Brief an Prof. Dieckhöfer, Rechtsgelehrte, Zeitungsredakteure u.a.

Herrn Prof. Dr.Dr. K. Dieckhöfer, Bonn

nachrichtlich: Herrn Prof. Dr. jur. H. E. Müller, Regensburg, RAe R. Schmid, Nagold, Dr. jur. h.v. G. Strate, Hamburg, Mollaths Unterstützerkreis, GEP-Vorstand sowie  O. Przybilla, SZ und M. Kasperowitsch, NN

Garmisch-Partenkirchen, den 26.11.2012

Lieber Herr Dieckhöfer,

 so erfreulich in den Medien Aufmerksamkeit für den Fall Mollath aufgekommen ist, erstaunt doch, wie eingeschränkt diese andererseits blieb. Was die Justiz betrifft, wird das Landgericht Nürn­berg-Fürth hinterfragt, nicht die entsprechenden Institute in Bayreuth oder Regensburg, kaum das OLG Bamberg, die kaum weniger in den Fall involviert sind. Höchst einseitig und weithin ab­deckend werden die Gutachten und der Umgang von Gerichten und Politik mit ihnen behandelt. Dabei spielen sie in der Tragödie Mollath teilweise gar die schlimmere Rolle, weisen sie andererseits aber auch den Ausweg. Mein auf eigener Unter­suchung fußendes Gut­ach­ten vom April 2011 ist jedenfalls das jüngste, aktuellste, das Mollath als gesund und nicht-ge­mein­ge­fährlich befand und wie das Simmerlsche Gutachten von 2007 ihn in Freiheit zu entlassen „for­dert“.

 Bei der Anhörung im Rechtsausschuß des Bayerischen Landtages am 3.3.2012 sagte die Ju­stizministerin von ihm:  „Den Gerichtsgutachten wird immer wieder das… Pri­vat­gut­achten von Dr. Weinberger vom 29.4.2011 entgegengehalten. Es wird be­haup­tet, das Gut­ach­ten sei bisher nicht gewürdigt worden. Auch das ist falsch! Das LG Bayreuth machte am 9.5.2011 das Privatgutachten von Dr. Weinberger ausdrücklich zum Gegenstand der An­hörung des Gerichtssachverständigen Prof. Pfäfflin.

 Dieser machte es beim Prüftermin am 9.5.2011 gewiß kräftig herunter. „Es handelt sich“, sagte er, „bei diesem Gutachten nicht wirklich um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der vielen Arbeit, die ich mir gemacht habe. Ich würde es als eher als satirische Parodie eines Gutachtens bezeich­nen.“ Nachhelfend legte, wie ich hörte, der amtierende Bayreuther Richter Kahler dem „Ge­richts­sach­verständigen“ das pejorisierende Wort „satirisch“ noch in den Mund. Der da­mali­ge, in­zwi­schen entpflichtete Verteidiger Mollaths ließ es durchgehen. Sie, Prof. Dieck­höfer, charak­terisierten das Ergebnis der „vielen Arbeit“ Pfäfflins als „hilfloses Wortge­plän­kel“, das „bis­he­riges wissenschaftliches Denken in der Psychiatrie offensichtlich bewußt auf den Kopf stellt.

 Bezeichnend aber die Argumentation von Dr. Merk. Daß meine Expertise, die die des „Gerichtssachverständigen“ in tausend Stücke zerriß, vom Richter just diesem und keinem anderen zur „Würdigung“ überlassen wurde, war skandalös genug. Nach  Entscheidungen des BGH war das Vorgehen wie anderes im Prozeß gegen Mollath grob rechtswidrig. Daß aber nicht nur die Justizministerin von der CSU, sondern auch der Rechtsausschußvorsitzende Schind­­ler von der SPD dieses Vorgehen billigten, ist schwer mehr zu überbieten.

 Die Medien haben sich für psychiatrische Details selten interessiert – vgl. meinen dieser Tage ausgelaufenen Brief an die Süddeutsche Zeitung, die sich jetzt so erfreulich für Mollath einsetzt. Fraglich, ob von dort Antwort kommt. Seit 35 Jahren weisen wir in den Rundbriefen der GEP ja vergeblich auf absurde Mißstände im Fach hin. Zum Glück schalten sich – ein Hoffnungsstrahl – viele Bürger, auch Rechtskun­dige aus eigenem Antrieb jetzt in die Sache ein. Vielleicht ist Mollath und uns mit ihm über seinen Fall hinaus damit doch noch Erfolg beschieden.

 Herzlich grüßt  Ihr  Weinberger

P.S.  27.11.2012:   Heute gab der bayerische Regierungschef Seehofer kund, die Justiz sei „gut beraten“, den Fall Mollath „noch einmal neu zu bewerten“. Der Druck der Öffentlichkeit war offensichtlich doch zu stark geworden. Um die rotzige Mißachtung jüngster (unserer) Gutachten und Stellungnahmen durch die Justiz und sein Justizministerium zu überspielen – Mollath hat sie mindestens anderthalb Jahre weiterer Freiheitsberaubung gekostet -, werde, verlautete weiter, die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth „anregen, daß man ein weiteres Gutachten einholt“. Man versucht damit natürlich, vor allem die Kritik auszustechen, zu überspielen, die der Gutachter Dr. Weinberger erst im vergangenen Jahr im Fall Mollath, weit aber auch über ihn hinaus an jüngeren Entwicklungen der Psychiatrie über Jahrzehnte vorgetragen hat – auf daß ihre Mißbräuche zur Disziplinierung Mißliebiger größeren und kleineren Potentaten auch zukünftig nicht zu schwer von der Hand gehen.

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