F. Weinberger
Liebe Mitglieder und geladene Gäste,
herzlich willkommen zur Jahresversammlung der GEP, die hiermit eröffnet sei.
Schön, daß Sie aus Nah und Fern zahlreich gekommen sind, um unsere Aniegen voranzubringen. Besonders herzlich begrüße ich Gustl Mollath, der erstmals in unserer Mitte ist. Die Versammlung ist beschlußfähig.
Zum folgenden Rechenschaftsbericht
sind wie immer kurze Zwischenbemerkungen willkommen. Die ausführliche Diskussion kommt danach. Vorab will ich, muß ich einen Überblick über den Stoff geben, der uns im letzten Jahr besonders beschäftigte.
Wie sehr der Psychiatriemißbrauch über jedermann, jedefrau hereinbrechen kann – manche von Ihnen haben ihn grausam erlebt -, sind es seit 40 Jahren nur wenige, die ihm wehren. So bewirkte auch unser Widerstand, der einzige im Land systematisch erhobene, lange nur wenig. Hauptgrund dafür ist wohl, daß die Machthaber international an diesem Mißbrauch, an mißbrauchbaren Psycho-Fächern als Mitteln der Disziplinierung Andersdenkender, der Steuerung und Kontrolle des Denkens allgemein, interessiert sind, sie fördern und sie gegen Kritiker schützen. So horrend wie in den Fällen Mollath, Herrmann, Schmenger, Kuwalewsky wird dieser Mißbrauch nicht allzu oft sichtbar. Viel häufiger ist er in „leichteren“ Formen unterwegs, ein solcher im Fall von Frau Kause im Rundbrief 1/13,5 dargestellt. Einzelfälle aber, gravierende wie „leichte“, steckt das Establishment weg. Daß wir über sie hinaus dem System des Mißbrauchs nachgehen, das bringt uns den besonderen Haß der Etablierten ein, Herrn Dieckhöfer und mir die Verunglimpfung etwa der Staatsministerin Merk, mir jetzt die Verleumdung des Herrn Strate[1] in seinem neuen Mollath-Buch, uns allen aber die langjährige Ausgrenzung der Medien, vieler Psychiater, Antipsychiater und sonstiger Besserwisser. Versuchte aber niemand wie wir über Einzelfälle hinaus dem Mißbrauchssystem beizukommen, bliebe es wie im Fall Mollath weiter allein dem Glück des einzelnen Betroffenen überlassen, Unterstützer UND einen Gutachter zu finden, die erst einmal das einen solch „Irren“ einschließende Eis der vollständigen Diskreditierung aufbrechen, auf daß dann Medien vielleicht mit anspringen und für weitere Öffentlichkeit sorgen. Die Betroffenen blieben ihrem Schicksal überlassen.
Die Vorgänge um den Fall Mollath sind Ihnen über das Regensburger Wiederaufnahmeverfahren hinaus bekannt (RB 1/14). Ein tiefer Riß zwischen ihm und seinem Verteidiger wurde dort am 23.7.2014 offenbar. Strate selbst UND die Medien, aber auch einige vormalige „Unterstützer“ lasteten den Konflikt schnurstracks Mollath an. Andere aber fragten, was den Anwalt wohl ritt, der sich anfangs, schien es, doch für seinen Mandanten sehr ins Zeug gelegt hat. Sie rätseln, warum er nicht als erstes die neue Infragestellung Mollaths durch die Dauerpräsenz des Psychiaters Nedopil abwehrte. Darüber ging kürzlich noch eine lebhafte Diskussion im (juristisch geführten) Beck-Blog. Daß rein formale Gründe, der Umstand etwa, daß Mollath vordem (zu Unrecht) schon untergebracht war, für die erneute Psycho-Beobachtung im Prozeß ausreichen sollte, leuchtete vielen nicht ein. Hinterfragt wurden im Beck-Blog (Menter, Stephany, Bixler) weiter auch die gerichtlichen Beweiserhebungen zum Tathergang am 12. August 01. Daß Mollath jetzt weder krank noch gefährlich ist, stellte ich zwei Jahre vor Nedopil fachkundig schon fest. Nedopils herbeigebogene, an Ernst Kretschmer anlehnende Konstruktion einer passageren, psychogenen Störung als mögliche Bedingung[2] für die angeblich 13 Jahre zuvor (am 12.8.2001) stattgehabte Gewalttätigkeit will ich hier nicht diskutieren, solang diese im beantragten neuen WAV nicht überprüft ist. Daß der Bayreuther Vollstreckungsrichter Kahler 2011 mein Gutachten von Tisch wischte, darüber feixt Strate jetzt in seinem Buch (S. 174-5). Seinem Ex-Mandanten aber kostete es zwei weitere Jahre Freiheit. „Die Psychiatrie-Kiste bleibt zu“, war Strates Motto.[3] Nur so viel Licht ließ er einfallen, daß für Gustls Gegner ein entlastendes, nur für seinen Ex-Mandanten ein weiter belastendes Urteil herauskam.
Vieles an dem gerichtlichen Vorgehen in Regensburg mutete bei aller zur Schau gestellten Rechtsstaatlichkeit, auch Freundlichkeit der Vors. Richterin Escher wieder wie abgekartet an. Mich irritierte am 23.7.14 u.a., daß Strate nach dem Eklat mit Mollath bei flüchtigem Zusammentreffen auch mich plötzlich anfuhr und in seinem Buch jetzt auch Dieckhöfer und mich, die wir Mollath über Jahre unterstützten und seit Jahrzehnten Psychiatriemißbräuchen wehren, ähnlich herunterriß, wie es Frau Merk und andere Systemvertreter/innen taten. Mollath mandatierte nach der Trennung von Strate den Münchner Anwalt Dr. Ahmed, der, umfänglich begründet, ein neues Wiederaufnahmeverfahren beantragte. Er harrt noch der Bescheidung durch den BGH. Ein Urteil des EGMR vom 15.1. 2015 stützt ihn. Mollath geht’s um Aufhebung falscher Vorwürfe und natürlich des psychiatrischen Makels, den ihm das Regensburger Gericht, Nedopil folgend, beließ. Strate[4] scheint es vor allem um die Deutungshoheit über den Fall zu gehen. Dazu zieht er immer publikumsträchtigere Register. Der UFA-Filmproduzent Nico Hofmann soll den Fall jetzt fürs Fernsehen verfilmen wobei der Fokus auf Strate liegen soll.
Opfer des Psycho-Mißbrauches bei der JHV 2015 v.l. E. Herrmann, G. Mollath, A. Kuwalewsky mit Kindern Max und Johanna, D. Eckstein
Zu Frau Kuwalewsky (RB 1/14,4): Sie verrichtet seit Monaten wieder ihren Dienst, jetzt an einer neuen polizeilichen Dienststelle. Ihre vier Kinder, die sie mühsam genug zurückholen konnte, gedeihen; zwei, den Max und die Johanna, hat sie gleich mitgebracht. Der Richter am Amtsgericht Neustadt /W. Fitterer faßte Anfang Februar aber erneut den Beschluß, sie alle müßten sich im Pfalzklinikum Klingenmünster begutachten lassen. Erst vor wenigen Tagen ging der Alptraum nach neuer Verhandlung zu Ende, hat Frau K. das Sorgerecht für die Kinder zurückerhalten, hat sie auf ganzer Linie obsiegt. Herzlichen Glückwunsch! In ihrem Fall ging es vorderhand um einen Mißbrauch der Psychologie und um ein Borderline-Syndrom, nicht wie bei Mollath um eine wahnhafte Störung.
Die eine wie die andere Diagnose ist der Internationalen Diagnosen-Klassifikation ICD entnommen, das „Borderline“ im übrigen das Konstrukt eines US-Psychoanalytikers (RB 1/14, 5.2). Kürzlich nahmen sich lokale Medien des Falles Kuwalewsky an, am 16.4. gar 3-Sat. Was Frau und Kinder K. betrifft, waren die Streifen eindrucksvoll, letzterer ansonsten wieder halbe Irreführung. Er stellte persönliches Versagen heraus, wo systematisches vorliegt, blies abwegig Psycho-Prominenz, Hirn-Scans und ähnlich Irrelevantes auf und überging dafür die fragwürdige Diagnose wie auch die Umstände, die zur Beendigung des Skandals führten, u.a. Saschenbreckers anwaltlichen, meinen gutachtlichen und den Einsatz vieler weiterer Helfer. Wenn, wie man liest, daß „jeden Tag im Durchschnitt 100 Kinder und Jugendliche aus ihren Familien genommen, in Einrichtungen gesteckt werden und diese „Inobhutnahmen“ seit 2005 um 64 Prozent gestiegen sind“, so spielt da „Psycho-Mißbrauch“ gewiß nicht selten mit.[5] Zu allen Psycho-Skandalen trug die defizitäre, oft verzeichnende Berichterstattung der Medien bei.
Unter den Psycho-Mißbräuchen ist der strafrechtliche Fall Mollath gewiß der eindrücklichste. Die meisten Fälle aber spielen sich auf zivilrechtlichem und eben familienrechtlichem Gebiet ab. Bei den Auseinandersetzungen, die wir führen, geht’s um das Mißbrauchsgeschehen mit der Pein, die seine Opfer trifft, und geht’s um die Übergriffe, die sich Ärzte und andere Gutachter und Behandler dabei leisten. Und es geht um die Haltung, die Fachvertreter, Politiker und eben die Medien dazu einnehmen. Alle zusammen muß man ins Auge fassen, will man diesen Praktiken wehren und vorbeugen. Das Mißbrauchsgeschehen nimmt wie im Fall Mollath die Öffentlichkeit am ehesten wahr, die Umgangsweisen des „Establishments“, der Fachrepräsentanz etwa, weit weniger. Wie etwa Prof. Maier, Präsident der Fachgesellschaft DGPPN, das Verhalten der Herren Leipziger, Kröber, Pfäfflin herunterspielte, die wenigen kritischen Medienberichte darüber als übertrieben abtat, über unbillige Angriffe auf das Fach klagte und so den Übeltätern die Solidarität der gesamten Kollegenschaft bekundete (RB 1/14,3.8), ließen die Medien unbeachtet, ähnlich wie etwa 2008 die Auszeichnung des Münchner Ordinarius Prof. Möller durch den Weltverband für Psychiatrie, nachdem dieser knapp zuvor vom OLG München saftig verurteilt worden war (RB 2/08,3.6). –Möller hat bekanntlich den Fall Herrmann auf dem Kerbholz.
Die weiteren Rahmenbedingungen aber, aus denen heraus Psycho-Mißbräuche möglich werden, verzeichnen die Medien erst recht. Wenn das Wort Lügenpresse jüngst mächtig wieder aufkam, auf dem „Psycho-Gebiet“ ist es wahrlich angebracht.[6] Nichts ist im Land draußen bekannt von den staatskirchen-ähnlich geordneten Strukturen des Fachs, seiner bis zur WHO reichenden politischen Gängelung, die Psychiater und Psychologen von ihrer Ausbildung bis in ihre Diagnosen und Fehldiagnosen hinein leiten. Ab den 1960 bis 80er Jahren kam mit der 68er Kulturrevolution aus Amerika, hierzulande speziell mit der Psychiatrie-Enquête von 1975 die Psychiatrie-Reform. Mit ihr kam u.a. das neue Diagnostik-System ICD, eine internationale, de facto aber eine vom amerikanischen, psychoanalytisch geprägten Manual DSM abgeleitete Aufstellung dessen, was (laut SPIEGEL – RB 1/13,2.5) jetzt als „psychische Krankheit gelten darf“. Es enthält u.a. so schüttere Diagnosen wie die Borderline-Störung, die der US-Analytiker Adolf Stern 1938 erfand. Dabei ist Freud, wie namhafte Gelehrte, „Freud-scholars“, gerade in angloamerikanischen Ländern aufzeigten, durch und durch heute als Schwindler ausgewiesen. Nicht einen einzigen seiner berühmten Fälle hat Freud geheilt. Die Presse aber propagierte ihn. „The hack and the quack“, wie’s auf englisch heißt, Schreiberling und Quacksalber, gehen Hand in Hand. Unser Herr Schlagmann ist einer der wenigen deutschen Psychotherapeuten, der sich von der Freudschen Theorie, u.a. dem Ödipus-Komplex absetzt und zeigt, daß Freud selbst die ihm zu Grund liegende Ödipus-Sage verdreht hat. Wäre Freud noch, was er über Jahrzehnte war, die Kultfigur einiger esoterischer Spinner, wäre er heute nicht, wozu ihn dann Politik, Medien und – einige „Psychis’“ aufgeblasen haben, der Gott einer neuen Staatsreligion, und kämen durch ihn nicht grundlos viele Menschen zu Schaden, verlöre ich auch hier kein Wort über ihn.
Ein Exkurs an dieser Stelle: Oft genug stand hinter Freud-Kritik plumper Antisemitismus. Der betagte, krebskranke Freud entkam den Nazis 1938 nur mit Mühe. Seine Bücher warfen sie ins Feuer. Drei seiner Schwestern ermordeten sie. Oft genug wird Freud-Kritik seit ’45 aber auch unbegründet unter Generalverdacht gestellt und damit plump unterdrückt. Es könnte sein, daß auch die Ausgrenzung, die Anfeindungen, die unseren Kampf gegen Psychiatriemißbräuche seit 40 Jahren bis hin jetzt zu Wolff und Strate treffen, diesen Hintergrund haben. Breite, wissenschaftliche Freud-Kritik wurde in Deutschland auch von jüdischen Kollegen vor hundert Jahren schon vorgebracht (RB 1/06,4.2-4). Mit besonderer Nachdrücklichkeit wurde sie in den letzten Jahrzehnten in englischsprachigen Ländern erhoben.[7] Hierzulande nimmt man sie nur nicht zur Kenntnis. Viele, Wolff und Strate darunter, fahren ihr Nicht–Wissen noch frech als Besserwissen gegen uns auf. In besagten Ländern, so schreiben Kritiker dort, mit denen wir über das INFC Austausch haben,[8] sei Freud jetzt „out“, was vielleicht nicht ganz stimmt, ihre Kritik aber nicht aufhebt.[9] Freud ist, wenn auch vielfältig getarnt, zumindest hierzulande heute mehr denn je in Kraft. U.a. per blankem Etikettenschwindel wird die Psychoanalyse etwa unter dem unverdächtigen Titel Psychotherapie verkauft. Besonders aber kommt sie verbunden mit und verschleiert durch DSM-, folglich auch ICD-Diagnosen zu böser Wirkung[10]. Die Borderline-Störung – nur ein Beispiel. Auch den scharfen angloamerikanischen Kritikern Freuds scheinen die nachhaltigen Einflußnahmen seiner Anhänger auf Mensch und Gesellschaft über die psychiatrischen Diagnosenmanuale entgangen zu sein. Ich muß Sie mit diesen theoretisch-medizin-historischen Dingen plagen. Aber Sie wollen ja wissen, woher und wie die üblen Fehlgriffe der heutigen Seelenheilkunde zustande kommen.
Als in den 1970er und 80er Jahren Psychiatriemißbräuche in der Sowjetunion in der internationalen Kritik standen, wurde selbstverständlich an der dort gängigen Diagnostik gekratzt, etwa an der „Schizophrenie ohne Symptome“ des Prof. Sneschnewsky. Wer es aber heute wagt, das bei uns jetzt geltende, de facto amerikanische Diagnosen-System zu hinterfragen – durch Überführung in die Internationalität der ICD hat es sich politisch immunisiert -, wird ausgegrenzt bis angegiftet. Dabei ist aus dem System nicht nur eine absurde Ausweitung psychiatrischer Diagnosen hervorgegangen – zu Beginn meiner Berufstätigkeit gab es nach der „Würzburger Diagnosentabelle“ von 1931 davon 20; jetzt sind’s über 300 -, sondern auch eine aberwitzige „Vermehrung“ psychisch Kranker. Und es gehen in nicht geringer Zahl schlimmste Psycho-Mißbräuche aus dem System hervor. Die neue freudisch reformierte Psychiatrie und der Weg dahin sind mit Mogeleien gepflastert. International als Schwindel ausgewiesene[11] Lehren wurden politisch, staatlich als Wahrheit anerkannt, drangen in das psychiatrische Fachgebiet ein und bestimmen so jetzt seine Inhalte und Strukturen mit.[12] Trotz des Nazi-Präzedenzfalls beugten sich die Psychiater erneut einer politischen, rein staatlichen Instanz, diesmal der WHO, die laut Wikipedia zu ¾ von der Pharma-Industrie finanziert wird. Dogmatisch nicht verengte, realitätsnahe Psychotherapie (s.o. Kretschmer[13]) brauchen viele Menschen. Hierzulande aber drückte die Bundesregierung mit der Psychiatrie-Enquête, der Psychiatrie-Reform von 1975, just Freuds Pseudowissenschaft durch, von der mehr Schaden als Hilfe ausgewiesen sind.[14] Im Fall Kuwalewsky ist die rote Linie von der haltlos konstruierten, von einer Psychologin gar nur verdachtsweise geäußerten ICD-Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung[15] zu der Pein sichtbar, die die Frau und ihre vier Kinder dann konkret traf. Aber auch, was die Herren Herrmann, Mollath, Schmenger und viele andere ereilte, rührt aus der diagnostischen Verlotterung des Faches in der Folge Freuds.[16]
Intern gibt es um die ICD-, primär DSM-Diagnosen zwar manches Gerangel.[17] Dennoch sind sie jetzt Standard für Psychiatrie und Psychologie, wird mit ihnen international Unrecht und Leid über jung und alt gebracht.[18] Zu feige sind unsere Psycho-Ordinarien, Chefärzte, Institutsleiter etc., „des Kaisers“, der APA, der WHO „neue (Psycho-) Kleider“ nicht zu bewundern. Den Freunden stehen ja auch andere sonst gern bei. Gewiß erhöhen wir, indem wir unsere Kritik so hoch ansetzen – niedriger geht’s nicht -, im Augenblick ihre Erfolgschancen nicht. Aber auszusprechen, was heute die schlimmen Fehlleistungen des Faches ermöglicht, muß erlaubt sein. Manchen geben wir mit unserer Kritik dringend gesuchte Erklärungen für das Geschehen, bewahren sie, Schwindlern zum Opfer zu fallen, helfen anderen, die schon gefallen sind, sich wieder aufzurichten und sind längerfristig natürlich des Erfolgs sicher. Denn kein Schwindel währt ewig. Unsere Informationen im Netz werden aus aller Welt abgerufen, am meisten (nach KByte) zur Zeit aus den USA, Deutschland, Frankreich, China, Mexiko, der Schweiz, der Ukraine, Österreich, Groß Britannien, Australien usf.
Auch in der Umhüllung sog. „operationalisierter“, symptombezogener DSM- und ICD-Diagnosen macht Freud das besondere Gefahrenpotential der neuen, amerikanischen Reform-Psychiatrie aus. So entzaubert er einerseits ist (s.o.), kann von ihm her diagnostisch jetzt geschludert werden, wie es u.a. in all den Mißbrauchsfällen, die hier bei uns jetzt am Tische sitzen, der Fall war. Die verbogene Reform-Psychiatrie hat offensichtlich einen hohen politischen Stellenwert. Auch im Osten, in der UdSSR, war der Psychiatriemißbrauch seinerzeit „hoch“ angesiedelt, direkt beim Generalsekretär Chruschtschow. 1988 wurde er so auch auf der KSZE-Nachfolge-Konferenz verhandelt (RB 1/14,3.9), was Ihnen die Reichweite dessen, was wir hier betreiben, nochmals verdeutlichen könnte. Für viele Kranke ist die Psychiatrie gewiß weiter ein Heilmittel,[19] für die Mächtigen gerade in ihrer neuen, reformierten Form aber ein Hauptmittel, Unbequeme aus dem Weg zu räumen. Viel Mühe wenden sie auf, sich das Mittel zu bewahren und Kritiker abzuwehren.[20] Daß die Maßgabe, was und wer geistig gesund oder krank und damit ggf. mundtot zu machen ist, de facto bei der APA, für Leichtgläubige bei der hohen Welt-Gesundheitsorganisation liegt, gibt deren Diagnosen den Anschein des Sakrosankten und ermutigt Dahergelaufene jeglicher Schattierung, Zweifler wie uns abzufertigen, was immer aus besagten Diagnosen an Katastrophen erwächst.
Zwei weitere Fälle noch will ich ansprechen, einmal den der Psychiaterin Kutschke, die schon einmal an unserer Versammlung teilnahm. Näheres jetzt dazu: Der Landkreis Wittmund (Ostfriesland) plante seit 2001, den Empfehlungen der Psychiatrie-Enquête (s.o.) entsprechend, die Errichtung eines „Psychosozialen Zentrums“. Man benötigte dazu eine Kassenzulassung und zielte so auf den Kassensitz der Ärztin.[21] Um sie auszubooten, überzog man sie mit verschiedenen Klagen, die, wenn sie stimmten, ein Einschreiten der zuständigen Ärztekammer und Kassenärztlichen Vereinigung notwendig gemacht hätten. Daß dies nicht geschah, deutet darauf, daß die Klagen doch nicht stimmten. Frau K. wehrte sich heftig. So setzte man auf ihre „Psychiatrisierung“. Im Zug der Begutachtung, die man ihr aufnötigte, diagnostizierte eine „Fachkollegin“ vom Klinikum Kassel 2008 aufgrund eines erhöhten Urin-Wertes einmal eine Benzodiazepinabhängigkeit, zum anderen eine wahnhafte Störung (wie bei Mollath). Frau K., sicher, daß schon erstere Diagnose nicht stimmen könne, ließ darauf am Rechtsmedizinischen Institut der Universität Bremen eine Haar-Analyse durchführen, die absolut unauffällig ausfiel. Medikamente wie Drogen sind im Haar zeitlich unbegrenzt nachweisbar! Der Urintest muß also falsch gewesen sein. Die wahnhafte Störung aber begründete die Kassler Kollegin damit, daß Frau Kutschke die gegen sie erhobenen Vorwürfe als interessengeleitete Verleumdung erklärte, was ihr als Krankheitsuneinsichtigkeit ausgelegt wurde. So primitiv geht’s im Fach heute mitunter zu. Damit war die Ärztin Kutschke erledigt. Wir haben sie vor zwei Jahren hier in der Versammlung kennengelernt. Sie hält seitdem meist einmal wöchentlich schriftlich oder telephonisch Kontakt mit mir. Abwegig, ja unerhört ist’s, ihr eine Wahnkrankheit anzudichten.
Ihre Auseinandersetzungen mit Ämtern und Gerichten erreichten kürzlich einen neuen Höhepunkt vor dem Landessozialgericht in Celle, wo in der Verhandlung alle die gegen sie standen, die über die Jahre gegen sie schon agiert hatten und bei einem Urteil für sie jetzt blamiert wären, u.a. die Krankenkassen. Nunmehr aber saß als ehrenamtlicher Richter ein Angestellter der AOK auf der Richterbank! Über Jahre wird die Kollegin systematisch zermürbt und die Berufsvertretung spielt mit. Gerade derzeit unternimmt wie zu Enquête-Zeiten die Staatspsychiatrie wieder einen Anlauf, mit fragwürdigen Argumenten auf Kosten der „freien“, halbwegs noch unabhängigen Psychiatrie Terrain zu gewinnen (Berger M., DÄ13/15).
Zu einem weiteren Arzt, einen Anästhesisten, den ich kürzlich begutachtete, möchte ich noch sprechen. Herr B. ist infolge anhaltender „rheumatischer“ Schmerzen seit sieben Jahren fast durchgehend arbeitsunfähig. Eine erhebliche Verbesserung erreichte er durch Anwendungen der „chinesischen Medizin“. Er kam damit von einer langjährigen, hohen Opiat-Medikation weg! Für mich sind diese „Anwendungen“ „chinesische Dörfer“. Das Freiwerden von der langfristigen Einnahme von 100 mg Oxygesic täglich (!), einer heroischen Dosis, weist die Behandlung jedenfalls überzeugender aus, als es manche Psychotherapien sind. Für ihre Fortsetzung verweigert die Allianz-Krankenversicherung jetzt die Kostenübernahme. Sie drängte den Mann zur Begutachtung durch „freudisch“ orientierte Psychiater und verlangte danach, daß er sich in entsprechende Klinikbehandlung begebe, er sich damit den offiziellen Stempel des psychisch Kranken aufdrücken lasse.
Hier spielt jetzt also die Krankenversicherung Richter über konträre Gutachter bzw. Lehrmeinungen, ergreift für Freuds Schwindelwissenschaft Partei und erklärt mokant für „befremdlich“, daß ich meinen „eigenen Berufsstand in Zweifel“ ziehe. Genau das aber war gefordert, um etwa dem Gustl Mollath, der Frau Kuwalwesky und anderen gutachtlich aus der Patsche zu helfen. Es war gefordert schon, als von Baeyer mit seinem Buch PSYCHIATRIE DER VERFOLGTEN in den 1960ern gegen den „eigenen Berufsstand“ den Nazi–Verfolgten zu einer Entschädigung und dem aufmüpfigen, zwangsinternierten Günter Weigand gegen den Berliner Ordinarius Selbach zur Freiheit verhalf (das ging damals durch die Medien). Und solch punktueller Widerstand „gegen den eigenen Berufsstand“ – unser Stand auf dem wissenschaftlichen Boden des Fachs, zumindest dem der soliden „Vor-Reform–Psychiatrie“ steht außer Frage – wird weiter nötig sein, um Menschen vor den Absurditäten zu bewahren, die die politisch verbogenen, „reformierten“ Psychofächer heute bergen. Diagnostisch geführt und stigmatisiert wird der Arzt B. jetzt von seiner Krankenversicherung unter ICD-10: F 61 – Kombinierte Persönlichkeitsstörung, was immer sie sei: Operationalisiert[22], auf einzelne Symptome bezogen ist die Diagnose auch hier nicht. Persönlichkeitsstörungen, „Psychopathien“, sind nach Kurt Schneider 1.) überhaupt keine Krankheitsdiagnosen (RB 1/14,5.2) und bestehen 2.) per definitionem von Kindheit an, wofür bei dem Arzt nicht der geringste Anhalt besteht. Auf vielen krummen Wegen kommt die Psychiatrisierung der Bevölkerung voran, werden viele Menschen der Verfügung über ihren eigenen Körper, ihre Seele beraubt. Besonders alte Menschen geraten rasch in die Mühle. Das wäre ein Extra-Kapitel, wenn ich Zeit hätte.
Wie in Amerika schon in den 1920ern steht Freud vor allem bei unseren Journalisten hoch im Kurs („The hack and the quack“ –s.o.).[23] So kam im Herbst 2013 in der Fernsehsendung-Sendung bei Beckmann zum Fall Mollath zusammen mit Strate die Psychiaterin Ziegert zu Wort, die für Mollath bis dahin zwar keinen Finger gerührt hat, aber Psychoanalyse praktiziert. In der Sendung verlor sie einige kritische Worte, etwa daß sie sich selbst psychiatrisch nicht begutachten ließe. Auch monierte sie, daß die Richter Gutachter nach Gusto auswählten und damit nicht selten das Ergebnis der Verhandlung präjudizierten. Viele fanden ihre Ausführungen mutig. Ziegert spielte mit ihnen aber den Ball geschickt vom psychiatrischen Tor weg ins juristische Feld zurück. Die psychiatrischen Skandal-Faktoren ließ sie zu Strates und des Moderators Wohlgefallen schön abgedeckt, ließ vor allem die „Freud-Kiste zu“, aus der heraus Sie, Herr Mollath, vom Freudianer Pfäfflin, aus der die vom „Borderline“ Berührten und aus der heraus auch der Kollege B. psychiatrisiert, stigmatisiert und entrechtet wurden oder werden.[24] Im konkreten Fall geht’s der Allianz natürlich darum, ihren kostenträchtigen Versicherten loszuwerden, so wie’s im Fall der Ärztin Kutschke dem Landkreis Wittmund darum ging, den Weg für die (für ihn) einträglichere Staatspsychiatrie freizumachen. Sie sehen, aus wie unterschiedlichen, meist recht handfesten Interessen und in welch verdrückten Weisen selbst unter dem Schild von „Kritik“ die wirklichen Kritikpunkte der „Reform-Psychiatrie“ umschifft werden, über sie hinweggetäuscht wird und ihre Aufspielungen bis vollendete Mißbräuche vonstatten gehen. Viele partizipieren an ihr, weshalb wir kompetenten Kritiker auch von vielen so angefeindet werden. Nicht gründlich genug kann in die „Psychiatrie-Kiste“ hineingeleuchtet werden.
Drei erfreuliche Meldungen noch: Der geistig behinderte Ulvi Kulac, der unter falschen Anklagen u.a. auf Mord[25] seit 13 Jahren im Bayreuther Maßregelvollzug sitzt, soll Ende Juli freikommen. Seine langjährige Betreuerin Frau Rödel und zuletzt unser Justitiar Saschenbrecker schafften es, daß die Türen für Ulvi jetzt aufgehen. Der in RB 1/14,2 erwähnte Rechtsanwalt Peter Putzhammer, den ich mit einem Nedopil zausenden Gutachten 2013 vor einer Psychiatrisierung bewahren konnte, mußte sich Ende März am AG München noch einem Verfahren wegen Beleidigung stellen, konnte aber auch hier seinen rechtlichen Status bewahren. Mochte der Herr Amtsrichter meine Expertise auch abwertend wieder ein „komisches Gutachten“ nennen, in der Sache hielt es stand. Und dem jetzt 71- jährigen Beamten Norbert Kuß hat im Januar 2015 das Landgericht Saarbrücken für zwei Jahre Haft Schadensersatz in Höhe von € 50.000.- zugesprochen. Für ihr falsches Glaubwürdigkeitsgutachten muß die Leitende Psychologin der Univ.-Klinik für forensische Psychologie und Psychiatrie Homburg jetzt gerade stehen. Ob dieses Urteil[26] unsere Psychis, Psychiater, Psychologen, Sozialarbeiter usw. doch noch zur Besinnung bringen wird? Vorderhand tun sie, tun über Wolff und Strate hinaus selbst manche aus Mollaths ehem. „Unterstützerkreis“ und tun die Medien, als sei ganz abwegig, über diese Fälle im Zusammenhang und damit von einem Mißbrauchssystem zu reden.
Bezüglich Verbesserungen im Maßregelvollzug hat der neue bayerische Justizminister Bausback laut Pressemitteilung vom 28.1.15 eine „Arbeitsgruppe“ aus Vertreter/inne/n der beteiligten Justiz-Bereiche bestellt. Sie soll ein neues Gesetz erarbeiten. Damit sollen u.a. die jährlichen „gutachtlichen Stellungnahmen (der forensischen Kliniken)… in Zukunft gesetzlich geregelt werden“. Psychiatrie-Internes erwähnte Bausback nicht. Erfolgreich, wie Staatsanwaltschaft und Verteidigung, die Medien, die Psychiater-crème im Fall Mollath mit vereinten Kräften Strates „Psychiatriekiste“ zugedrückt hielten, kann jetzt auch er so tun, als sei, was in den „weißen Haftanstalten“ abläuft, ein rein juristisches Problem und habe die Psychiatrie mit dem Psychiatriemißbrauch rein gar nichts zu tun. Der zentrale Begriff, der all die Übergriffe auf strafrechtlichem wie zivilrechtlichem und familienrechtlichem Gebiet verbindet, ja ihr gemeinsame Nenner ist, Psychiatriemißbrauch, tauchte auch in der Pressemitteilung des Justizministers so wenig auf wie in all den bisherigen Medien-Berichten zu Mollath, Herrmann, Schmenger etc. (Fn 7). Ihn gibt’s offiziell gar nicht, uns, seine erklärten Widersacher, deshalb auch nicht. Seit 40 Jahren werden wir so von der Politik, den Medien, unseren Kollegen natürlich zuvörderst ignoriert. Der Psychiatriemißbrauch, der wie bei Mollath an den „psycho-justitiellen Skandalen“ als Agens zumindest hälftig beteiligt ist, wird neutral im „Maßregelvollzug“ versenkt, versteckt. Nur von ihm wird gesprochen. Daß besagte Verbesserungen Augenwischerei bleiben werden, darauf ist Verlaß. Die „politische Klasse“ gibt den Psychiatriemißbrauch, ihr feinstes Macht- und Disziplinierungsmittel heute, nicht auf, schweigt einfach darüber. Die bisher mit ihm bekannt gewordenen Juristen und Ärzte sind, soweit nicht pensioniert, alle noch in ihren Ämtern. Sie haben ja nichts getan, was nicht im Sinn der „Klasse“ war. Möglicherweise setzt diese uns in noch dramatischerem Umfang eine virtuelle Wirklichkeit vor und gestaltet mit ihr die reale Wirklichkeit zu unserem Wohl – oder Wehe.
Wohl seit es Psychiatrie gibt, seit knapp 200 Jahren, wurde sie auch politisch mißbraucht, gewiß auch vor Freud schon, seit ihm jetzt nur öfters, routinierter. Wer erinnert nicht den Bayern-König Ludwig II.? Das spricht nicht gegen das Fach, sondern gegen seine Abfälscher, seine Mißbraucher und ihre Auftraggeber und Unterstützer. Wir haben zusammen mit Walter von Baeyer den Kampf vor nunmehr 40 Jahren aufgenommen. Er wird so schnell nicht enden,[27] wird mühsam bleiben, ist aber keineswegs aussichtslos, wie die Erfolge gerade der jüngeren Zeit zeigen, Erfolge in Einzelfällen. Ans Mißbrauchssystem kamen sie bisher nicht heran. Gegenüber den Zerstörungen , die an vielen anderen Orten der Welt aufgebrochen sind, verschwinden sie fast, wiewohl sie schon gräßlich genug sind. Selbst zu unseren Erfolgen „im Kleinen“ bedurfte es aber der Mithilfe vieler. Daß viele von Ihnen über lange Zeit mithalfen und sich auch jetzt wieder mit einbringen, dafür danke ich Ihnen.
F. Weinberger
Endnoten
[1] Stützend auf die Schmähungen seines „stählernen Rückgrats“, der OSTAin a.D. G. Wolff, in ihrem Blog
[2] Kretschmer E., DER SENSITIVE BEZIEHUNGSWAHN, 4. Aufl., Springer, 1966. Kretschmer ist im Gegensatz zu Nedopil klassische, psychodynamische, dabei „Freud-ferne“ „Vor-Reform“-Psychiatrie – s. Fußnote 11.
[3] Daß all die nachträglich aufgesprungenen „Unterstützer“ die psychiatrische Seite des Skandals ausklammerten oder verzeichneten, zeigt schon System auf. In der Weise betätigten sich Pommrenke und Klöckner in STAATSVERSAGEN AUF HÖCHSTER EBENE, Ritzer und Pzrybilla in DIE AFFÄRE MOLLATH und zuletzt eben Strate in seinem Buch. Daß diesen Verzeichnern umgehend Geld und Verlage zum Druck zur Verfügung standen, erweckt nochmals den Verdacht, daß ihre Verzeichnungen „oben“ gewünscht, gefördert wurden.
[4] In Nummer 11/15 der angesehenen NJW konnte Strate den öfters schon von ihm, zu Hauf aber von den Antipsychiatern gehörten Unfug vorbringen: „Seit rund 150 Jahren versuchen Nervenheilkundler, den Ursachen psychischer Erkrankungen auf die Spur zu kommen. Das Ergebnis dieser Bemühungen geht gen Null.“ Bei vielen Krankheiten aber sind die URSACHEN biß heute ungeklärt. Aus um so besseren Grund kümmert sich die Medizin um sie, sucht sie zu klären und ihre Folgen zu mildern, was, auch wenn das nicht optimal gelingt, nicht gegen die Bemühungen spricht. Nur wenn diese, wie wir es jetzt bei verschiedenen forensischen Psychiatern erleben, zu billigen Leerformeln, zur Rechtfertigung verkappten Macht- und Profitstrebens verkommen, ist gegenzusteuern. Unsinnige Forderungen etwa nach Abschaffung der forensischen Psychiatrie führen zu keinen realen Verbesserungen. Was wollen Herr Strate und andere Antipsychiater mit Kranken tun, die unter den Einflüsterungen ihrer Halluzinationen den Nächstbesten umgebracht haben, was mit der Mutter, die in ihrer Wochenbettpsychose ihr Baby getötet hat? Wollen sie sie ins Gefängnis stecken? Seit 150 Jahren ist die forensische Psychiatrie trotz ihrer Unzulänglichkeit und trotz Übergriffen, wie wir sie schauurig jetzt an verschiedenen Fällen erlebten, Teil einer Humanisierung des Umgangs des Menschen mit seinesgleichen, wird sie als solche jedenfalls von der großen Mehrheit der Menschen aufgefaßt.
[5] Infolge Arbeitsüberlastung beauftragen die Ämter häufig, heißt es, „freie Träger, die sich dann um die Kinder kümmern. Der Markt, heißt es weiter, ist lukrativ. Ein einziger Platz in einem Heim kostet die Kommunen im Jahr rund 50.000 Euro. Längst ist die Jugendhilfe auch ein großes Geschäft geworden…“ (140.000 Kinder und Jugendliche seien betroffen).
[6] Eine Ausnahme machte die FAZ, solang die Klage allein gegen Psychiatriemißbräuche in der Sowjetunion geführt wurde. Nach deren Ende verlautete doch von solchen anderenort vorkommenden Mißbräuchen nichts mehr. Von der einflußreichen, konservativer US-Politik verpflichteten Smith-Richardson-Foundation, der Geldgeberin unseres einstigen Dachverbands IAPUP, hörten wir, sie möge das Wort Psychiatriemißbrauch nicht mehr hören! Strate mit seinen CIA-Manschettenknöpfen (s.u.) mag es jetzt auch nicht. Zur Gerichtspsychiatrie bemerkt er gegen uns gerichtet in seinem Buch (S. 177): „Die Verwendung des Begriffs Mißbrauch bedingt die Annahme, es könne auch einen sinnvollen Gebrauch dieser rechtsstaatlich bedenklichen Institution geben“. Absurder hat sich zur Rechtspflege einer ihrer renommiertesten Vertreter kaum je geäußert. Kein Wunder, daß das Wort Psychiatriemißbrauch beim WAV in Regensburg nicht zu hören war.
[7] Anfang der 1970er schon wandte ich mich publizistisch sowohl gegen Psychiatriemißbräuche als auch die psychoanalytischen Versteigungen.
[8] Ich selbst war während meiner psychiatrischen Weiterbildung zwei Jahre lang daneben in psychoanalytischer samt (teurer) Lehranalyse. Ich lernte da viele Schichten an ihr kennen und wurde langsam so ihr Kritiker.
[9] Üble Folgen haben die Freudschen Vorstellungen auch in Amerika produziert. Manche „Freud-scholars“ (vgl. RB 1/14, Fn13) machen wie etwa Frederick Crews (Follies of the Wise) auch die APA dafür mitverantwortlich! Zwiespältig wie mit der US-Freud-Kritik sieht’s im Rückblick auch mit dem Widerstand der APA gegen den Psychiatriemißbrauch in den 1970er und 80ern aus. Ihn gab’s praktisch nur, solang er gegen die Sowjetunion gerichtet war.
[10] Zu einer Riesen-Industrie ist sie inzwischen geworden. In der Publizistik ist sie allgegenwärtig, in der Sozialgesetzgebung tief verankert. Mit einem weiteren großen Täuschungsmanöver gelang das. In ihrem Kommentar der Psychotherapie-Richtlinien haben Faber und Haarstrick den Ödipus-Konflikt auf eine schlichte „Konflikttheorie“ reduziert, haben Freud damit nominell „entschärft“, als Quelle neurotischen Leids aber Konflikte zwischen dem Freudschen Begriffen von Es, Ich und Überich festgezurrt, Freud als spiritus rector des Seelischen weiter etabliert und die Massenverbreitung seiner Theorie als Kassenleistung damit durchgesetzt. Alle machten mit.
[11] Vgl. die Literaturübersicht, die K. Dieckhöfer in Fn 6 seiner Rezension des Strate-Buchs beigefügt hat (s.u.).
[12] Bei der Gelegenheit ein Wort noch zu den Psychopharmacis, an denen die Aversion vieler Antipsychiater einschließlich Wolffs und Strates gegen die (klassische) Psychiatrie und gegen uns festmacht. So viel Hilfe die Mittel, richtig angewandt, vielen Kranken leisten, gibt es ob ihrer oft unangenehmen Nebenwirkungen auch begründeten Widerstand gegen sie. Begrüßenswert und als Verdienst der Antipsychiatrie anzuerkennen ist deshalb, daß speziell die Zwangmedikation im Maßregelvollzug gesetzlich neu geregelt wurde. Ob die jetzige Regelung befriedigt, muß sich weisen. Nach einer antipsychiatrischen Mitteilung vom 6.4.15 sieht ein Berliner Gesetzentwurf vor, „den sozialpsychiatrischen Dienst zu ermächtigen, ohne Polizei und ohne richterlichen Beschluß eine Wohnung aufzubrechen, zwangsdiagostizieren, zwangseinweisen und auch zwangsbehandeln zu können.“ Wenn’s stimmt, wahrlich, ein neuer Alptraum. Daß die Antipsychiater über den Psychopharmacis das Mißbrauchsproblem ignorierten, es mit den Spitzenvertretern des Fachs so über Jahrzehnte geradezu stützten, verdient freilich auch festgehalten zu werden.
[13] Beim sensitiven Beziehungswahn, den Nedopil bei Mollath jetzt unterstellte, grenzt sich Kretschmer deutlich von der „psychoanalytischen Neurosenlehre“ ab. Die Krankheit erkläre sich mit „einer anfechtbaren, wenn auch geistreichen Hineindeutung psychologischer Zusammenhänge“. Sie werde psychotherapeutisch am ehesten „in schlichter, ärztlicher Unterredung mit dem Kranken“ zum Abklingen gebracht (Fn 2 – S. 147). Kretschmer hat im Gegensatz zu Freud das Störungsbild in seiner Entwicklung schlüssig ausgewiesen, es differentialdiagnostisch abgegrenzt, die Schritte der Heilung nachvollziehbar und an einer Reihe namentlich vorgestellter Fälle ansichtig gemacht. Nicht von ungefähr wurde Ernst Kretschmer nach 1945 zum Vorsitzenden der Allgemeinen Ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie gewählt. Nedopils Übertragung von Kretschmers Ausführungen auf Mollath kommentiert der Erlanger Psychologe Dr. Sponsel so: Leipzigers „Befundfälschung durch Textmontage zum Vergiftungswahn entspricht bei Nedopil exakt dessen Befundfälschung zum Kretschmerschen sensitiven Beziehungswahn…“
[14] Ein wenig entlastet können sich die hohen Instanzen insofern fühlen, als die profunde angloamerikanische Freud-Kritik damals erst einsetzte – mit H. F. Ellenbergers THE DISCOVERY OF THE UNCONSCIOUS (1979) dann F.J. Sulloways FREUD, BIOLOGIST OF THE MIND (1979) und weiteren. Voll in Fahrt war die Kritik in den 1980 und 90ern, auch hierzulande etwa mit D.E. Zimmers TIEFENSCHWINDEL. Die Bundesregierung und andere, auch psychiatrische Instanzen aber taten weiter, als gäbe es sie nicht. Ähnlich ihr Verhalten uns gegenüber, dümmliche Vogel-Strauß-Politik.
[15] Selbst in Wikipedia heißt es zum Borderline: „…Wissenschaftler fordern die Aufgabe des Begriffs, da er eigentlich keine Persönlichkeitsstörung, sondern differentialdiagnostische Probleme bezeichne. Zu Fragen der Einordnung, Ursachen, Abgrenzung und Therapie gibt es bisher keinen Konsens.“ Berger sehe ich als einen einer der eifrigsten Zuarbeiter des amerikanischen Psycho-Imperialismus.
[16] H.J. Weitbrecht (PSYCHIATRIE IM GRUNDRISS, Springer 1963, Seite 63) erinnert an die „Mahnung von Kurt Schneider, daß Psychopathien“, die heute Persönlichkeitsstörungen heißen, überhaupt „keine Krankheitsdiagnosen sind“(!), was vielen „Psycho-Experten“ infolge des DSM, der ICD völlig aus dem Blick geraten ist.
[17] vgl. Allen Frances’ Kritik am DSM-5 – ein Schattenboxen. Der Freudianer Frances hat den Spuk in der Vorgänger-Version DSM-IV selbst mit angeführt (RB 2/13,2.7).
[18] Und noch etwas: Teilweise ähnliche Kritik erheben die aus Amerika kommende Scientology und ihre KVPM. Von ihnen hielten wir über Jahrzehnte Abstand, weil wir sie für undurchsichtig halten. Ihre Kritik richtet sich wie die anderer Antipsychiater vor allem gegen Psychopharmaka. Sie greift in ihrer Einseitigkeit hie zu kurz und ist da plump überzogen, oft hetzerisch. Sie wird anscheinend auch erhoben, um gerechtfertigter, notwendiger Kritik das Wasser abzugraben. Psychotherapeutisches spart Scientology aus, wohl weil sie mit ihrem Auditing selbst dubiose „psychotherapeutische“ Geschäfte macht. Der Skandal der Psychiatrie ist inzwischen aber so groß, daß ich einen Link auf ein neues Video der KVPM setze, das eben auch Zutreffendes bringt. Bei vielem aus Amerika kommenden Stoff muß jede/r selbst prüfen, was daran ist. Daß von fragwürdigen Organisationen auch berechtigte Kritik kommt, soll sie nicht um jegliche Beachtung bringen. Besagte Organisationen haben dabei das Vorbringen ausgewogener Kritik über Jahre erschwert. Diejenigen aber, die zur Klärung der auch in dem Video aufgeworfenen, auch viele Fachkollegen irritierenden Fragen primär aufgerufen waren, u.a. die Ärzteschaft, die Fachvertretung haben über Jahrzehnte die Diskussion verweigert, wohl weil sie selbst an der politischen Leine laufen (z.B. RB 1/14,3.8).
[19] Geradezu penetrant wirbt das „System“ für Psychotherapie. Dahinter können auch weitere politische Motive stecken. In der FAS vom 18.1.2015 schrieb der in Berlin lehrende Byung-Chul Han: „Die Strategie der Herrschaft besteht darin, das Leiden zu privatisieren… (und so) „seine Politisierung zu verhindern….“ Nichts lenkt Energien, die zur Bewältigung von Lebensaufgaben benötigt werden, in eine fruchtlose Nabelschau, als die verstiegenen Konstruktionen Freuds.
[20] Unsere Zweifelsäußerungen an Freud trieben Gabriele Wolff (RB 1/13,7) und Dr. Strate den Geifer vor den Mund. Sie und andere Etablierte (Fn 2) inszenierten sich als Unterstützer, Verteidiger Mollaths, um umzukippen, als mit der „Psychiatrie-Kiste“ der ganze Jammer der „Reform–Psychiatrie“ und damit des Freud–Schwindels ans Licht zu kommen drohten. Daß nur das nicht geschehe, dafür ließen diese Leute wie auch die wenigen Zeitungen, die Mollath anfangs stützten, ihn zeitgleich mit Strate fallen. Ihr vorrangiges Interesse war offensichtlich, die im Land aufgekommene Empörung über den Fall zum Abflauen zu bringen, „Dampf aus dem Kessel“ zu lassen. Das ist „social engineering“.
[21] Die niedergelassenen, halbwegs noch unabhängigen Psychiater durch weisungsgebundene „Psycho-Apparatschiks“ zu ersetzen, war ein von Anfang an erkennbares Anliegen der Psychiatrie-Enquête von 1975, vom Autor dieses Beitrags frühzeitig schon moniert u.a. im DEUT SCHEN ÄRZTEBLATT 50/73 Achillesferse Psychiatrie oder: Der Countdown einer Sozialisierung, auf der GEP-Webseite noch nachlesbar unter > Rundbriefe > Vorläufer.
[22] Die „Operationalisierung“ der ICD-/DSM-Diagnosen, die sie angeblich sicher macht, gereichte schon dem ehem. Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie Prof. Holsboer zu blankem Spott (RB 1/11, Fn2).
[23] Die erste Freud-Welle in den USA in den 1920ern ebbte wieder ab, brandete nach 1933 erst mit den Emigranten aus Deutschland wieder auf. Seit der Psychiatrie-Reform wird sie bei uns u.a. durch Krankenkassen und –versicherungen aufrecht erhalten.
[24] Sie Herr B., haben ein Gutachten noch von einer weiteren Psychiaterin eingeholt, die zwar von der Allianz auch nicht goutiert wird, Ihnen aber doch auch eine Störung anhängte. So wie unsere jungen Kolleg/inn/en heute erzogen, auf DSM- und ICD-Diagnosen getrimmt werden, bleibt bei ihnen kaum jemand ohne Diagnose.
[25] R. Biswas hat am 19.03.15 seine Geschichte zusammengefaßt: „Im Wiederaufnahmeverfahren wegen Mordes an Peggy Knobloch zeigte sich: Es gibt keinen einzigen Sachbeweis für diesen Vorwurf. Nur ein ‚Geständnis’, das der geistig behinderte Kulac nach zahllosen Verhörtagen angeblich abgelegt hatte. Natürlich war das Tonband verschwunden. Und ein ‚gekaufter’ Zeuge Peter Hoffmann, der seine Aussage kurz vor seinem Krebstod widerrief. Und eine dubiose Tathergangshypothese, bei deren Rekonstruktion Ulvi Kulac artig mitspielte, weil er die Konsequenzen nicht überschauen konnte. Das angebliche Motiv Kulacs für den Mord: Eine vorangegangene ‚Vergewaltigung der Peggy’. Auch dafür gibt es keinen einzigen Sachbeweis. Auch das Geständnis hat man dem Behinderten in den Mund gelegt. Aus dem Sich-Entblössen vor Kindern, die ihn geradezu angestachelt haben, wird dem geistig Behinderten ‚Missbrauch an Kindern’ vorgeworfen, wofür er 13 Jahre büssen musste…“
[26] Vors. Richter Hoschke – Strafverteidiger Jens Schmidt – Zivilanwältin Daniela Lordt, gestützt u.a. auf das Gutachten von Prof. Eberhard Schulz von der kinderpsychiatrischen Univ.-Klinik Freiburg
[27] Viele Kollegen geben uns im Stillen Recht, halten aber Abstand, weil sie nicht wagen können, sich gegen den mainstream zu stellen. Auch gibt’s viele, die da und dort zwar Berührungspunkte mit uns haben, mit denen aber doch kein Zusammenarbeiten ist. Schwierige Menschen kommen zahlreich auch im psychiatrischen Umkreis vor. Über das ganze Land verteilt, gibt es zum Glück aber viele Aufmerksame, die uns auch als Nicht-Mitglieder gut zuarbeiten, Informationen senden, Tips geben etc. Über 40 Jahre gab es immer ausreichend Fachkompetenz bei uns. Bei allen, die sich als Mißbrauchsopfer bei uns vorstellen, müssen ja erst einmal die Verhältnisse kompetent geprüft werden. Wie es nach uns einmal weitergeht: Wer kann’s vorhersehen?