Anmerkungen zum Gabriele-Wolff-Blog

Bei all den erhellenden Ausführungen im Gabriele-Wolff-Blog zu den Fällen Mollath, Schmen­ger u.ä. fiel im 9. Abschnitt in Bezug auf Äußerungen einiger ungut mit­spie­lender Doktoren (Lippert, Holzmann) u.a. der Passus auf: „Aus­nah­men bestätigen die Regel: Pro­fessoren an Universitätskliniken spielen regelmäßig in einer an­deren Liga, selbst in Bayern.“ Rühmend stellt Frau Wolff heraus, daß Prof. Nedopil, München, kürzlich Herrn Schmenger korrekt begutachtete. Ihre  Bemerkung verwundert uns ein wenig. Wurden die Professoren Kröber und Pfäfflin, reine Oberliga-Spieler, die Mollath übel mitspielten, ersterer wie Wolff selbst ein helles „Nordlicht“,  aus tiefstem Bayern heraus von einem  einfachen, frei praktizierenden Nervenarzt doch glatt an die Wand gespielt

Ich erinnerte Frau Gordon-Wolff weiter: „Hätte ich im April 2011 nicht kurz nach Pfäfflin Mollath nochmals nachbegutachtet, korrekt begutachtet – wo hät­te sich ein anderer Psychiater gefunden, den „Kory­phä­en“ Paroli zu bieten? -, wür­­de kein Hahn mehr nach Mollath krähen, hätte der ganze Unter­stüt­­zerkreis einpacken müssen, könnte sich Frau Dr. Merk weiter auf ihre „crème de la crème“ stüt­zen, hätten weder Dr. Strate – wun­derbar sein Wie­deraufnah­me­­gesuch jetzt -, noch Frau Wolff selbst von dem Fall Mol­lath ein Ster­benswört­chen erfahren. Nichts hätten sie zu Gustl Mollath bis heute schreiben können.

Merkwürdig, daß bei den vielen Veröffentlichungen, die jetzt zu seinem Fall er­schei­nen, die psychiatrie-internen Verhältnisse, aus denen die Mißbräuche des Fachs resultieren, kaum hinterfragt wurden, sie darum immer wieder verzeichnet werden können. Eine Ausnahme stellt der auf dieser Website anklickbare Artikel des Garmisch-Partenkirchner Tagblatts dar.

Daß Prof. Ne­do­pil im Fall Schmenger richtig gutachtete, ist gewiß anzuerkennen. Ande­res wäre ihm bei der hier heute wachen Öffentlichkeit auch kaum mög­lich gewesen.

Dr. F. Weinberger,  25.2.2013

P.S. 22.6.2013

In  ihrem jüngsten Blog-Eintrag vom 20.6.2013  schrieb Gabriele Wolff:

… Aber man kann ihn gar nicht oft genug einstellen – denn ein Versäumnis der Verteidigung scheint mir zu sein, ein solches methodenkritisches Gutachten der Gutachten von Leipziger, Kröber und Pfäfflin nicht beantragt zu haben. Das Ergebnis wäre vernichtend – wenn sich denn ein Kollege finden würde, der den seltenen Fall einer Krähe darstellte, der einer Krähe ein Auge aushackt. Und daher kann ich diese Zurückhaltung auch nachvollziehen.

Daß die bayerische Justiz ein entsprechendes Gutachten eines Psychiatrie-Professors, der eine Vorstandsfunktion in einer Gesellschaft für Psychiatrie und Ethik einnimmt, beiseite wischt – genauso erging es ja Dr. Friedrich Weinberger, dem Vorsitzenden -, ist doch klar. Ethik ist nicht, Sicherheit geht vor.

Und HUMANITÄRES WELTBILD? Selbst wenn man es in Großbuchstaben vor­führt: es geht um Deutungshoheit, Fehlervertuschung, paternalistisches bis autoritäres Gehabe und um Macht­ausübung. Die Forensiken mögen diejenigen Patienten als geheilt vorweisen, die nach jah­relanger Gabe von schwerst nebenwirkungsreichen Neuroleptika als lebensunfähige und traumatisierte Wracks in betreuten Wohn­situa­tionen dahinvegetieren. Weil sie nunmehr keine Straftaten mehr begehen können. Und darauf kommt es ja an.  Mit Ethik hat das nichts zu tun…“

Und ein Jochen Schneider (who is who?) schrieb als Kommentar dazu:

„Weinberger und Dieckhöfer stehen nun einmal für einen Außenseiter-Verein, in dem sich ein paar Leute zusammengefunden haben, denen die ganze Rich­tung nicht passt. Ihre Ansichten und Äußerungen sollte man deshalb nicht gleich “wegwischen”, klar, aber auf der Grundlage der “h.M.” sind sie eben auch nicht so besonders aussagekräftig.“

Gewiß sind wir in der GEP „Außen­seiter“ in der Psychiatrie. Mainstream sind hier die Doktoren, Professoren Leip­­ziger, Kröber, Pfäfflin wie auch der von Wolff jetzt angeführte Aachener Emeritus Prof. Saß, solche, denen gewiß „die ganze Richtung paßt„, die Richtung, die dem Fach mit der Psychiatrie-Reform von 1975 politisch aufgedrückt wurde. Von diesen neuen, politi­schen, mißbrauchsnahen Inhalten abgesehen, vertreten gerade wir unverfälschte Psychiatrie. Just „methodenkritisch“ hat Prof. Dieckhöfer auch die Gutachten Ersterer abgeklopft. In der ZEIT aber äußerte sich auch Saß jetzt zum Fall Mollath. Es gebe Er­kran­kun­gen, fand er, „bei denen Menschen sehr besonnen auftreten und trotzdem wahnhaft sind,“  bei denen ihre Geschichte stimme, „doch die darauf aufbauenden Gedanken können trotzdem krankhaft, rea­litätsfern und überzogen sein.“  Aus hohler Hand brachte der Emeritus Mollath so erneut in den Geruch möglicher, wenn nicht wahr­scheinlicher Krankheit. Wolff verteidigt, verharmlost ihn. DIE ZEIT sei’s gewesen, die „eine Überschrift samt Untertitel ersann, denen der Interviewtext wider­sprach“.

Wolffs zufolge spielen Psycho-Ordinarien ja „regelmäßig in einer anderen Liga“ als Nervenärzte, schlichte Doktoren, Professoren. Zum ersten Mal kam unsereins bei ihr und ihr Verbudenen jetzt überhaupt vor.  Solche wie wir waren es aber, die gegen die „crème de la crème“ des Fachs nicht nur im Fall Mollath die psychischen Realitäten der Betroffenen korrekt aufzeigten, damit bei hier tätig gewordenen Gerichten zwar durchfielen, in anderen Fällen bei anderen Gerichten aber auch „aussagekräftig“ obsiegten.

Es ist ein absonderlicher Eiswind, der Gegnern des Psychiatriemißbrauchs nicht nur von dem ge­samten Establishment, der ge­samten Psychiatrie und weithin der Justiz, sondern leider selbst von großen Teilen der Unterstützer-Szene Mollaths, Mitläufern genug auch unter ihnen,  seit langem ent­gegenweht und die Betreiber der Fehlpraktiken antreibt.  Fraglos hat Frau Wolff – das gehe nicht unter – in Mollaths Sache auch vieles gut und richtig dargestellt.

4 Gedanken zu „Anmerkungen zum Gabriele-Wolff-Blog

  1. antifassade

    Ich bringe Kritik an der Psychiatrie schon an, wenn ich denke, dass es hingehört.

    Mal sehen ob die Süddeutsche folgenden Post von heute abend freischaltet:

    „Zitat:
    „Gustl Mollath im Laufe des gegen ihn gerichteten Verfahrens gelegentlich Verhaltensweisen an den Tag gelegt hat, die, laienhaft

    ausgedrückt, schon den Verdacht aufkommen lassen konnten, dass bei ihm die eine oder andere Schraube locker sei.“

    Das sehe ich nicht so.

    Mag sein, dass er sich manchmal nicht wirklich zweckmäßig verhalten hat. Aber deswegen jemandem verdächtigen, dass er eine

    Schraube locker hat, ist mit Verlaub etwas leichtfertig.

    Wenn man diese Maßstäbe überall anwenden wollte, dann bleibt wohl kaum jemand übrig, der keine Schraube locker hat: Raucher,

    Politiker, Juristen, Psychologen, Psychiater und Leute die zu letzteren hingehen, Zocker-Banker, Rentenversicherer, Nicht-

    Sport-Treiber, Estremsportler, alle körperlich gesunden Frauen mit Brustimplantaten, Porschefahrer …

    Wie heißt es doch so treffend in den WHO-ICD-10 Kapitel F – Forschungskriterien:

    „F60 Spezifische Persönlichkeitsstörungen

    G1. Die charakteristischen und dauerhaften inneren Erfahrungs- und Verhaltensmuster der Betroffenen weichen insgesamt deutlich

    von kulturell erwarteten und akzeptierten Vorgaben („Normen“) ab.“

    Quelle:
    Internationale Klassifikation psychischer Störungen : ICD-10, Kapitel V (F) ; Forschungskriterien / Weltgesundheitsorganisation.

    Hrsg. von H. Dilling …, Seite 151.
    http://d-nb.info/941723364

    Folgerichtig findet sich Homosexualität als psychische Störung in den Psychiatriewerken.

    Das ist eben keine Wissenschaft, sondern soziale Kontrolle bzw. – wie es ein anderer Poster schrieb – Inquisition – die

    Verfolgung von Minderheiten.

    Ich nenne es schlicht Rechtsextremismus im Mantel der Wissenschaft.“

    Hier muss ich ergänzend sagen: Nicht die Psychiatrie in ihrer Gesamtheit, sondern diese Form von Psychiatrie ist gemeint, diese als Machtinstrument fungierende Psychiatrie.

    Allerdings frage ich mich, ob die ICD Kapitel psychische Störungen tatsächlich nur eine Minderheitenmeinung darstellen oder nicht viel mehr diejenigen in der Minderheit sind, die eine seriöse Psychiatrie haben wollen, bei der beispielsweise ein Stimmenhörer keine Angst haben muss, weggesperrt zu werden, sobald er Hilfe sucht.

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  2. A Freund

    Herzlichen Dank auch für diesen Artikel. Ich schätze mich glücklich, Ihre Artikel vorzufinden.

    Ich möchte Sie in einem Punkt beruhigen : nachdem ich schon aus der Gefühls-Erinnerung heraus keinen Ansatz dazu hatte anzunehmen, Frau Wolff hätte Herrn Saß verteidigt, hat sich dieser Eindruck nach nochmaliger Recherche abermals bestätigt.

    Ihr Vorhalt :

    „Wolff verteidigt ihn. DIE ZEIT sei’s gewesen, die „eine Überschrift samt Untertitel ersann, denen der Interviewtext wider­sprach“.

    Die Zeit hatte für das Saß-Interview

    http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-06/psychiatrie-mollath-krankheit-unterbringung-interview-henning-sass/komplettansicht

    tatsächlich einen Titel bzw. Subtitel gewählt, der im Widerspruch zum Inhalt steht dahingehend, daß explizit im Subtitel „Der Fall Mollath beweist (!!! Anm.), psychisch Kranke können die Wahrheit sagen“ ein Umstand als bewiesen dargestellt wird, den

    1. sowohl Herr Saß aus dem Fall Mollath nicht ziehen kann, da er selbst angibt, Herrn Mollath nicht untersucht zu haben und

    2. die Zeit nicht ziehen darf, da dies der Artikel nicht nur nicht belegt, sondern widerlegt. Eine allgemeine Möglichkeit steht in keinem belegbaren Zusammenhang zu Herrn Mollath. Daraus auch noch einen „Beweis“ zu konstruieren ist ein Skandal.

    Es handelt sich also sowohl um eine falsche und bedauerlicherweise auch noch eindeutig tendenziöse Schlußfolgerung und Titel-Gebung der ZEIT (!), die Frau Wolff beanstandet – da diese Schlußfolgerung aus dem Inhalt des Interviews nicht hervorgeht – und nicht (!) um eine Verteidigung des Herrn Saß.

    Zitat Wolff: „Die ZEIT … eine Überschrift nebst Untertitel ersann, denen der Interviewtext widersprach“.

    http://gabrielewolff.wordpress.com/2013/06/20/der-fall-mollath-eine-hangepartie-ii/comment-page-1/#comments

    Frau Wolff hat sich auch noch später gleichsinnig-kritisch zur Position von Herrn Saß geäußert :

    http://gabrielewolff.wordpress.com/2013/07/06/der-fall-mollath-das-endspiel/comment-page-4/#comment-16875

    http://gabrielewolff.wordpress.com/2013/07/06/der-fall-mollath-das-endspiel/comment-page-4/#comment-16833

    Eine Verteidigung des Herrn Saß kann ich also nochmals nach dem Gezeigten nicht erkennen und hätte sie von Frau Wolff auch nicht erwartet, nach allem, was sie an höchstem Maße von sachlicher Konsistenz bisher zweifelsfrei erkennen ließ. Es täte mir leid, wenn Sie diesbezüglich einen anderen Eindruck gewonnen hätten.

    Herzliche Grüße

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    1. weinberger Beitragsautor

      Insgesamt schätzte auch ich Wollfs Ausführungen zu Mollath außerodentlich. Wenn in besagter Stellungnahme Kritik anklang, bezog sie sich nur auf einzelne, wenn auch nicht unwichtige Punkte. So scheint mir Frau Wolff akademische Titel und Positionen von Gutachtern zu hoch anzusetzen, eventuelle Abhängigkeiten, Verpflichtungen, Rücksichtnahmen und andere allzu menschliche Schwächen zu niedrig. Das Abfassen zutreffender Gutachten braucht einige Erfahrung, ist aber keine Geheimwissenschaft, die elitäre Befähigung, unendliche Spezialisierung etc. fordert. Einige “Koryphäen“ auf dem Gebiet fordern sie eher, um ggf. gegen unangenehme Kritik aus der breiteren Kollegenschaft gefeit zu sein. Begutachten ist selbstverständlicher Teil der mehrjährigen fachärztlichen Weiterbildung zum Psychiater. Wie gut seine Gutachten letztlich dann sind, erweist sich wie seine Diagnostik und Therapie in der Praxis. Manche Kollege zieht die Forensik besonders an; andere (die meisten) mehr die Krankenbehandlung. Starkult ist im Gutachterwesen allgemein und auch bei einem Prof. Saß gänzlich unangebracht. Zurecht fiel in o.g. Beitrag Wolffs ein gerüttelt Maß an Kritik auch für ihn ab.
      Meinerseits beste Grüße Weinberger

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  3. tokchii

    Wie recht Sie doch haben mit Ihrer Bemerkung „Merkwürdig, daß bei den vielen Veröffentlichungen, die jetzt zu seinem Fall erscheinen, die psychiatrie-internen Verhältnissen, aus denen die Mißbräuchedes Fachs resultieren, kaum hinterfragt wurden, sie darum immer wieder verzeichnet werden können.“
    Sogar im im Lichte der Öffentlichkeit stehenden Falle Mollath jüngst wieder. Auf einer Fallseminarankündigung des Prof. Kroeber (in Zusammenarbeit mit Dr. Leipziger) hieß es „Unser Gustl (…)“. Auch wenn dies mittlerweile abgeändert wurde in „Der Fall Gustl Mollath“ zeugt es doch von einer Beziehungsebene zum Patienten bzw. Begutachteten, die offenbar derjenigen der NS Zeit, als zu Forschungszwecken Menschenmaterial angefordert und „geliefert“ wurde, in kaum etwas nachsteht.
    Ich hoffe, das ändert sich bald grundlegend.

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