem Daumen der Ordinarien[4] und Chefärzte, dem Daumen von Staatsfunktionären, steht, erklärt die zitierten öden Sprechblasen und ist ein weiterer Grund, daß es zu Skandalen wie dem Mollathschen und anderen kam.
Bezüglich des „seelenheilkundlichen“ Betriebs fungierten die allgemeinen wie die ärztlichen Medien als reine „Hofberichterstattungspresse“. Wenn sich die “alternative” TAZ vom 16.8.2013 im Anschluß an die erwähnten Aussagen von Dr. Ziegert bei Beckmann jetzt über das „katastrophale Gutachtersystem an deutschen Gerichten“ empört, muß man fragen, warum ihr diese und ähnliche Verhältnisse in anderen Bereichen des Faches nicht früher aufgefallen sind. Wir haben sie seit rund 40 Jahren in unseren Rundbriefen ausgebreitet. Ähnlich wie es die TAZ jetzt Herrn Dr. Schlötterer, dem ersten Aufklärer des Mollath-Falles, anhängt, schrieben die Medien und andere unsere Aufklärungsarbeit bestenfalls unserem Selbstprofilierungsbedürfnis zu. Die einzige Zeitung, die mich bis heute um ein Interview anging, war ausgerechnet das schon erwähnte alte FDJ-Blatt junge Welt, diese freilich auch erst in jngerer Zeit.
Einzige Abhilfe gegen die Verzeichnungen der System-Medien bietet bis auf Weiteres das Internet, das es uns in der GEP ermöglicht, zumindest ein Stück wahrheitsgemäßer Publizistik zu betreiben und damit auch in benachbarte Gebiete hineinzuwirken. Daß wir hier zu dieser Tagung zusammengekommen sind, dient gewiß auch unlizenzierter Verständigung. Wenn wir es im Psycho-Bereich mit einem „System“ zu tun haben, das teilweise totalitäre, wenn nicht kriminelle Züge trägt, dann müssen wir uns auch nicht wundern, wenn wir bei vielen, unterschiedlichen Instanzen abblitzen, totgeschwiegen oder offen oder heimlich angefeindet werden.[5] Das System verfügt nun einmal über die Mittel, Oppositionelle auszuschalten, die Unterbringung in der Psychiatrie das schärfste, die Ausgrenzung, u.a. Anheftung psychischer Fragwürdigkeit, im Stasi-Jargon die „Zersetzung“, aber auch nicht viel besser.
Dabei ist das System wohl nicht zur Gänze korrupt. Immer noch kommt bei manchen Gerichten auch heute vernünftige gutachterliche Argumentation an. Nachdem ich aber schon starke Worte gebrauche, sage ich gleich dazu, daß sich diese Zustände wohl nicht auf unser Land beschränken, sie offensichtlich von hoher internationaler Ebene ausgehen. Die Psychiatrie wird von einigen Leuten eines Weltverbands für Psychiatrie bestimmt. Schon seinem ersten Präsidenten hängen schwerste Menschenrechtsvergehen an. Geschwollene Redensarten voller Unwahrhaftigkeit habe ich von Psycho-Weltkongressen noch im Ohr.
Es gibt trotz allem auch ermutigende Zeichen, etwa wenn sich gegen alle Selbstgerechtigkeit, Scheinheiligkeit und Anmaßung auf hohen Ebenen von Politik, Wissenschaft, Justiz und Medien ein Star-Anwalt wie Dr. Strate kostenlos für Mollath einsetzt. Er wies in der erwähnten Sendung bei Beckmann auch auf die jetzt drohende Gefahr, daß nämlich das Wiederaufnahmeverfahren und damit die Rehabilitierung Mollaths noch an Formalitäten scheitern könnte. § 359 StPO gestatte ein Wiederaufnahmeverfahren bei einem „Verurteilten“. Ob es einem Freigesprochenen wie Mollath offen steht, muß nich weisen. Sein Fall hat tiefgreifende Mängel im Rechtssystem, genauer im „psycho-justiziellen System“ unseres Landes offenbart und birgt möglicherweise noch weitere ungute Überraschungen.
Und natürlich halte ich so wenig wie alle Psychiater, alle Richter auch nicht alle Medien und nicht alle Journalisten für korrupt. Vielen geht’s halt, wie Hans Well und seine Restgruppe von der Biermösl Blosn in Nürnberg so schön sangen, „ums Rechthaben, um Gerechtigkeit geht’s ihnen nicht“.
Noch etwas möchte ich hier ansprechen, den banalen, ja „alltäglichen“ Psychiatriemißbrauch. Die „Psychiatrisierung“ ist die einfachste und damit häufigste Art und Weise, wie sich der Staat Unliebsamer, u.a. seiner sonst unkündbaren Beamten entledigen kann. Just deshalb scheint ein bißchen Psychiatriemißbrauch vom „Establishment“ gern gedeckt zu werden. Viele seiner Opfer nehmen es stillschweigend hin, wenn ihnen der Amtsarzt ein psychiatrisches Etikett aufdrückt und sie damit dem Streß des Berufslebens entzieht. Bedenken Sie, was heute viele unserer Lehrer an unseren multikulturellen Schulen auszuhalten haben. Um den Preis solcher Psychiatrisierung können sie sich in die vorzeitige Pensionierung absetzen. Manche aber nehmen doch die Entwürdigung und auch die materiellen Einbußen, die damit verbunden sind, nicht hin. Sie setzen sich gegen sie mit gar allen Fasern ihres Wesens und mit gutem Grund zur Wehr. Auch ihnen haben wir beizusehen. Daß der Psychiatriemißbrauch weithin akzeptiert, ja als selbstverständlicher Teil des soziales Getriebes genommen wird, ist wohl auch der Grund, daß die Medien über Jahrzehnte darüber hinweggehen. Es geht dabei aber um nicht weniger als die Redlichkeit unseres gesamten Staatswesens.
[1] DIE WELT von 2.6.2008 Warum bayerische Richter immer wieder dieselben Gutachter bestellen
[2] Erfunden wurde die „Störung“ vom US-Psychoanalytiker A. Stern, der einen (nie belegten) Grenzbereich zwischen (erlebnisreaktiven) Neurosen und (konstitutionell verankerten) Psychosen annahm, ausgewalzt dann vom US-Analytiker Kernberg, die Gelehrten so umstrittenen wie ihr Konzept und ihr Begriff. Gleichwohl wurde letzterer ins amerikanische DSM aufgenommen und von dort trotz nachhaltiger Bedenken in die Entwürfe zur ICD-10. Die deutschen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) haben bis heute dazu keine expliziten Kriterien, keine „klinisch-diagnostischen Leitlinien“ entwickelt.
[3] In einem zweieinhalb-seitigen Interview mit Dr. Strate stürzte sich DIE ZEIT vom 22.8.2013 gar auf den „Unterstützerkreis“. So sehr wir und andere von dem, was sich „Unterstützerkreis“ nennt, auf Distanz gegangen sind, brachten die Unterstützer alle zusammen doch die Kampagne für Mollaths in Gang und bewirkten mit seine Freilassung. Niemand kennen wir, der „Journalisten bedrohte und beschimpfte.“ Wenn sich DIE ZEIT entrüstet, „gegen die Gerichtsreporterin des Spiegels“ (Lakotta) fände „in Internet eine regelrechte Rufmordkampagne statt“, fragen wir zurück: War hat da über die Zeit hinweg haltlos Rufmord betrieben?
[4] Auch in der Fachgesellschaft rissen sich die Ordinarien die Macht unter den Nagel. Vordem wechselte hier der Vorsitz zweijährlich zwischen Vertretern der Universität, der Fachkrankenhäuser und der niedergelassenen Nervenärzte. Diese ließen sich’s gefallen
[5] Ich etwa hatte hinzunehmen, daß mein Gutachten zu Mollath vom seinerzeitigen Vollstreckungsrichter Kahler als „Parodie“ und von Frau Laskotta in Spiegel-online als „indiskutabel“ bezeichnet wurde, das Gutachten,, das die Kampagne für Mollath in Gang und ihm schließlich die Freiheit brachte.