Zur Wirksamkeit analytischer Psychotherapie

Wie es sich mit der therapeutischen Wirkung der Freudschen Psychotherapie und ihren angeblichen Nachweisen verhält, dazu der folgende, von uns schon im Juli 2002 ins Netz gestellte Beitrag

F. Weinberger

Zur Wirksamkeit analytischer Psychotherapie

Wiederholt schon haben wir aus guten Gründen gegen die Psychoanalyse Stellung bezogen. Aus ebenso guten Gründen ist es jetzt angebracht, die einschlägigen Argumente einmal kurz zusammenzustellen. Verstreut standen sie über die Jahre fast alle schon einmal in unseren Rundbriefen. Es kann dabei fürs erste bei einem „leichten Abklopfen“ der psychoanalytischen Erfolgsangaben, ihrem Vergleich untereinander und dem Vergleich mit den Realitäten bleiben. Eine genauere kritische Überprüfung, deren Aufwand über die Möglichkeiten unserer kleinen Gesellschaft hinaus ginge, bleibt jedoch wünschenswert.

Gern tritt die Psychoanalyse unter wechselnden Bezeichnungen auf („psychodynamische“, „analytische / neoanalytische Psychotherapie“, „Tiefenpsychologie“  etc.), über deren Unterschiede die ärztlichen wie nicht-ärztlichen (psychologischen) „Fachleute“ mitunter heftig streiten, die aber doch alle entscheidend auf Freudschen Grundsätzen fußen. Daneben gibt es freilich auch echte Differenzen über Theorie und Praxis der Psychotherapie. Freud, Adler, Jung z.B. befehdeten sich bekanntlich bis über den Tod hinaus. Unter Freudschem Primat buhlen die „analytischen Schulen“ heute aber um ihre gesellschaftliche Geltung gemeinsam. Und ihren heilkundlichen Anspruch stützen sie letztlich gemeinsam auf eine einzige Arbeit, nämlich auf

A. Dührssens Katamnestische Ergebnisse bei 1004Patienten nach analytischer Psychotherapie (Z. psycho-som. Med. 8,1962, 94ff). Sie stellen die grundlegende Arbeit dar, die besagte „Therapie“ in die Kassenmedizin, den Rehabilitationsbetrieb, letztlich in Deutschland zur allgemeinen „Anerkennung“ und damit zur Massenverabreichung brachte. Erst kürzlich betonte das Deutsche Ärzteblatt 5/02, „das Organ der Ärzteschaft, wieder den „Wirksamkeitsnachweis von Psychotherapie … durch Dührssen“ als Voraussetzung für die Einführung „entsprechender Leistungen in die gesetzliche Krankenversicherung“, die allgemeine Anerkennung des „eigenständigen wissenschaftlichen Paradigmas“ der Freudianer, die weitere „konsequente Integration der Psychosomatik in die Medizindurch Einführung des Fachgebietes Psychotherapeutische Medizin’“ ab 1999 wie auch, so hieß es zuvor schon in DÄ 45/01, die Einbringung der Freud-theoretisch begründeten „psychosomatischen Grundversorgung in alle klinischen Facharzt-Curricula“ ab 1995.

Dührssens „Erfolge“ wurden alle am Zentralinstitut für psychogene Erkrankungen der AOK Berlin erzielt, wo verschiedene, auch grundsätzlich divergente Schulen, besonders die neoanalytische von Schultz-Hencke, ansonsten die Freudsche, Adlersche und die Jungsche zusammenwirken. Nachdem sie expressis verbis alle in gleicher Weise „erfolgreich“ waren, bewies Dührssen im Grund jedoch das genaue Gegenteil von dem, was sie beweisen wollte, nämlich die Irrelevanz der psychodynamisch-psychotherapeutischen Theorien, damit die Irrelevanz eigentlich des gesamten „Inventars“, von dem besagte Psychotherapeuten den Anspruch wissenschaftlicher Gültigkeit ableiten.

Dührssens Arbeit ist und bleibt die entscheide. Jahrzehnte später erschienen für die analytischen Verfahren zwar weitere (die im Folgenden beschriebenen) „Erfolgsnachweise“. Für die Zulassung eines neuen Heilverfahren bleibt es in jedem Fall ungewöhnlich, daß eine einzige, noch dazu eine auf den ersten Blick grob wurmstichige Arbeit den Erfolg zweifelsfrei bewiesen hat oder haben soll, just sie der „analytischen Psychotherapie“ Eingang in die kassenärztliche Versorgung verschaffen und über dreißig Jahre hinweg Ausgaben der Krankenkassen in Höhe vieler, vieler Millionen Mark und Euro auslösen konnte. Es sind in späteren Jahren zwar weitere „Erfolgsnachweise“ nachgekommen. Sie sind bei näherem Hinsehen jedoch auch nicht überzeugender als jener „entscheidende“ erste. Vier Arbeiten seien näher besprochen, weil „das Organ der Ärzteschaft“ DeutscheS Ärzteblatt sie als solchen Nachweis schon ausgab.

F. Breyer et. al. fanden bei ihrer Prüfung analytischer Behandlungsergebnisse (Kosten und Nutzen ambulanter Psychoanalyse in Deutschland, Gesundheitsoekonomie & Qualitätsmanagement 3/97) ähnlich stolze Erfolge wie Dührssen und in ihrer Nachfolge ähnliche Ersparnisse bei späteren „Gesundheitskosten.“ Auch sie prüften freilich wie Dührssen wieder die Ergebnisse theorie-konträrer Behandler, psycho- wie neoanalytischer, dazu individualpsychologisch-Adlerscher. Bezüglich theoriespezifischer Wirksamkeit jener Behandlungen war ihre Untersuchung damit wieder ein voller Schlag ins Wasser. Gleichwohl lobte das Deutsche Ärzteblatt, „das Organ der Ärzteschaft“, Breyers Arbeit als klaren psychoanalytisch-/-therapeutischen Erfolgsnachweis (den genauen Wortlaut kann Ref. in seinen Unterlagen im Augenblick nicht auffinden).

Nach den „Neoanalytikern“ um Dührssen und ihrer „Bestätigung“ durch Breyer legten in Psyche 3/01

M. Leuzinger-Bohleber et al. mit Langzeitwirkungen von Psychoanalysen und Psychotherapien: Eine multiperspektivische, repräsentative Katamnesestudie sowie

R. Sandell et. al. mit Unterschiedliche Langzeitergebnisse von Psychoanalysen und Langzeitpsychotherapien

speziell für die (orthodoxen) Psychoanalytiker, in Deutschland organisiert in der DPV, die „Effizienz“ ihrer Behandlungen dar. Im Durchschnitt liefen diese über vier Jahre bzw. 371 Behandlungsstunden. Mit ihren „Stichproben-Prüfungen“ (!) fand Leuzinger bei rund 80% der Nachuntersuchten „gute“ bis „mittlere“ Besserungen in Bezug auf „Wohlbefinden, persönliche Entwicklung und Beziehungen zu anderen“, ähnlich bezüglich “Bewältigung von Lebensereignissen, Selbstwertgefühl, Stimmung, Lebenszufriedenheit und Leistungsfähigkeit.“ Leuzinger weist auch auf einen Rückgang von Arztkontakten, Arbeitsunfähigkeitstagen, allgemeinen „Gesundheitskosten“ durch die Analyse, legt hierzu jedoch keine objektiven Daten vor. Behandelt worden waren angeblich „schwer gestörte Patienten“, zu 56 Prozent „Persönlichkeitsstörungen“, die heute in der International Classification of Diseases der WHO (ICD10) aufgelistet, gleichwohl bei den Fachleuten höchst umstritten sind, ähnlich wie es seinerzeit die „Schizophrenie ohne Symptome“ der Sowjetpsychiater war. Vor allem aber bleibt festzuhalten: Wenn die von Leuzinger berichteten Erfolge auch aus psychoanalytischen Behandlungen resultierten, ist damit in keiner Weise geklärt, ob andere Arten von ähnlich langen (und teuren) Besprechungen nicht gleich gute oder gar bessere Ergebnisse erbracht hätten.

Sandells in der gleichen Nummer der PSYCHE dargestelltes Untersuchungsergebnis war unter anderem, daß sich nach psychoanalytischen Behandlungen „eine größere Abhängigkeit von Sozialhilfe, signifikant häufigere Krankschreibungen, signifikant häufigere Konsultationen wegen somatischer Behandlungen und signifikant häufigere Einnahme psychoaktiver Medikamente fanden.“

Das Deutsche Ärzteblatt, „das Organ der Ärzteschaft“, genauer Redaktionsmitglied Petra Bühring aber zogen in dem Beitrag Psychoanalyse – Schwierige Evaluation (DÄ 30/01) den kühnen Schluß: Die „…Studien untermauern nun die Langzeitwirkung“. Unter der Hand deuteten sie die reichlich negativen Befunde – hat Sandell nicht das psychotherapeutische Hauptargument, Dührssens „Kostenersparnisse“, widerlegt? – wieder in positive Langzeitwirkungen der Analyse um.

Das Buch des Psychologen K. Grawe et al., Psychotherapie im Wandel, Hogrefe, 1994 wird vielfach noch als Bibel der psychotherapeutischen Effizienzforschung gehandelt, als gültige Übersicht über die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Psychotherapie-Richtungen weit über die analytischen Verfahren hinaus. Zu diesen schrieb Grawe zwar, wie in unserem Rundbrief 4/99, Fußnote 32, schon vermerkt, es hätten „40 kontrollierte Studien ihre klinische Wirksamkeit nachweisen“ können. Er bezieht dieses Urteil im einzelnen dann auf zwölf katamnestische Untersuchungen zur „psychoanalytisch orientierten Psychotherapie“ (PAOP) sowie auf 29 zur „psychoanalytischen Kurztherapie“ (pKT). Sie decken das positive Gesamturteil jedoch keineswegs.

Von der eigentlichen Freudschen Langzeittherapie führt Grawe überhaupt nur eine einzige als überprüfbar an, die Menninger-Studie. Sie musterte (wie Leuzinger und Sandell unter „naturalistischen“ Bedingungen, im Vergleich zu ihnen jedoch noch viel akribischer) 45 Patienten, davon 22 noch viel orthodoxer-psychoanalytisch, nämlich über zwei- bis drei Jahrzehnte (!) über durchschnittlich 1017 Stunden (!) behandelte Patienten und verglich diese mit 20 schwerer (!) Gestörten, die „deshalb“ nur „supportiv“, immerhin aber noch über 316 Stunden oder vier Jahre (!) behandelt wurden. Die Untersuchung, deren Voraussetzung in jedem Fall eine gefüllte Patientenbrieftasche war, förderte für alle Behandelten in etwa 60 % der Fälle Verbesserungen ans Licht, die Grawe aber angesichts des immensen Therapieaufwands und weil sie sich in keiner Weise „positiv von anderen Therapieverfahren abhöben“ als bescheiden wertete, wobei im Vergleich zu den schwereren, supportiv behandelten für die leichteren, orthodox-psychoanalysierten Fälle sogar noch bescheidenere Ergebnisse abfielen, was wieder die Irrelevanz der analytischen Theorie belegt. Zu den therapeutischen Fehlschlägen bemerkt Grawe: „Bei den 26 % ‚Failures’ … handelt es sich nicht einfach um Fälle, bei denen positive Wirkungen ausgeblieben waren, sondern bei der Mehrzahl … (um) ausgesprochen schädigende Effekte.“

Zu den 40 angeblich „klinische Wirksamkeit“ der Analyse zeigenden Studien rechnet Grawe nun 12 Expertisen zur PAOP, die er gleichzeitig aber als „methodisch eher unterdurchschnittlich“ wertete. Die einschlägige „Befundlage (sei) weder quantitativ noch qualitativ sehr beeindruckend.“ Von den 29 Studien zur Kurztherapie (pKT), die überhaupt nur bedingt „analytische“ Therapie ist, schreibt Grawe im weiteren, es hätten lediglich 10 davon „interpretierbare Resultate“ geliefert. Sie zeigten „Besserungen der Symptomatik“ an, aber „auffallend oft… auch signifikante Verschlechterungen“. Sie ließen „ein positives Bild von der Wirksamkeit psychoanalytischer Kurztherapie nicht entstehen.“

Weder also stützen Grawes detaillierte Angaben sein eigenes oben genanntes positives Gesamturteil – er folgerte ja auch gar nicht aus 40, sondern allenfalls aus 22 „kontrollierten Studien“ -, noch rechtfertigen sie die wiederkehrenden Verweise amtierender Gesundheitspolitiker auf ihn, die ihn vielfach als den Kronzeugen psychoanalytischer Effizienz handeln.

Stand und Umfang der evaluierten Psychotherapieforschung sind unzureichend,“ stellte das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT 27/01, „das Organ der Ärzteschaft“ (1), dazu wieder durchaus richtig fest, behauptete aber in ein und dem  gleichen Atemzug weiter, „durch Untersuchungen (zum Beispiel Dührssens, 1962, Grawes, 1995)“ sei  (bezogen auf die Gesamtausgaben für individuelle „Gesundheitsleistungen“) „die Kosteneinsparung  durch Psychotherapie belegt“ worden. Und seine Leser nahmen es hin!

Grawe gilt vielfach als über den Grabenkämpfen der analytischen Schulrichtungen stehend. Als Psychologe neigt er speziell der in der universitären Psychologie gelehrten, im Vergleich zur Analyse gewiß weniger abstrusen, freilich auch nicht minder materialistisch-reduktionistischen Verhaltenstherapie (VT) zu. Er ist somit alles andere als „unparteiisch.“ Das ist ja das Hauptmanko der gesamten Psychotherapie und der von ihr geprägten „Reform-Psychiatrie“, daß es Unparteilichkeit und damit eine fair moderierte, alle divergenten Aspekte zulassende Diskussion hierzulande nie gegeben hat. Grawes Interesse war und ist, die Psychologen besser ins Geschäft zu bringen. Für die VT hat er ungleich mehr und überzeugendere Erfolgsnachweise beigebracht. Sie könnten ebenfalls noch „abzuklopfen“ sein. Nur geht das über unsere Möglichkeiten endgültig hinaus.

(1) (Nachtrag 5/03): Mit einer weiteren „Therapieevaluation bei psychischen Störungen“ kamen inzwischen das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT 16/03, genauer sein stellv. Leiter der Marburger Kinderpsychiater Prof. Remschmidt heraus, einer Erhebung über Ergebnisse der entsprechenden Behandlungen „von Kindern und Jugendlichen“. Er schrieb – fürs Erste durchaus richtig, es spiele im Fach „Psychotherapie eine herausragende Rolle„, dann aber: „Betrachtet man die Leitthemen der Psychotherapieforschung in den letzten 50 Jahren, lassen sich vereinfachend folgende Epochen unterscheiden: Auf das vorempirische Stadium (Wirksamkeit wurde unterstellt, anstatt sie systematisch zu überprüfen) folgte das Stadium, in dem es darum ging, die allgemeine Wirksamkeit von Psychotherapie überhaupt nachzuweisen, was mittlerweile als gesichert gelten kann. Darauf folgte das Stadium, das man als Phase der ’speziellen Wirksamkeitsforschung‘ bezeichnen kann … Dieser störungsspezifische Ansatz bezieht sich allerdings nicht nur auf Psychotherapie, sonders auf alle Interventionen, die für eine bestimmte Störung die relativ besten Behandlungsergebnisse bewirken…“ Die „allgemeine Wirksamkeit von Psychotherapie“ ist freilich nichts anderes als die des guten Worts allgemein. Zur „speziellen Wirksamkeit“ (der psychoanalytisch-tiefenpsychologisch-spezifischen etwa) aber schweigt sich Remschmidt aus. Dabei geht es in der Diskussion allein um sie. Wird sie doch stets hier zugrunde liegenden Theorien und dem Training in ihnen zugeordnet. Just sie aber steht nach hundert Jahren „Therapie-Forschung“  über alle angeblichen „Phasen“, „Epochen“ oder „Stadien“ hinweg nach wie vor in den Sternen. Von verlogener, verwischender Rabulistik aber waren bisher alle einschlägigen „Evalutationen“! Mit solchen Flunkereien getrauen sich renommierte Ordinarien der „Psycho-Fächer“ über die Jahre, Jahrzehnte ihren Kollegen unter die Augen zu treten. Während viel im Gesundheitswesen von „Qualität“, „Qualitätskontrollen“ geredet wird, kann ein Bereich sich weiter blähen, der aus nichts als Augenwischerei besteht.

Wissenschaftlich umfassende, kontinuierliche und an die Wurzeln gehende Freud-Kritik gibt es derzeit nur im Ausland (2). Viele neu aufgefundene Daten hat sie verarbeitet. In deutscher Übersetzung liegt davon vor H. Israels’ Der Fall Freud – Die Geburt der Psychoanalyse aus der Lüge (1999). Großes Gewicht haben dazu F. Cioffi mit Was Freud a Liar?, 1974, M. Macmillan mit Freud Evaluated,1991, R. Webster mit Why Freud was Wrong, 1991, A. Esterson mit Seductive Mirage, 1993, F. Crews mit Unauthorized Freud (1998), R. Wilcocks mit MOUSETRAPS AND THE MOON (2000) und andere. T. Dineen behandelt in MANUFACTURING VICTIMS (2. Aufl. 1998), was eine unsolide, ins Kriminelle gehende „Psycho-Industrie (insgesamt) den Menschen antut”. Besonders erhellend war an den englischen Arbeiten für den Autor die Darlegung, daß und wie Freud schon bei seinen frühesten Behandlungen mit Kokain, seiner Darstellung des berühmten „ersten“ Psychotherapie-Falls „Anna O.“ Erfolge vorgaukelte, die gar nicht existierten, der Altmeister offensichtlich das Muster vorgab, nach dem auch gewisse „Wirksamkeitsnachweise“ seiner Adepten laufen.

(2) Nachtrag (12/02): Kürzlich kam eine neue Freud-Kritik heraus aus der Feder des Bamberger Psychologen Prof. Herbert Selg: SIGMUND FREUD – GENIE ODER SCHARLATAN, Kohlhammer, 2002. Der Autor führt übersichtlich, bündig viele Freudsche Schwachstellen auf. Er gibt der Analyse trotz aller Schwächen dennoch ein langes Leben, weil sie „von Personen außerhalb der Psychologie immer wieder ernst genommen“ wird. Daß es vielfach auch Psychologen sind, die heute Freud­sche Psychotherapie praktizieren, sagt er nicht. Seit Eysenck will psychologische Freud-Kritik all zu oft nur bewahren, was mit Dührssen just Freudianer errungen haben, den prinzipiellen Zugang von Psychologie, „sprechender Medizin“ zu den Geldtöpfen der Krankenkassen. An therapeutischer Wirksamkeit werde die Analyse, schreibt Selg, „von anderen Therapiearten, z.B. von der Verhaltenstherapie übertroffen“. Daß auch an deren Theorien und Effizienzkontrollen manch Fragwürdiges ist , sagt er nicht. Heilsam effiziente, menschengerechte Psychotherapie ist fraglos wünschenswert..

Ernsthafte Freud-Kritik hat es auch hierzulande gegeben, hier einst die Kritik international führender Fachleute von K. Jaspers bis K. Schneider, H. J. Weitbrecht und anderen. Heute geben sich die „führenden“ deutschen Psychiater zwar zwischendurch auch „kritisch“. Prof. M. Berger, Freiburg, etwa stellt auf Seite 162 seines modernen, viel gelobten Lehrbuches PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE (Urban und Schwarzenberg, 1999) fest, es werde der Psychoanalyse „vorgeworfen, daß ihre Begriffsbildungen und Konzepte Verifizierung bzw. Falsifizierung von Hypothesen nicht gestatten und daß sich ihre wissenschaftliche Vorgehensweise nicht an den Grundlagen empirisch-wissenschaftlicher Methoden orientiert (Popper 1963) … Die Kritik bezieht sich weiterhin auf den weitgehend fehlenden klinischen Wirksamkeitsnachweis“ der  Analyse. Die „Kritik“ dieser „Kritiker“ kommt freilich meist im Konjunktiv als Fremdzitat, unter Verweis auf andere und offensichtlich vollen Hosen. Spätestens im übernächsten Satz schon tun diese „Kritiker“ dann, als seien die therapeutische Wirksamkeit der Psychoanalytiker doch über alle Zweifel erhaben und ihre Aussagen immer höchst bedenkenswert.

Ähnlich der Eiertanz, den die gesamte Ärztevertretung in den letzten Jahrzehnten um die Analyse aufführt. Es kommen zwar in Ärzteblättern mitunter auch heute noch Freud-Kritiken vor (3). Sie werden aber umgehend mit den wütenden Entgegnungen, scipionischen Drohungen derer konterkariert, die mit Freudschem Bluff ihren Lebensunterhalt bestreiten (4). Empörung bei ihnen, daß Schwindel mitunter noch Schwindel genannt wird. „Nirgends wird in der Medizin so fanatisch und intolerant gestritten wie in der ‚Tiefenpsychologie’“, stellte H.J. Weitbrecht in seinem Lehrbuch Psychiatrie im Grundriss (1963) noch fest (5).

(3) Auf einen der vielen Jubelartikel des Deutschen Ärzteblattes zur Psychoanalyse (Schwierige Evaluation von P. Bühring in Heft 30/01 – s.o.) kam in Heft 38/01 der Leserbrief von Dr. J. Wiedmayer, Erlangen:

Glaubenslehren auf brüchigem Fundament

Psychoanalyse wie auch… Psychotherapie, sind, darüber kann auch das durch Brille, Bart und Zigarre unterstützte Durchblickergebaren ihres Erfinders Freud nicht hinwegtäuschen, Glaubenslehren, gegründet auf allzu brüchigem Fundament. Der Spuk wäre schon längst in der akademischen Mottenkiste gelandet, gelänge es nicht deren in mannigfachen Zirkeln organisierten „Hohenpriestern“ in froher Seilschaft mit einschlägigen Medien … ihren Seelenfirlefanz als tiefe, hilfreiche Erkenntnis zu verkaufen… Das erbsenzählerische Brimborium des vorgenannten Artikels entläßt den geneigten Leser deshalb ratlos, weil es hinsichtlich der Beurteilung des Nutzens Psychoanalyse-Psychotherapie nichts zu „evaluieren“ gibt, handelt es sich doch um das milde Miteinander zweier Glaubenslehren… Gespräche mit gesundem Menschenverstand geführt …, sind in seelischer Not oft hilfreich, wer wüßte das nicht? … Der Anspruch jedweder „Therapie“-Verfahren – natürlich nur in unzähligen, teuren Psychoseminaren schwer zu erwerben -, kraft höherer Einsichten und besserer Methoden etwas darüber hinaus zu bewirken, ist … gleichermaßen naiv wie lächerlich…

(4) Auf vorstehenden Leserbrief entgegnete Dr. G. Obertreis, Krefeld in DÄ 8/02

Offene Feindseligkeit

Dieser Leserbrief stellt in seiner offenen Feindseligkeit und hochgradigen Unsachlichkeit eine Diffamierung einer ganzen Ärztegruppe und nichtärztlicher Psychotherapeuten dar. Die Beziehung der somatisch tätigen Ärzte und Psychotherapeuten wird durch solche Stellungnahmen weiter zerrüttet… Ceterum censeo, daß sich auch die ärztlichen Psychotherapeuten, die wie ich ausschließlich psychotherapeutisch arbeiten, den sich bildenden Psychotherapeuten-Kammern anschließen mögen, daß sich daraufhin Kassenpsychotherapeutische Vereinigungen bilden mögen und daß eine Gebührenordnung für Psychotherapeuten (Gap) angestrebt wird. Ich habe zunehmend Schwierigkeiten, eine Zeitschrift durch meine Kammerzugehörigkeit mitzutragen (das DÄ wird nicht aus Kammerbeiträgen finanziert, die Red.), in der mir in Form solcher Leserbriefe eine derartige Feindseligkeit entgegenschlägt.

(5) Weitbrecht beschränkte sich weitgehend darauf, Freud zu zitieren, etwa dessen Ansicht, man dürfe als Therapeut „sich die Symptome in Ätiologie übersetzen und dann von den Kranken dreist die Bekräftigung seiner Vermutungen verlangen …; man besteht fest auf dem, was man erschlossen hat, und besiegt endlich jeden Widerspruch dadurch, daß man die Unerschütterlichkeit seiner Überzeugungen betont.“ Dreistigkeit aber ist das Markenzeichen der Analyse bis heute geblieben.

Mit der Attitüde der Erhabenheit über kleinliches Gezänk, vor allem aber dem Verweis auf den psychotherapeutischen „Wirksamkeitsnachweis“ Dührssens setzten sich Ärztevertretung, Ärztetag, Ärzteblatt etc. anstandslos über Jahre, Jahrzehnte über alle, auch die fundiertesten Einwände hinweg. In Salami-Taktik trieben sie die „Integration“ der Freudschen Pseudowissenschaft in die Medizin voran und krönten sie 1999 mit der Einrichtung eines auf Freuds Dogmen ruhenden „Facharztes für psychotherapeutische Medizin“. Plumpen Flunkereien gaben sie statt offensichtlich, weil die politische Führung quer durch die Parteien, selbst an ihnen interessiert, selbst an ihnen mitwirkte. Wenn ein Prof. Kolkmann beim letzten Deutschen Ärztetag in Rostock Ende Mai 2002 sagte, daß „die wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften die lex artis medicinae verkörpern“ (DÄ 23/02), so kann, wer das Wirken der Analytiker-Lobby unter den Ärzte-Parlamentariern erlebt hat, nur müde abwinken. „Fachgesellschaften“ gibt es auf psychotherapeutischem Gebiet wie Sand am Meer. Fast täglich tauchen neue auf.

Karl Jaspers bemerkte in Rechenschaft und Ausblick (Piper, München) 1950 schon, wie von den Ärzten die Ansprüche der Psychoanalyse „ernst genommen werden, (darüber) kann man wohl in Staunen geraten. Das Maß der Anerkennung… seitens der Nichtanalytiker, die Vorsicht, als ob etwas daran sein könne, die Sorge, durch radikale Verwerfung der Unwissenschaft sich zu blamieren, zeigt, wie tief die Wirkung dieser Glaubensweisen geht…“ (RB 2/00, K.3.3). In dem jahrzehntelang schleichenden, mit fast krimineller Energie verfolgten Anerkennungsprozeß der „analytischen Psychotherapie“ wurden die Ärzte offensichtlich von keinen wissenschaftlichen, sondern von rein politischen Überlegungen und/oder Einflüssen bestimmt, wie sie 1945 mit der Rede des alliierten Psychiater-Generals G.B. Chisholm vor amerikanischen Spitzenpolitikern zum Ausdruck kamen:

„…Die Uminterpretation und letztlich Ausmerzung des Konzepts von Richtig und Falsch, …, das sind die letzten Ziele praktisch aller effektiven Psychotherapie Wenn das Menschengeschlecht von seiner es verkrüppelnden Last von Gut und Böse befreit werden soll, müssen es Psychiater sein, die hierfür die Verantwortung übernehmen… Wir haben (jetzt) bei etwas Glück vielleicht 15 oder gar 20 Jahre vor uns, bis der nächste Weltkrieg ausbricht, 20 Jahre aber auch, um die liebsten Gewißheiten von genügend Menschen umzukrempeln, 20 Jahre, um das älteste und blühendste parasitäre Wachstum in der Welt zu entwurzeln und zu vernichten, den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse…“ (RB 2/00 –  der englische Originaltext in ganzer Länge im englischen Teil unserer Web-Site). Diese Ziele, kurz nach Ende des 2. Weltkrieges vor Mitgliedern der Roosevelt-Truman-Administration unter dem Titel „Reestablishment of a Peaceful Society“ ausgebreitet und von einzelnen von ihnen offen unterstützt, sind es allem Anschein nach, derenthalben die Regierenden und ihre Hilfswilligen in der Medizin die analytische Psychotherapie und die wesentlich mit ihr „reformierte“ Psychiatrie über alle ihr anhaftenden Fragwürdigkeiten hinweg allerorts vorantreiben.

So „fanatisch und intolerant“ sie immer stritt (s.o.), wurde die „Tiefenpsychologie“, dem Marxismus auch hierin verwandt, weithin als „Friedenserziehung“ gefeiert. Es wurde ja auch das Konzept von Richtig und Falsch, Gut und Böse oft genug schon mißbraucht. Kann seine Ausmerzung jedoch je anderes gebären als noch mehr Unfrieden und Willkür? Zum Chisholmschen Ziel einer Kulturrevolution der 68er Art passen natürlich Freuds Menschenverachtung, seine „konzeptionellen Irrtümer, unablässigen Apriorismen, Nichtbeachtung von Gegenbeispielen, einschüchternden Untersuchungsmethoden, seine gedanklichen Kurzschlüsse, rhetorischen Ausweichmanöver und seine umfassende, chronische Unwahrhaftigkeit“ – so der Kalifornier Frederick Crews in der Einleitung seines oben genannten Buches.

Hierzulande aber kotauen heute hochmögendste Psychiatrie-Ordinarien, rührigste Ärztevertreter, schlaueste Journalisten wie auch reputierteste Gelehrte vor Freud. Wie vor anderen Herausforderungen in der „Seelenheilkunde“, etwa der Psychiatrie-Reform, dem Psychiatriemißbrauch gehen sie der offenen Diskussion aus dem Weg, helfen sie Freuds Konstruktionen institutionell zu befestigen und sie dem Volk immer eindringlicher unterzujubeln. Konnte und kann solches, darf man fragen, anders geschehen und anders zum Erfolg führen als auf höchste politische Veranlassung hin? Am Rande: Die AOK Berlin bot an ihrem „Zentralinstitut für psychogene Erkrankungen“ analytische Psychotherapie an, lange bevor Dührssens „Wirksamkeitsnachweis“ vorlag. Zu seiner Erstellung lieferte die halb-staatliche Einrichtung nicht nur die Behandlungsdaten ihrer Krankenversicherten, sondern auch alle manpower und alle materiellen Unterlagen bis hin zum letzten Bleistiftspitzer. Wenn das nicht eine politische Auftragsarbeit war! Ähnlich erstaunlich, daß etwa Leuzingers Arbeit – wie sie ausdrücklich festhielt – „von der (halb-staatlichen)  Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert“ wurde, was erneut ein vorausliegendes, politisches Interesse an diesem „Wirksamkeitsnachweis“ ausweist.

Trotz unentwegter Propaganda, die für die Psychoanalyse über die Jahrzehnte allerorts lief, steht ihre therapeutische Wirksamkeit bis heute dahin. Wie viele Millionen Mark und Euro wurden da aus öffentlichen Mitteln vergeudet? Wieviel Korruption hat sich von ihr und ihrer öffentlichen Anerkennung zudem über die ganze Gesellschaft gebreitet? Wie viel mehr noch wiegt aber das menschliche Leid, das dadurch erhalten, wenn nicht gar produziert wurde? Erbarmungslos wurden und werden hilfesuchende Menschen der Pseudowissenschaft ausgeliefert.

Die Spannung aber wächst. Während sich etwa das englisch-sprachige Ausland immer entschiedener schon aus dem Bann Freuds löst (vgl. auch vorstehende Äußerungen Dr. Sophie Freuds über ihren Großvater), geben sich die Freudianer hierzulande immer dreister (Obertreis, Fußnote 4). Und unsere Ärzterepräsentanten, Medienbosse und Politiker, rote wie schwarze, blasen den Schwindel weiter auf. Welche Peinlichkeit sie noch einholen wird, wenn anglo-sächsische Offenheit einmal in unserem Land ankommt, läßt sich dennoch voraussehen

Freuds Streitern kam über die Jahre gewiß zustatten, daß auch die Kritik an ihm mitunter etwas unzulänglich war oder daß sie sternschnuppengleich aufschien und schnell wieder erlosch, etwa D. Zimmers TIEFENSCHWINDEL von 1986. So ist ja, auch wenn Freud uns ein ganzes Jahrhundert lang narrte, noch lange nicht ausgemacht, ob bestimmte Therapie-Verfahren und ‑Lehren – und seien sie „in unzähligen, teuren Psychoseminaren schwer zu erwerben“ – nicht doch „höhere Einsichten“ vermitteln können, mit denen bei (manchen) seelisch Leidenden über den „gesunden Menschenverstand“ hinaus doch noch „etwas zu bewirken ist“ (Fußnote 1). Dies festzustellen könnte es vielleicht gar „erbsenzählerische“ Erfolgskontrollen brauchen, bessere freilich als jene, mit denen die angeführten Autoren und das „Organ der Ärzteschaft“ die Öffentlichkeit bisher immer wieder über die derzeit noch kläglichen psychotherapeutischen Realitäten hinwegzutäuschen versuchten.

Als eine menschlich ansprechende und angemessene Lehre haben wir V. E. Frankls Logotherapie und Existenzanalyse vorgestellt (Rundbrief 3/01). Es mag noch manch andere Psychotherapie geben, die zumindest nicht von vornherein so gegen allen „gesunden Menschenverstand“ angelegt und nicht so von Lüge und Zynismus geprägt ist wie die Freudsche. Erfolgsnachweise der genannten Art hat die Logotherapie freilich noch nicht vorgelegt, das Eintrittsbillet zu den Geldtöpfen der deutschen Krankenkassen noch nicht erworben. Oder gereicht es ihr zur Ehre, daß sie es mit faulen „Nachweisen“ noch nicht versucht hat?

Zur Wiederein­führung der Psychoanalyse in Deutschland nach ’45

Freud, die Psychoanalyse und die Folgen waren über die Jahre oft Themen auch der  GEP-Rund­briefe. Nun kam der Wunsch auf, die umfänglichsten, jeweils spezielle Aspekte beleuchtenden Beiträge im deutschen INFC-Teil zusammenzustellen, um sie den speziell interessierten Lesern leichter und konzentrierter zugänglich zu machen. Freud spielt ja in alles Weitere von uns Behandelte hinein, ist vielfach Ursprung und Basis der von uns aufgezeigten Nöte. Der folgende Artikel stand erstmals in RB 1/10,3.

Warum Kritik an der Psychoanalyse? Eine kurzgefaßte Geschichte ihrer Wiederein­führung in Deutschland nach ’45 an Hand von Feststellungen anderer und persönlichen Erfahrungen

Immer wieder wird gefragt, warum wir über alle Schwierigkeiten hinaus, die die Kri­tik am Psychiatrie­mißbrauch, an dem der DDR in Sonderheit, an den Ver­brechen des Sozialismus gar allge­mein, über alle Ma­ßen schon einbringt, auch noch Kritik an der Psychoana­lyse üben, die doch selbst in psychiatriekritischen Kreisen heute als gute Alternative und in deutschsprachigen Ländern insgesamt als heh­re Heilkunde gilt.[1] Ihre Zurückweisung müsse uns so doch nur noch größere Schwierig­keiten einbringen.

Die Antwort: Weil auf dem Gebiet ein Schwin­­­del in den anderen greift – auch in der Psycho­analyse liegt Beugung der Wissenschaft mit fragwürdigen Folgen und damit Miß­brauch der Seelenheilkunde vor -, ist ei­nem Schwin­del und einem Mißbrauch nicht ohne den an­­de­ren zu weh­ren, ist jeglichem Mißbrauch des Fachs, jeglichem Schwin­del auf dem Gebiet mit gleicher Ent­schie­­­­den­heit entge­gen­zutreten. Nicht von un­gefähr hat es so die GEP in ihrer Sat­zung fixiert und hat es in der Auslegung ihrer Ver­einsziele von 1994 noch­mals bekräftigt (RB 2/94,8.5).

Fehlpraktiken hat es in der Seelenheilkunde gewiß auch ohne Freud genug gegeben, im braunen Terror weit Schlimmeres noch. Seit der russischen Revolution steht mit dem gar nicht so erfolglosen Trotz­ky­schen Versuch der Schaffung eines „neuen Sowjet­men­schen“ (RB 1/08,4.4) die Psychoanalyse gar am Anfang des umfänglichsten politischen Mißbrauchs der Seelen­heilkunde überhaupt. Mit der 68er Ver­qui­ckung von Psy­­­cho­ana­lyse und Marxis­mus hat sie das Denken auch in vielen west­lichen Ländern geprägt, vielleicht auch hier einen „neu­en Men­schen schon her­vor­gebracht, ei­nen, wie man­che fin­den, „politisch (korrekt)“ unbekümmert-unkritischen, die verbreitete Verharmlosung besagter Ver­bre­chen sym­pto­ma­­­tisch dafür. Nicht von un­gefähr hat Karl Jaspers (1883-1969) dem Kom­­mu­nis­mus, dem Nazis­mus (der Ras­sentheo­rie) und der Psychoanalyse einen ähn­­lich to­talitären Charakter zu­er­kannt (s.u.). Es ist gewiß ange­mes­­sen, auch der Ana­lyse weiter kritische Auf­merk­samkeit zu widmen. Auf Jaspers hat uns un­ser Mitgründer und langjähriger Eh­ren­prä­sident Walter Ritter von Baeyer im­mer ge­wiesen.

In englischsprachigen Län­dern ist die Psychoanalyse jetzt in freiem Fall. Hier­zulande wird sie weiter ge­stützt. Erst Ende November 2009 machte in Berlin eine neue private „Hochschule“ als „In­ternational Psycho­analytic University – IPU“ auf,[2] offen für (aus dem Lager der Sozial-Pä­da­go­gen, Sozialarbeiter usw. kommende) „Quer-Ein­steiger“ (RB 1/09,3.5). Gleichzeitig be­­­stärkte der Vor­sit­zende der KBV Dr. Köhler die Freu­dianer, „ihre Bedeutung für die Versor­gung (wessen?) in der Öf­fentlichkeit stärker zu vertreten“ und die „psychoso­mati­schen Gebührenziffern … stär­ker zu benüt­zen“ (DÄ 50/09), was un­ter gegebenen Bedingungen[3] fast einer Anstiftung zur Betrügerei gleichkommt. Sind doch die relevanten „Nachweise“ einer the­rapeutischen Wirkung der An­alyse als Augenwischerei ausgewiesen (RB 2/03, 5.2). Schon Breuers und Freuds erster, als Be­hand­lungs­erfolg ausgegebener Fall der Anna O. war ein Flop. Natürlich benützen viele Ärz­te die fetten Ziffern gern und finden nichts dabei, den Schwin­del da­mit weiter zu bestärken. KBV-Richtlinien gemäß (RB 2/07,5.4) erfinden sie Es-Ich-Überich-Kon­flikte als Ursache dieser oder je­ner „Störung“. Auch so läßt sich der Freudsche Geßler-Hut grüßen, der Psy­cho­ana­lyse (1), Psychosomatik (2), Tie­fen­psy­cho­lo­gie (3) Re­­verenz erwei­sen, 2 und 3 in aller Regel gleich 1.

In etwa gleich­zeitig waren Anfang der 70er der so­­wje­ti­sche Psychiatriemißbrauch, hierzulande aber die Psych­iatrie-Re­form und, in sie integriert, die Etablie­rung der Psychoanalyse in Gang ge­kom­men. In gleicher Weise und gleich­zeitig er­hob ich so gegen sie Einspruch. Aus­gie­big konnte ich diesen an­fangs noch im Deutschen Ärz­te­blatt publizieren. Es be­fand sich damals[4] noch nicht in 68er Hän­den. Diesem meinem, unserem Vor­gehen gegen Mißbräuche der Seelen(heil)kunde der verschiedenen Art begegneten von Anfang an von Seiten der Psy­cho­ana­ly­tiker schärfster Widerstand, der gleiche Aus­druck entgeisterter Mißbilligung, still (mitunter auch laut) kochen­der  Wut, wie ich ihn auch in der Mitgliederversammlung der DGPN 1972 in Wies­baden erlebt hatte (RB 1/88, S. 60). Sie hat­te ich aufgefordert – wer wagte es sonst? ­-, gegen den Mißbrauch des Fachs in der Sowjetunion vorstellig zu werden. Der Haß der Freudianer aber traf und trifft, wie häufig in Sekten, be­son­ders Re­ne­ga­ten,[5] sol­che, die etwa ein Berufsleben lang Psycho­the­ra­pie ausübten, gar „psychoana­lyti­sche Me­thoden be­nützten“ (Jaspers, s.u.), die die „psycho­somatischen Ge­büh­ren­zif­fern“ wie Freud­­schen Axiome jedoch mieden und da­mit dem auf­ge­stellten Geßler-Hut den Gruß verweigerten.

Immer ad personam gingen die Angriffe der Freudianer und brachten anfängliche Mitstreiter von uns ab. Auch die Ärzte-Ra­­bau­ken, die 1974 den Deutschen Ärztetag in Berlin und hier just die Psychia­trie-De­batte spreng­ten, rückten in ihrem vor der Kongreß­halle verteilten Pamphlet „Verkauft und ver­raten“ just die besagten, u.a. freud-kritische Publikatio­nen (Fn 12) – an Brisanz kamen sie den GEP-Rund­brie­fen gleich – ins nicht mehr Dis­ku­tab­le, Habermas-scher „Ausgren­zung vom Dis­­kurs“ entspre­chend. Ihre 68er Positionen und Ma­nieren fan­den zuneh­mend freilich Anklang in der ge­samten Ge­sell­schaft, den Me­dien und auch bei der Union, geballt dann in der Psychiatrie-Enquête.

Was wir nach der Vereinsgründung 1977 unter von Baeyers Aegide als DVpMP und ab 1999 dann als GEP ne­ben besagten The­­­men zum Psych­ia­trie­miß­brauch im Sozialismus vorbrachten, kam so bei der Ärzteschaft, ja der gesamten politischen Klasse nicht mehr an. Selbst die Opferverbände, [6] die doch den Op­­fern dienen sollten, wollten von diesem Mißbrauch in der DDR und sei­nen Opfern nichts mehr wissen. Primär folgen sie halt ihren Geldgebern, das heißt der Regierung.

Wie sich die Wandlung der Gesell­schaft, mit ihr die Wand­lung auch der Ärzteschaft und ihres Or­gans ins neo­­marxistisch-„politisch Kor­rekte“ ab­spielten, haben wir öf­ters schon beleuchtet. In den USA trug sich un­ter dem Einfluß der Psychoana­lyse ja Ähnliches zu (RB1/ 08,3). Ih­re (Wie­der-)Eta­blie­­rung nach 1945 in Deutschland mündete bei den 68ern und brachte die all­gemeine Korruption im Land auf den Weg, den Ver­riß „se­kun­dä­rer“, wenn nicht ganz primärer „Tugenden“ (Lafontaine), das Schönreden sexueller Übergriffe auf Minderjährige nicht zuletzt. DIE HOHE KUNST DER KOR­­RUP­TION, Hoffmann & Campe, 1989, pries der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter, nach A. Mitscherlich Leiter des Sigmund-Freud-In­stituts in Frankfurt, beliebter Festredener der deutschen Ärzte. Natürlich kam Freud wie sei­nen Anhängern viel Mensch­li­ches entgegen. Angst in ihren vielfäl­tigen For­men mach­­te gewiß den größten Teil des „neurotischen Elends“ aus, dem abzuhelfen er billig versprach. Zwar half die Analyse gegen die Phobien, ge­gen krankhafte Angst, auch nicht,[7] weckte aber wenigstens Hoffnung, die sie bei ihrer langen bis un­endlichen Dauer nie einlösen mußte. Mit­unter halfen Spontanheilungen.

Daß die Psychoanalyse in den ersten Jahren nach 1945 an der Heidelberger Universität Fuß fassen konnte“, sei, schreibt Bormuth[8], „das Verdienst“ Viktor von Weizsäckers und Alexander Mitscher­lichs. Dieser, vor 1933 mit Ernst Jünger und Ernst Niekisch „national-re­volutio­när“ bewegt und von Hause aus gut betucht, war kri­tisch ge­worden, als er das NS-Sy­stem ab 1933 selbst un­gut zu spüren bekam, 1935 gar ein paar Monate Gestapo-Haft. Größtmöglich­en Abstand hielt von Baeyer von ihm.

Von Weizsäcker, ursprünglich von seinem Kommilitonen Kronfeld für Freud erwärmt, besuchte diesen 1926 in Wien. Von ihm erlebte er für eine erste an ihn anlehnende Ar­beit aber eher eine Ab­fuhr. So brach er 1933 den Kon­takt zu Freud ab, erwähnte ihn bis 1945 nicht mehr, warf selbst eines seiner Bücher ins Nazi-Feu­er und erklärte dafür den Antisemiten C.G. Jung zur „Säu­­le der Psycho­­thera­pie“. 1941 erhielt er einen Lehr­­stuhl für Neu­rologie in Breslau, an dem, heißt es, ein Mit­arbeiter Ge­hirne „euthanasierter“ Kinder sezierte. 1945 nach Hei­delberg zu­rückgekehrt, stellte er sich, die Psychoso­matik wieder aufnehmend, dafür „mit kom­pen­sa­to­ri­scher Leiden­­schaft“ hinter „den „kul­tur­kritischen Impetus der Psychoanalyse als notwen­dige ‚geistige Revolution’“. Mit Mitscherlich zusammen hängte er die Verbrechen der Nazi-Ärzte der natur­wis­sen­schaft­lich geprägten Medizin an[9] und propa­gierte ihre „Befrei­ung“ „von der Bevormundung durch die Naturwissenschaft“.

In Die geistige Situation der Zeit – 1931 hatte Jaspers an der Rassentheorie, am Marxismus und eben an der Psychoanalyse ähnlich totalitäre Züge ausgemacht. Dem folgenden Ter­ror entging er mit seiner jüdischen Frau nur knapp. Ihm, der als einer der wenigen überragen­den Gelehrten des Landes vor dem aufzie­hen­den Nazismus rechtzeitig gewarnt hatte, begegneten Mitscherlich und in seiner Begleitung von Weiz­säcker als die wahren Antifaschisten.[10] Als sie ihre Absicht, mit der Einrich­tung eines Instituts die freudsche Ideologie uni­­ver­sitär zu etablieren, immer deutlicher hervorkehrten, widersetzte sich ihnen Jaspers immer heftiger (s. 3.4). Die Herren aber unterliefen sei­ne und weitere Widerstände mit allerlei Tricks – verschleiernd firmierte ihr Institut erst etwa als „Abteilung für All­ge­meine Therapie“ – und übertölpelten schließlich die ge­­samte Fakultät und bald das ganze Land. Unterstützung kam aus Ber­­lin von den Resten des dortigen Göring-In­sti­tuts.[11] Besagte „Reform der Me­dizin“ aus dem Freudis­mus geht in ähnlicher Weise aber bis heute weiter – vgl. das jüngste Animieren von KBV-Boß Köhler (3.2). Ein großes Stück voran brachte sie vor allem die Psych­ia­trie-En­quête und ‑Re­form der 70er Jahre. An Jaspers’ War­nungen ging das Land wie vor 1933 vorbei. Jaspers verließ es 1948 und legte bald darauf die deutsche Staatsbürgerschaft ab.

Von Weizsäckers Psychosomatik versprach eine „anthropologische Vollkommenheit“, die dem Trotzky­schen „neu­en Sowjetmenschen“ kaum nachstand. „Psychotherapie or­­gani­scher Krankheiten“ sollte, schrieb er, mit der „Neu­pro­duktion eines Konfliktes auf gesellschaftlicher Ebene einhergehenOb Ehescheidung , politischer Um­sturz oder re­ligiöse Revolution – allemal wird der so Geheilte zum Geg­ner gewohnter Ordnung werden und sein Arzt von den Freun­den und Nutznießern der gewohnten Ord­nung miß­billigt werden… Die recht verstandene psychosomatische Medizin hat einen umstürzenden Charakter“ (Bormuth, S. 236.). Die Ärzteschaft mißbilligte sie freilich keineswegs. Sie wie die gesamte „politische Klasse“ unterstützten sie und die mit ihr einhergehende Kulturrevolution vielmehr nach­drücklich.[12] Ob die Ärzte draußen im Land ihr wirklich als Agenten des Wertewandels dienen wollten, wurden sie nie ge­fragt, wie ja auch der restlichen Bevölkerung der 68er Wer­­te­kanon vom Gender-Mainstreaming bis zur Milde für SED-Verbre­­cher eher übergestülpt wurde und wird. Die Ärzte wie viele andere taten nolens volens mit, wie ihnen eingetrichtert wurde.

Mit ihren Vorhaben aber kamen Mitscherlich & Co. voran vor allem, weil es in den USA Mächtige gab, die ähnlich kul­turrevolutionär gestimmt waren (RB 1/ 08,3). Amerika ist eben auch das Land, in dem ein Herbert Marcuse wirkte, ein G. Brock Chisholm (RB 2/00, 3.3) bald zum ersten Generalse­kre­tär der WHO avancierte, wo die Revolution der 68er ihren Ursprung nahm und Jahrzehnte zu­vor bereits ein Schiff voller Geld in Richtung Petersburg ausgelaufen war, Trotzky an Bord, um mit Lenin zusammen die Oktoberrevolution zu ver­anstalten. Mitscherlich hatte ’45 offensichtlich ein Gespür dafür, was unter der Fahne der Freiheit jetzt anstand. Es waren jedenfalls aktuelle po­li­ti­sche Klün­gel,[13] die der Psy­cho­somatik und mit ihr bald der 68er „Revolution“ zum Durchbruch verhalfen. Karl Jaspers, Hannah Arendt und viele andere immer noch dem ho­hen jüdisch-christ­li­chen Menschenbild verhaf­te­te Ideali­sten, nicht zuletzt auch von Baey­er und wir wur­den kontinuierlich ausgebremst und ausgegrenzt. Die Entwicklung merkwürdig verschlafen haben unsere Kirchen.

Nur um nochmals ansichtig zu machen, wie deutsche Psychiater von Weltgeltung gegen Freud argumen­tier­ten, was speziell Jaspers dem hier behandelten Mitscher­lich-von-Weiz­sä­cker­­­schen Vorge­hen entgegensetzte und was die deutsche Ärzteschaft danach lässig vom Tisch wischte und bis heute ignoriert, einige Zitate (teil­weise in RB 2/00, 3.3 schon wiedergegeben):

Emil Kraepelin[14] aus Dementia praecox and Para­phrenia (aus dem Englischen rückübersetzt):

„… Überall treffen wir den charakteristischen Grundzug der Freudschen Untersuchungsmethode, die Prä­senta­tion willkürlicher Annahmen und Kon­strukti­o­nen als Fakten, die ohne Zögern zum Bau neuer und immer höher aufgetürmter Luftschlösser genommen werden, wie auch die Tendenz, von einzelnen Beobachtungen aus zu maßlosen Generali­sierungen zu ge­lan­gen. Ich muß letztlich bekennen, daß ich beim be­sten Willen dem Gedankenfluß dieser ‚Meta-Psych­iatrie’ nicht folgen kann…“

Aus Karl Jaspers’ Zur Kritik der Psychoanalyse[15]

„… Freud der überragende Kopf. Das Gewicht seines We­sens, die Radikalität, mit der er bis zum Absurden geht, sein Bezug auf die Krisis eines verlo­ge­nen Zeitalters, sein Stil und seine Eigenwilligkeit wirken stärker, als irgendeiner der Nachfolger es vermochte. … Es ist längst durch Kritiken gezeigt worden, was in seinen Schilderungen, Deutungen, Thesen Erkenntnis­be­deu­tung hat, was pseudowissen­schaftliches Verfahren, was in der Folge nicht etwa Fortschritt einer haltbaren Theorie, sondern bloßer Wandel der Einfälle des Autors ist. Freud nimmt nicht teil am Sinne moderner Wissenschaft. Er bewirkt mit seinen Entschleierungen selber neue Verschleierungen….

Heute gibt es innerlich unabhängige Psychotherapeuten, die den Menschen lieben und ihm helfen möchten. In je einmali­ger persönlicher Gestalt tun sie vernünftig das Mögliche. Sie benutzen auch psychoanalytische Methoden, ohne ihnen zu verfallen. Sie organisieren und technisieren nicht, was für immer Sache der geschichtlichen Kommunikation einzelner Men­schen bleibt. Sie sind naturwissen­schaftlich klares Erkennen gewöhnt und haben es stets als die Grundlage aller Therapie gegenwärtig. Von ihnen soll hier nicht die Rede sein…

Die Weise der therapeutischen Wirkung (der Psychoanalyse) ist fragwürdig. Man weiß, daß alle psy­chotherapeutischen Verfahren in der Hand wirksamer Persönlichkeiten Erfolge haben, durch die Jahr­tau­sende hindurch. Man sieht, daß psychoanalytische Verfah­ren ebensoviel Erfolge und Mißerfolge haben wie andere Me­thoden. Die Befriedigung mancher Patienten an der eingehen­den Beschäftigung mit ihnen und ihrer gesamten Biographie ist nicht gut als Heilung zu bezeichnen. …Was hier Therapie heißt in der Unbe­stimmt­­­heit und Be­liebigkeit des Sinns von Heilung, ist an dem Worte eines namhaften Psychoanalytikers von 1933 zu er­ken­nen: die größte psychotherapeutische Handlung sei die Wirkung Adolf Hitlers…“ – nach Bormuth (S.252) Aus­spruch des Psychoanalytikers (Hans von) Hattingberg.

„Es erwächst (aus der Psychoanalyse) der Anspruch eines Totalwissens vom Men­schen, von seiner eigentlichen Substanz, die noch vor der Scheidung in Leib und Seele liegt. Diese Totalisierung der Menschenauffassung ist wissenschaftlich unmöglich. Sie ist als Denkstruktur dem Totalitarismus in der historisch-sozio­logi­schen Auffassung analog. Sie beruht auf der Verwechslung von Erkennbarkeit und Freiheit. Freiheit, zum Gegenstand ge­macht, ist nicht mehr Freiheit.

Krankheit wird zur Schuld. Was in begrenzten Bereichen ein möglicher Standpunkt gegenüber Krankheitserscheinun­gen ist – in keinem Falle ein ärztlicher Stand­punkt – das wird mehr oder weniger deutlich auf alle Krankheiten aus­gedehnt. Eine falsche und in ihren Folgen inhumane Philoso­phie verdirbt den Sinn und das Ethos ärztlichen Helfens.

Es entsteht, mehr oder weniger bewußt, eine Vorstellung von menschlicher Vollkommenheit, die Ge­sundheit genannt wird. Die Einheit des Menschen, die Einheit der Wissenschaft, die Einheit der Medizin werden pathetisch betont – aber ge­meint als Unterwerfung unter die fragwür­digen Glaubensge­halte der schlechten, schwankenden, in verwirrenden dialek­tischen Kreisen unklar sich bewegenden Philosophie (Freuds)… Man fragt sich, ob die Psycho­analyse der Weg sei zur Reife…  Oder ob hier nicht vielmehr durch verkehrten, bodenlosen Glauben, der sich fa­natisch festhält, der Weg verlegt wird zum eigent­lichen Menschsein…

Das medizinische Kleid für unmedizinische Anschau­un­gen, das ärztlich-therapeutische Kleid für un­ärztliche Be­handlungs­methoden im Umgang mit Leiden und Nöten schafft eine Ver­wirrung der Grund­haltung, die den Boden bereitet für eine Orthodoxie…

… Blickt man auf alle diese Er­schei­nungen… und sieht man dann, wie et­wa auf dem Wiesbadener Internistenkongreß 1949 solche Dinge ernst genommen wurden, so kann man wohl in Stau­nen geraten.. Das Maß der Anerken­nung in der Diskussion seitens der Nichtanalytiker, die Vorsicht, als ob etwas daran sein könne,[16] die Sorge, bei radikaler Verwerfung der Unwissenschaft als befangen zu gelten, zeigt, wie tief die Wirkung dieser Glau­bens­weisen geht. Es könn­te hier, wo mit der Wissenschaft zu­gleich Freiheit und Menschlichkeit und der Ernst des Un­­bedingten bedroht sind, eine Reaktion zur notwendigen Selbstbesinnung führen…“

Von Weizsäcker, Mitscherlich (der ihn bald ab­hängte) und Co. bewiesen fraglos Geschick, Jaspers’ Widerstän­­digkeit zu überwinden. An seinen Mahnungen ging Deutsch­land wieder vorbei,[17] ebenso an denen vieler an­derer Freud-Kritiker, die sich bald, auf neue Entdeckungen Freudscher Flunkerei ge­stützt, zu­nehmend in aller Welt zu Wort meldeten. Hierzu­lande wurde derweil aus­gegrenzt, wer an Freud nicht glaub­te. Selbst für Opferverbände gilt heute als psychiatrisch nur oder doch be­son­ders kompetent, wer wie die Damen Süß (2.2) und Ebbing­haus (2.1) dem Freudschen Aberwitz anhängt, am besten den 68ern rund­heraus (RB 2/09,1). Diesen galt ja die DDR à priori als das bessere Deutschland.

1973, als die analytisch reichlich schon mitbestimmte Psych­­­ia­trie-En­quête, von der CDU/CSU angefor­dert, vom Bun­­­destag in Gang gesetzt, schon fortgeschritten war und ihr Zwi­­­­schen­be­richt bereits vorlag, toppte die damalige Bun­des­gesund­heitsmi­nisterin Focke (SPD) das Unterneh­men, in­dem sie der Enquête-Kom­mis­sion noch ei­nen Extra-Trupp von Ana­ly­ti­kern aufsetzte. Deren Wortführer war jetzt Horst-Eber­hard Richter, Mit­scher­­lichs Nachfolger als Direktor des Sigmund-Freud-In­stituts in Frank­furt, SPD-Wahl­kämp­fer, Vor­mann des Freud-(Mar­­x)ismus jetzt in Deutschland (s.o.).[18] Nicht zuletzt über dem psy­cho­analy­ti­schen Auf­satz geriet der anderthalb tausend DIN-A-seitige En­quête-Be­richt 1975 in seiner sprachli­­chen Öde, seiner Verblasenheit und seiner po­litischen Verdrücktheit – über Institutsambulanzen ver­folgte er breiteren staat­lichen Zugriff auf das Fach, über die Psycho­­therapie Zu­griff auf jedermann – zu einer neu­en Peinlich­keit der deutschen See­lenheil­kun­de.

Immerhin war es ja die Zeit, in der jenseits des großen Teichs – davon erfuhren wir freilich erst später – ein ganz anderer Trend schon eingesetzt hatte. Zu Aufstieg und Fall Freuds in den USA standen in RB 1/08,3, stützend auf das Buch von E. Fuller Torrey FREUDIAN FRAUD, schon einige Ausfüh­rungen. Ein weiteres in­zwi­schen er­schienenes Buch verbreitert die Spur, das Buch des Psychiatrie-Profes­sors an der McGill University in Montreal Joel Pa­ris THE FALL OF AN ICON (University of Toronto Press, 2005). Es  zeigt, wie in Nord-Ame­rika bereits in den 70er Jahren die Ablösung von Freud innerhalb der Psychiater-Zunft vorankam. Hierzulan­de erwärmten sich derweil die Seelen-Exper­ten, die Ärzteschaft insgesamt, ja die gesamte „politische Klas­se“, auch die Union für ihn (und Marx) erst richtig. Persönliche Erfahrun­gen einflechtend, führt Pa­ris ein Beispiel an, das die un­­ter­schiedliche Auf­­nahme des „Freud-Marxismus“ in der der (Seelen-)Heil­kunde beidseits des Atlantiks verdeutlicht.

Auf der Höhe der Revolte lud die McGill-Klinik Herbert Marcuse zur Diskussion, zu seiner fachlichen Unterstützung dazu noch den Psychiater „Ro­bert“. Die Versammlung wurde von einer Gruppe Maoisten gestürmt, die die Diskussion mit Zwischenrufen störten. Marcuse klagte das Fach an, auf der Seite des „Establishments“ zu stehen. Der alt verdiente Klinikchef (Dr. Lehmann) hielt da­gegen, die Revolutio­näre versprächen nach der Revolution kommende Sahne, lieferten sie aber nie. Robert stand auf, rief: „Ich geb’ euch eine“ und spritzte Leh­mann mit Sahne voll. Als ihn McGills De­kan zu stoppen ver­suchte, gab’s ihm „Robert“ ebenso. Marcuse verteidigte ihn. Die Maoisten brüllten und drohten, die Ar­beiter-Klas­­­­­­se zum Aufruhr zu führen. Lehmann sorgte für Beru­hi­gung, indem er einräumte, vielleicht ein fal­sches Wort gesagt zu haben. „Aber lassen Sie uns jetzt die Diskussion fortsetzen“ – wie’s dann auch geschah.

7  Als in Berlin 1974 ein ähnlicher Haufen in den Deutschen Ärztetag brach (RB 1/01,6.9), ließ die Ärztetagsleitung die eben lau­fende Psychiatrie-Diskussion – kurz war  ich da noch zu Wort gekommen – in lauter Marschmu­­sik un­terge­hen und schloß sich in der Folge ohne viel Auf­he­bens den linken Chaoten an, die Psychotherapie, in der es Ein­fühlung und Offenheit braucht, der Freudschen Dogmatik überlas­send, dafür andere jetzt ausgrenzend.

Paris schildert, wie die der Freud-(Marx)-Bewe­gung entsprungenen „Sozialpsychiater“ selbst in den USA eine Zeitlang die Oberhand gewannen und gar das National Institute for Mental Health (NIMH) vereinnahmten. „The hijacking of a national research centre to pro­mote an agenda of social change seems incredible. The institution… reflected the ‚Zeitgeist’“ (weitere Zi­tate s. nachfolgenden Kasten). „Die“ Psychiater waren da­mals in aller Welt ver­sessen, die deutschen zu­dem von „kompensatori­scher Lei­denschaft“ erfüllt, die Gesellschaft zu verändern und sie (zu­min­dest rhetorisch) von al­l ihren Gebre­chen zu heilen. „Psychis“, die Kar­riere ma­­chen woll­­ten, wa­ren da­mals allesamt „Sozialpsychiater“ – solche, denen die Psy­ch­­iatrie der DDR auch heute noch als „positiv und be­wah­­­renswert“ gilt (RB 1/09,2.7).[19] Neben Psychoanalytikern und Po­liti­kern wa­ren sie die treiben­­de Kraft hinter der Reform. Wer ein noch so dürftiges Pa­pier­chen zum En­­quête-Be­richt bei­trug, hat­te bereits das Ticket für einen psych­ia­trischen Chef­arzt­posten in der Tasche. Das „unfreie System der Planwirtschaft“ legte da in seiner „Ver­korkstheit“ (Philipp Rösler) im Gesundheitswesen los.

8   Effizienz-orien­tier­te und damit Freud-kriti­sche Psych­­­iater lösten in Amerika derweil, so Paris, die lang auch dort do­mi­nierenden Freudianer ab.[20] Einige von ihnen wech­­selten gar selbst zur exakten Wissenschaft über und wur­de auf deren Seite zu Pionieren wie etwa Aaron Beck. Zur Depression ent­wickelte er die (angeb­lich) ef­fi­zi­enz­erprobte Kogniti­ve Therapie.[21] Wissenschaftler und Phantasten wirk­en demnach auch in der Neuen Welt heute noch neben einander. So gibt es auch dort er­heb­liche Reste von Freud-Gläubig­keit und –Gel­tung. Daß die angesehene amerikanische Ärzte-Zeit­schrift JAMA kürzlich den Beitrag[22] zweier deut­scher Psy­chologen, der die Wirksamkeit der „Tie­fenpsy­cho­logie“ angeblich (!) aus­weist, ist wohl sym­ptomatisch. Der Para­digmen­wech­sel verlaufe insgesamt, so Paris, fried­­lich. Die Sache aber sei entschie­den.

Ihr Sündenregister fliegt den Analytikern und den lange mitgelaufenen US-Psych­iatern nun um die Ohren. Der Schriftsteller E. Dolnick[23] etwa er­innert, wie sie Eltern, in Sonderheit „schizophrenogenen“ Müttern kranker Kinder zu all ihrem Un­glück auch noch die Schuld an deren Leiden aufluden. Dolnick wie Paris meinen beide halb ent­schuldigend jedoch, die Psychiater hätten es halt nicht bes­ser gewußt.[24]

Auf die geschichtliche Entwicklung verweisen auch deutsche Psychiater jetzt gern, nachdem sie die Psychoanalyse über Jahrzehnte Platz greifen ließen. Sie stellen diese und solide Wissenschaft jetzt einmal nach und das nächste Mal neben einander, stellen er­stere als zu­mindest historisch interessant, im Handumdrehen dann aber auch als therapeutisch relevant und somit ebenbürtig hin.[25] Sie geben den Schwindel damit immer noch als honorig-emp­feh­lens­­werte Therapie-Alternative aus, ja benützen den guten Ruf ärztlicher Wissenschaft, um Schwindel zu be­stär­ken. Das Ergeb­nis ist, daß zur Anwendung kommen­de Psychotherapien zu drei Vierteln weiterhin freud-ori­entiert sind (RB 1/06,7.3).

Auch in Ame­rika aber lautet die Anklage nicht nur sanft auf hi­storischen Irrtum, sondern rundweg auf Lüge und Be­­trü­gerei (Torrey, FREUDIAN FRAUD – 3.6). Uns steht in jedem Fall ein entschiedenes Urteil zu: Ohne daß unsere einschlägig über Jahre erhobenen Anklagen je ge­prüft worden wären, wur­den und werden wir ausgegrenzt,  die Freudsche Schwin­del­wissen­schaft aber von obersten Ärztevertre­tern, KV-Boß Köh­ler u.a., weiter be­stärkt, Hil­fesu­chende weiter verschaukelt, Zwangs­­­­bei­träge der Kran­kenversicherten, Millionen-, Milliardensummen in den Sand ge­setzt und das ganze Land irrege­führt.

 

Endnoten:

Endnoten    (↵ returns to text)

  1.   Es gibt auch solche, die unsere Kritik am Psychiatriemißbrauch und unsere Freud-Kritik gegen einander auszuspielen versuchen. Von Anfang an ließen es Gegner an Angriffen  (und Unsinnigkeit ihrer „Argumente“) nicht fehlen. Wir bleiben die einzige Grup­pe im Land, die den Mißbrauchsopfern über mehr als dreißig Jahre kompetent und selbstlos beigesprungen ist. Keine Unterstellung soll uns hin­dern, es weiter zu tun, wie es recht und sinnvoll ist.
  2.   „University“ nennt man das Unternehmen hochstaplerisch, weil das deutsche Wort Universität doch für echte Universitäten steht. Auch das ein Trick, Adepten mit akademischen Aus­sichten zu locken und ihnen Geld abzuknöpfen, Studiengebühr € 32.000. DIE WELT vom 29.11.09 textete gleichwohl: „Die Psychoanalyse hat jetzt eine eigene Universität.“ Echte deutsche Professoren aber machen mit, Käche­le etwa (RB 2/07, 6.1) und Freyberger (RB 2/09,7.2).
  3.   In den Gebührenordnungen der Ärzte steht für je­de erbrach­­te Leistung eine Ziffer und für diese dann ein Geldwert, für Freudsche Leistungen fraglichen Heil-Werts ein extra ho­her Geldwert. Will ein Therapeut sie in Anspruch nehmen, muß sich nur zuvor in jedem Behandlungsfall in einem Gutachten als An­hänger der Freudschen Schwindel­lehre bekennen. Gegen alle Verlockungen ging ich selbst diesen Köder-Ziffern mein Be­rufsleben lang aus dem Weg.
  4. Gegen den Mißbrauch der Psychiatrie in der Sowjetunion nahm ich erstmals in DÄ 38/1972 Stellung  (Replik an den da­maligen Bonner Ordinarius Prof. G. Huber: „Soziale oder so­zia­lisierte Psychiatrie?“). Gegen die Machart der Psychiatrie-Reform richtete sich insbe­son­dere mein Beitrag „Achillesferse Psychiatrie oder: Der Countdown einer Sozialisie­rung“ in DÄ 50/1973. Der Beitrag Vom ’Fach’ und ‚Fach­arzt’ für Psycho­­­the­ra­pie in DÄ 40/75 richtete sich gegen die weitere Etablierung des Psychoanalyse-Schwindels. Der linken Psy­cho-Szene widersprechend – eine andere gab’s damals nicht mehr -, lösten die Beiträge schon viel Empörung aus. Daß im April 1976 noch unser Aufruf zur Gründung unserer Ver­eini­gung in einer ganzseitigen (6000 Mark teuren) An­zeige erscheinen konnte, müssen wir dem Blatt zugute hal­ten. In DÄ 8/85 erschien als Titelgeschichte ein letzter großer Bei­trag von mir: „Zeitenwende in der Me­­dizin?“ (gekürzter Nach­druck in RB 4/99,5).
  5. In RB 1/09, Fn 61 berührte ich meine eigene tiefenpsychologische „Ausbildung“ 1964-66 in Berlin. Ein glück­li­ches Schicksal, die Möglichkeit nämlich, meine fachärztliche (psychiatrisch-neurologische) Weiterbildung an der Univ.-Nerven­klinik in Mün­chen ab­schließen zu können, befreite mich aus ihr. Es dauerte aber noch länger, bis die irritierendsten freudschen Verbildungen abgestreift waren.
  6. DER STACHELDRAHT (für Freiheit, Recht und Demokratie!) 8/09 berichtete über den Kongreß der UOKG am 24.10. 09 und dabei über die Ausführungen der Psychiaterin Ebbinghaus. Daß ihr Leugnen des systematischen Psychiatriemißbrauchs von einer anderen Psychiaterin vor etwa hundert Zuhörern offen als Lüge markiert wurde (RB 2/09,2.1), unterschlug die Zeitschrift. Selbst Opfer-Organe glätten die Geschichte, spielen kommunistische Verfolgung herunter. Darüber sind innerhalb angesehener Opfervereine inzwischen Schlammschlachten aufgekommen.
  7. Die Psychiatrie hat die Angst, die „normale“ wie die krank­hafte, die verbreitetste seelische „Störung“ unter den Menschen überhaupt (RB 1/05,3), lange nicht wahrge­nom­men. Die Soziale Phobie wurde erst in den 1970ern identifiziert und damit (verhaltens-) the­rapeu­tisch und medikamentös effektiv angehbar.
  8. Bormuth M., KARL JASPERS UND DIE PSYCHO­ANA­LYSE, frommann – holzboog, 2002 – s. auch RB 2/07, Fn32
  9.   Fälle politischer Anpassung sind in der Fa­milie mehrfach bekannt geworden.
  10. Infam genug unterstellte Mitscherlich in der Einführung in seine zehnbändige Freud-Studienausgabe, „daß jeder, der intellektuelle Einwände gegenüber der Psychoanalyse oder ihrer richtigen Auslegung hege, sich selbst fragen müsse, ob er nicht zuletzt nur antisemitischen Vorurteilen Folge leiste“, ungeachtet der Einwände auch vieler jüdischer Gelehrter, nicht erst der von Han Israels, RB 1/07, 5.1-2).
  11.   Die Einrichtung des Deutschen Instituts für psychologische Forschung und Psychotherapie unter der Leitung des Hermann Göring-Vetters Matthias habe, so Bor­muth (S. 171), zu bester Nazi-Zeit die (vordem) unterschiedlichen Schulen der Psychotherapie zusammengeführt und so ihre „professionelle Kon­solidierung und Etablierung“ vorangebracht.
  12.   Einzelne richtige Beobachtungen und Schlußfolgerungen einzelner Freudianer und Marxisten hellen  ihre insgesamt ne­gativen Bilanzen nicht auf. In noch so miesen Systemen sind mitunter auch nützliche Dinge entstanden – z.B. Autobahnen.
  13.   Letztlich waren es das Geld der Rockefeller-Stiftung und „der politische Druck des Justizministers Carlo Schmid“, die 1950, schreibt Bormuth, zur Eröffnung der „FreudKlinik“ an der Heidelberger Universität führte.
  14. aus „Einführung in die Psychiatrische Klinik“ (1916): Zu Freud  „läßt sich mit Bestimmtheit aussprechen, daß die Heilerfolge … in keiner Weise über das durch andere Suggestivverfahren Erreichbare hinausgehen.“
  15.   Aus Rechen­schaft und Ausblick Piper, München, 1951. – ähnliche Ausführungen u.a. in Jaspers’ „Kleinen Schule der Philosophie“ von 1964. Zeit seines wissenschaftlichen Lebens ist Jaspers  der Pseudowissenschaft entgegengetreten, versuchte er dem Ungeist zu wehren.
  16.   Schritt um Schritt hat die Ärzteschaft seit dem Kongreß, dem Anlaß der Philippika Jaspers’, alle „Vorsicht, als ob etwas daran sein könne“, fahren lassen. Aus vol­­len Zügen und ungehemmt gab sie der  Schwin­delwissenschaft bei.
  17.   Für ihre Hilfe zu seinem Buch dankte Bormuth s.o.) u.a. der Österreichischen Karl Jaspers Gesellschaft. Auch die­se freilich läßt von der Freud-Kritik ihres Namenspatrons, die diesem doch sein ganzes wissenschaftliches Leben lang ein erstrangiges Anliegen war, nichts mehr verlauten. Das heiße Ei­sen scheint auch ihr zu heiß zu sein.
  18.   laut DÄ 19/08 ein weiterer „Pionier der Psycho­so­ma­tik, Wegbereiter der psychoanalytischen Familientherapie, an­er­kannter Sozialphilosoph, Leitfigur der Friedens­bewe­gung“ usw. usf., kurz: „ein unbequemer Vor­denker
  19. Über den psychia­tri­schen Universitätsbetrieb Bonns hat der deutsch-amerikanische „Sozialpsychiater“  Prof. Karl Koehler im Antipsychiatrieverlag ein Büchlein, eine Groteske herausgebracht: GUMPEL­MANN, 2004, von Zoten triefend.
  20. Bei Aufgabe der Psychoanalyse wird die Psychiatrie das Psychotherapeutische nie aufgeben (können). So viele Sün­den ihr auch anhängen, wird sie weiter frequentiert bleiben. An wen sonst sollen sich die Kranken denn wenden?
  21.   Das ist etwas anderes, als etwa großartige For­schungs­arbeit zu leisten und, auf die Meriten gestützt, dann nach Art Eric Kandels wieder Freud-Kult zu betreiben.
  22.   Leichsen­ring F, Rabung S. Effective­ness of long-term psychodynamic psychotherapy – a meta-ana­lysis. JAMA 2008; 300:1551-65. Die Arbeit ist reichlich verschlüs­selt und so­mit kaum überprüfbar. Sie  suggeriert aber allein mit ihrem Erscheinen in der angesehenen JAMA Stimmigkeit. Dar­an ist de facto gar nichts. Im Beitrag „Zur Wirksam­keit der Psychotherapie“ haben wir in RB 2/02,5.2. die fehlende Stich­haltigkeit der bis dahin vorgelegten Ef­fi­zienz­nach­wei­se ausgebreitet. Selbst wenn nachträglich noch reelle Nach­­weise kämen, gilt unverändert, daß über Jahrzehnte den Be­handlungen jede ernsthaft wissenschaftliche Grundlage ab­ging, sie letztlich betrügerisch waren.
  23. Dolnick Edward, Madness on the Couch: Blaming the Victims in the Heydays of Psychoanalysis, Simon & Schuster, 1998.
  24. Auch moderne Freud-Nachfolger wie J. Bowlby, P. Fonagy u.a. verunsichern Kinder, Eltern und Gesellschaft wahrscheinlich mehr, als sie sie bestärken.
  25.   so etwa Dr. Fric und Prof. Dr. med. Dipl.Psych. G. Laux in NeuroTransmitter 1/2010, in dem Beitrag „Mulitmodale Behand­lungskonzepte für die „Sor­genkrankheit“. Andere versuchen derweil heimlich sich von Freud davonzustehlen (NPZ 1/10 etwa findet: Verhaltenstherapie nützt auch oh­ne Ursachen­klärung.)  Unter dem gleichen Etikett „Psychotherapie“ und immer zum gleichen Preis verkaufen die Herrschaften unterschiedlichste Inhalte, ihre Wirksamkeit nie näher diskutierend. Gern ziehen sie bei passender Gelegenheit aber Freud unter dem Ladentisch wieder hervor.

Aufstieg und Fall Freuds drüben (und hüben?)


Freud, die Psychoanalyse und die Folgen waren über die Jahre oft Themen auch der  GEP-Rund­briefe. Nun kam der Wunsch auf, die umfänglichsten, jeweils spezielle Aspekte beleuchtenden Beiträge im deutschen INFC-Teil zusammenzustellen, um sie den speziell interessierten Lesern leichter und konzentrierter zugänglich zu machen. Freud spielt ja in alles Weitere von uns Behandelte hinein, ist vielfach Ursprung und Basis der von uns aufgezeigten Nöte.

Der folgende Artikel stand erstmals im GEP-Rundbrief 1/08,3. Er war im Januar 2008 beim Rheinischen Merkur zur Publikation ein­gereicht worden. Auf Nachfrage teilte die Redaktion mit, es sei bei ihr für den Be­reich Wissenschaft zur Zeit niemand voll zuständig, um über einen Abdruck zu be­finden. Inzwischen ist das lang bischöfliche unterstützte Blatt sanft entschlafen.

1. Seit hundert Jahren beansprucht die Psychoanalyse Deutungshoheit über den Menschen. Sie wurde ihr nach 1945 von Amerika aus in der ganzen westlichen Welt zunehmend auch eingeräumt. Der Kulturbetrieb, die Medien, die Intellektuellen begeisterten sich an ihr. Die Ärzte machten sie zu einem integralen Bestandteil der gesundheitlichen Versorgung im Land. In dem berühmten Bericht der Enquête-Kommission von 1975 „über die Lage der Psych­­­­­iatrie in der Bundesrepublik Deutsch­land“, einer „Unterrichtung durch die Bundesregierung“(drs 7/4200, S. 293), wurde das „von der Psychoanalyse entwickelte Konzept der Entstehung neurotischer und psychosomatischer Erkran­kungen“ als gesicherte Erkenntnis verkündet und entspre­­chende Behandlungen forciert. „Be­ratung und The­rapie“, hieß es, „müs­­­sen so früh wie möglich einsetzen, um der Chronifizierung von Krisen und Krank­heiten … vorzubeugen.

Nun ist in den letzten Jahrzehnten just von Amerika aus eine Kritik laut geworden, die besagtes Kon­zept von Grund auf erschüttert. Profunde „Freud-Ge­lehrte“ –  die kritische Durchforstung der Gesam­melten Werke Freuds hat tatsächlich etwas wie eine neue Fach­dis­zi­plin hervorgebracht – wiesen die Theorien und Me­tho­den des berühmten Wieners und seiner An­hänger als fragwürdige Kopf­geburten aus.

2.  Unter den vielen Freud-Kritiken, die heute so besonders im eng­lischen Sprachraum kursieren – kaum etwas ist davon auf deutsch erschienen -, ist das Buch des amerikanischen Psych­­iaters E. Fuller Torrey FREU­DIAN FRAUD (Freud’sche Betrügerei), HarperCollins, 1992, besonders bemer­kens­wert. Torrey bekleidete über Jahre eine hohe Stellung am National Institute of Mental Health (NIMH) der USA. Primär um die dortige Situation kreisend, ist sein Buch auch für uns von Belang, weil hier­zulande doch nur bruchstückhaft bekannt ist, wie die Lehre „drüben“ ihre Geltung erreichte, bevor sie dann über uns kam.

Seine erste Anhängerin in Amerika fand Freud, so Torrey, in der Anar­chi­stin-Femi­nistin Emma Gold­man, die ihn, die gesellschaft­­liche Sprengkraft seiner Sexualtheo­rien erfassend,[i] schon 1895 in Wien aufgesucht hatte. Auch über zwischenzeitliche Inhaftierungen und ihre spätere Abschiebung in ihr (nach 1917) sowjetisches Herkunftsland[ii] hinaus blieb sie seine umtriebige Propa­gan­­­­distin. 1909 weilte Freud zu einem Vortrag an der Clark University in Worcester, Massachusetts, „Red Emma“ in der er­sten Reihe seines Auditoriums. Auch danach brachten Freud weiteren Zulauf nicht die the­ra­peu­ti­schen Versprechen seiner Lehre, sondern deren „Sex-Appeal“ – insbesondere im links-li­beralen New Yorker Künstler-Vier­­­­tel Greenwich Village bei den dort zentrierten In­tel­lek­tuel­len, Mar­­xisten, Trotzkisten, „Freigeistern“, brachte ihm zu­dem die för­dern­de Aufmerksamkeit einflußreicher Medien.

Weiter bekannt und bedeutsam wurde die Psychoanalyse über den lang und heftig anhaltenden Aus­ein­an­derset­zun­gen in den Staaten um „nature / nurture“, zwischen solchen also, die den Menschen vom Ererbten[iii] und solchen, die ihn vom Erlebten her erklärten. Bei Freuds Betonung frü­her sexueller Kind­heitstraumen standen die Freu­dianer natürlich auf Seiten letzterer und be­haup­­teten mit ihnen dann auch das Feld. Ihnen gesellten sich ab 1933 die aus Nazi-Deutsch­­land vertriebenen Analytiker zu, die aus der alten „Nähe zwischen Freud und Marx“ jetzt so etwas wie eine „Bluts­gemeinschaft“ mach­ten, „Partisan Review“, das führende In­tel­lek­tuel­lenmagazin der USA damals, die Presse, die Theater des Broadway, die Sozialarbeit und Sozialpädagogik ihr bevorzugter Tummelplatz und Resonanzboden.

3.  Freud gewann so ab den 20ern in den USA zunehmend Einfluß auf die Kindererziehung, die Rechtsprechung, das Meinungsklima insgesamt. Erster Höhepunkt 1945 unter dem Eindruck der Bilder vom Holocaust – Freud selbst ein Verfolgter, vier seiner Geschwister in KZs er­mordet. Als mit dem dann einsetzenden „kal­­ten Krieg“ eine Distanzierung von Stalin und damit auch von Marx not­wendig wurde, stieg Freud, jetzt posthum, bei den ame­rikanischen, zur Hälfte jüdischen Intellek­tuellen als Idol noch höher, womit er auch in deutschen Landen wieder landen konnte, hier wie dort[iv] bald von den Linken wieder eingeholt, neuen Linken, Fidel, Che, Ho Chi Minh, Mao, Marcuse usf., ihre nicht nur stu­den­ti­sche Suite in den Staaten meist als „li­be­ral“ ge­han­delt, primär so von den „Demokraten“, ansonsten „außerpar­lamentarisch“ unterstützt, ab Mitte der 50er u.a. von und mit der „Mental Health-Bewe­gung“.

Sie konkretisierte sich unter John F. Kennedy ab 1963 auch über die Kuba-Krise hin­weg in kompakten Einrichtungen und Programmen, u.a. in über das Land verteilten, aus Bun­des­mit­teln getragenen Com­munity Mental Health Centers (CMHC). In ihnen sahen manche früh-so­wje­tische Utopias „neuer Men­schen(ma­che)“ wieder auferstehen. Sie wurden aber auch von „Republikanern“ letztlich akzep­tiert. Sie verspra­chen, psychischer Krank­heit und sonstigen Übeln, nicht zuletzt der Ar­mut zu wehren, ja ihnen vorzubeugen, versprachen gar „die psychische Gesund­heit der Bevöl­kerung“ zu vermehren. In jedem Fall ver­breiteten sie Freud’sche Ideologie weiter und vermehrten, ver­zwan­zig­fach­ten die Zahl der „Psycho-Pro­fis“. Sie nährten, verbreiteten  den Rauschzustand der 68er Kulturre­vo­lu­tion, womit sich der Freud-Marxis­mus noch fester in ALLE Winkel der amerikanischen, ja der westlichen Ge­sell­schaf­­ten eingrub, besonders in Erziehung, Schu­le, Uni­ver­si­täten, Medien, die Unterhal­tungs­in­dustrie, die Recht­sprechung, die Kirchen und nochmals natürlich in die Heilkunde selbst, besonders Psych­iatrie und Psy­cho­lo­gie. „McFreud“ über­all – hüben und drüben. Dort freilich begann in den 70ern mit Henry F. Ellen­berger[v] auch schon der Paradigmenwechsel, die Ent­­zau­be­rung Freuds.

4.  Es ist hier nicht Platz, Torreys Ausleuchtung der psychoanalytischen Durchdringung ALLER Lebensbereiche in den USA nachzuzeichnen. Ein Bereich nur sei wegen seiner Aktualität auch hier­zulande als Beispiel herausge­griffen, die Durchsetzung und da­mit Verwandlung der Rechts­prechung. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde im angelsächsischen Strafrecht die Schuld eines Verbrechers bei offensichtlicher psychischer Erkrankung als aufgehoben oder vermindert angesehen, fraglos ein hu­ma­nisierendes Element in der Rechtspraxis (RB 2/07, 2.1). Schon ab den 20ern aber wurde, so Torrey, die Gerichtspsychiatrie in den USA mehr und mehr von Freu­dianern (W. Healy, B. Glueck, W.A. White, später K. Men­ninger) besetzt. Sie stellten das Prinzip der Schuld grundsätzlich in Frage und machten damit 1924 erstmals Geschichte. Zwei junge, aus wohlhabenden Familien stam­men­de Män­ner, Leopold und Loeb, 19 und 18-jährig, hatten wohl durchdacht ein 13-jäh­­­riges Mäd­chen ermordet und ihre Leiche in einem Ab­wasserkanal nahe Chicago „entsorgt“. Vor Gericht pauk­ten sie geschickte An­wälte und als Zeugen der Verteidigung einige der besagten Psycho-Experten unter an­ge­le­gentlicher Teilnahme der Medien[vi] heraus.[vii]

Das Verbrechen war laut Healy „nur möglich aufgrund psychischer Abnormität mit pathologischer Spaltung der Persönlichkeit“. Die Schuld, sagte Glueck, läge bei den El­tern. White, der Star-Foren­si­ker damals, der ge­rade Prä­sident der ame­­­rikanischen Psychiaterfachgesellschaft ge­worden war, lastete ihnen bei aller Zuerkennung be­ster Ab­sichten „Vernachlässigung“ an. Standesgemäß waren die Täter in ihrer Jugend von Kindermädchen betreut wor­den. Eines da­von, so White, sei „prüde und streng“ gewesen, habe „schrecklich zu den Haus­aufgaben an­gehalten“. „Als Konsequenz solcher Kind­heits­erlebnisse“ hätten sich die „antisozialen Tendenzen“ entwickelt.

Besagte Ex­perten,[viii] die natürlich höchste Honorare kassierten – White, der gleichzeitig Beamter war, wurde später dafür belangt -, setzten eine Praxis in Gang, die den genannten vernünftigen Rechts­grundsatz leicht pervertierte. Glueck hatte in seinem Buch „Studies in Forensic Psych­­­iatry“ allem Verbrechen ein „psychisches Trauma“ zugrunde gelegt. White, der Verbrecher als „Geiseln ihres Unbewußten“ darstellte, plädierte konsequent für die Abschaffung aller Gefängnisse und ihren Ersatz durch Psych­iatrische Behandlungszentren, ähnlich wie es der Früh-Kom­munist Wilhelm Weit­ling vordem schon gefordert hat (RB 3/78, S. 19). Das Problem der Schuld wird von Psych­­­­­iatern, Psy­chotherapeuten, heute auch „Neuro-Wis­senschaftlern“ (RB 1/04,4.1-4) immer wie­der gewälzt. Außer in dem Ausnahmefall ernster psychi­­scher Erkrankung konnten sie es freilich näher nie be­stimmen. Hier­zulande diskutiert man aus aktuellem Anlaß, wann Ju­gend­strafrecht beginnen oder enden soll.

5.  Während Freud hierzulande aber mit der 68er Re­vo­lution erst voll zur Geltung kam, begann „drü­ben“, wie ge­sagt, schon sein Abbau. Zunehmend wurden an Freud Unregelmäßigkeiten entdeckt, wozu einige sei­ner eigenen Mitteilungen beitrugen. Mit Sigmund Freud – Briefe an Wilhelm Fließ 1887 – 1904 brachte  Jeffrey M. Masson, ein dissidenter Analytiker, 1985 erstmals auf englisch (deutsche Ausgabe 1986 bei S. Fischer) die vertraulichen Mitteilungen des Meisters an seinen lang­jährigen Intimus un­gekürzt (!) heraus. Mit ihnen kam die kritische Freud-For­schung in eng­lisch- und französisch-sprachi­gen Ländern in Schwung, auch dort na­türlich gegen ge­nügend Widerstände. Es wurde jetzt möglich, Freuds „offiziell“ ausgedruckte Be­haup­­tungen mit vertraulich abgege­benen zu vergleichen. Eine Fülle von Ungereimt­­heiten, ja eine sein ge­samtes Werk durchziehende Unredlichkeit tra­ten so ans Ta­geslicht. Einige Beispiele:

–          Freud empfahl 1884 – es war quasi sein erstes eigenständiges Forschungsprojekt – seinem über qualvollen Schmerzen morphinabhängig gewordenen Freund und Kolle­gen Fleischl von Mar­xow das damals noch unerforschte Kokain zur Entwöhnung. Er publizierte die „Entziehungskur“ im gleichen und folgenden Jahr als erfolgreich, wobei er empfahl, bei „ähnlichen Entziehungskuren Cocain in subcuta­nen In­jectionen… zu ge­ben und sich vor der Häu­fung der Dosen nicht zu scheuen“ (Z. für The­ra­pie, 1.4.1885). Der Freund kam darüber innerhalb kürzester Zeit weiter herunter. Er wurde zusätzlich kokainabhängig. Freud aber verteidigte sein Vorgehen als heilsam öffentlich weiter. Es wurde bald von einem anderen Arzt, dem Sucht-Kli­niker Erlenmey­er überprüft und als nichtsnutzig verworfen. Freud behauptete darauf (1887), Erlen­meyer habe sich nicht an seinen Dosierungsvorschlag ge­hal­ten und ha­be ent­gegen seinem Rat „sub­­kutane Injektionen gegeben“ (Wiener Med. Wo­chen­­­schrift, 9.7.1887).

–          Im Fall der (1880-81 von Josef Breuer behandelten) Anna O. (Berta Pappenheim), pu­bli­ziert von Breuer und Freud  zusammen in Studien über Hysterie, 1895, berichteten die Autoren von der „wun­­derbaren Tat­sache, daß vom Beginne bis zum Abschlusse der Erkrankung alle … ihre Fol­gen durch das Aussprechen in der Hypnose dauernd beseitigt wurden…“ De facto wurde nichts „dauernd beseitigt“. Vielmehr mußte die Patientin unmittelbar nach Breuers Psychotherapie klinisch eingewiesen wer­den.

–          Auch bei seinen eigenen psychotherapeutischen Behandlungen ab 1894 berief sich Freud in Wort und Schrift immer wieder auf therapeutische Erfolge. Seinem Intimus Fließ aber gestand er am 3.1.1897 im Hinblick auf einen bevorstehenden Kongreß: „Viel­leicht habe ich bis Ostern einen Fall zu Ende gebracht“, was doch heißt, daß er bis da­­hin noch nicht eine einzige Behandlung erfolgreich ab­geschlossen hatte.

–          Von diesen Behandlungen behauptete Freud auch spä­­­­­­­ter noch, seine Patient/inn/en hät­ten ihm von se­xu­ellen, in der Kindheit erlittenen Traumen, Ver­füh­run­gen durch ihre Väter berich­tet („ha­bemus papam“, et­wa: Da haben wir den Vater, schrieb er spöttisch-tri­umphierend an Fließ), während weitere vertrauliche Mitteilungen an diesen zeigen, mit wel­cher Kalt­schnäu­zigkeit, ja Brutalität er ihnen solche „Er­in­ne­rungen“ aufdrängte.

–          In seinem „Traum­­muster“ (2. Kapitel der 1899 fertig gestellten TRAUMDEUTUNG) nimmt Freud Bezug auf seinen (angeblichen) Mustertraum vom 23./24.07. 1895 und bei dessen Ausdeutung auf eine Di­ph­the­rie­er­krankung seiner Tochter Mathilde im Jahr 1893. Er exem­pli­fi­ziert daran die Tätigkeit „des Unbewußten“, macht letztlich seine Traum­theorie, die Letztfassung seiner gesamten Lehre daran fest, wie­wohl es bei Mathilde zum ange­gebe­nen Zeitpunkt – sie machte die Krankheit 1897 durch – eine Di­phtherie, die Immunität hinterläßt, nicht gegeben haben kann (Wil­cocks, RB 1/06,4.3). Der „Mustertraum“, Eckstein quasi des Freud’schen Theoriegebäudes, steht damit auf Sand. Dem ruhm- und karrierebedachten Freud war offensichtlich selbst die lebensbe­drohliche Krank­­heit seines Kindes eine Lüge wert.

Manche dieser Flunkereien lagen von Anfang an offen auf. Einige wurden erst in jüngerer Zeit aufgedeckt. Viele angesehene Gelehrte verschiedenster Disziplinen und unterschiedlicher, auch jüdischer Herkunft haben daran An­teil, unter ihnen der Kinderpsychologe Jacques Bénesteau, Toulouse, mit Mensonges freu­diens, der Philosophieprofessor Frank Cioffi, Canterbury, mit Freud and the Question of Pseudo­science, der Literaturprofessor Frederick Crews, Berkeley, mit u.a. Follies of the Wise, der Mathematiker Allen Esterson, London, mit Seductive Mirage, der Psychologe Prof. Malcolm Macmillan, Mel­bourne, mit Freud Evaluated, der Pädagoge Prof. Max Scharn­berg, Upp­sala, mit The Non-Authentic Nature of Freud’s ObServa­tions, der Philologe Richard Webster, Suffolk, mit Why Freud was wrong, der Literaturprofessor Robert Wil­cocks, Edmonton, mit u.a. Maelzel’s Chess Player – Sigmund Freud and the Rhetoric oF De­ceit, um nur einige der ak­tuellsten Forscher auf dem Gebiet und einige ihrer gewichtigen Schriften zu nennen. Die Psychiater Henry F. Ellenberger und E. Fuller Torrey wurden mit ihren Beiträgen schon vor­gestellt.

6.    Entsprechend sind insbesondere in den angelsächsischen Ländern sowohl die Zahlen ana­ly­tischer Behand­lun­gen als auch der Ausbildungskandidaten stark rückläufig. Wie Paul Roazen, ein ebenfalls leicht dissi­den­ter, in­zwischen verstorbener Analytiker, im AMERICAN  Journal of Psychiatry vom Oktober 1994 mit­teilte, war eine Freud’sche Zusatzausbildung in den 60ern Vorbe­din­gung zur Erreichung höherer Funktionen in der Psychiatrie, etwa auch in der Weiterbildung des Nachwuchses. 30 Jahre später war sie für eine solche Po­si­ti­on eher zum Hindernis geworden. Bénesteau nennt in dem genannten Buch eine Reihe ähnlicher Hin­­weise, die den Rück­gang Freud’schen Einflusses in Amerika anzeigen.

Dabei ist Freud auch „drüben“ keineswegs schon erledigt. Erst kürzlich kam das Buch des Psychiaters  und Psychoanalytikers George Ma­kari heraus, Re­volu­tion in Mind: The Creation of Psy­ch­o­­ana­lysis, HarperCollins, New York, 2008, 630 Seiten, über 80 Seiten erklärender End­noten, kennt­nis­reich, flüssig geschrieben. Makari berührt gar einige der oben angeführten Kritikpunkte. Die meisten freilich übergeht er, den Kern ohnedies. Er bleibt letztlich bei der alten Freud-Vergötzung. Im englischen Teil un­serer INFC-Website erschien umgehend Wilcocks’ Kritik des Buches.

In der heutigen Aus­einandersetzung spielt eine wesentliche Rolle, daß mit dem Internet jetzt verlags­un­ab­hän­gige Möglichkeiten der Veröffentlichung exi­stieren, die einen raschen, welt­weiten Informa­tionsaustausch unter den fachlich Interessierten ermöglichen. Das In­ternationale Netzwerk der Freud-Kri­tiker (INFC) publiziert aktuelle Beiträge auf englisch, französisch und deutsch und gibt somit auch dem deutschsprachigen Leser Zugang zu einer der weltweit lebhaftesten Auseinandersetzungen um Mensch und Gesellschaft, von denen er über 30 Jahre abgeschnitten war.

Das markiert in der bei weitem noch nicht ausgestandenen Auseinandersetzung den großen Unter­schied zwischen neuer und alter Welt, daß Freud, der drüben rasch und nachhaltig zur Geltung kam, dort jetzt kritisch dis­kutiert, wenn nicht zerpflückt wird, während er „hüben“, insbesondere im deutsch­spra­chigen Raum erst nach ’45, mehr noch nach ’68 zur Geltung kam, dafür hier jetzt um so unangefochtener herrscht. Von all den lebhaften Kontroversen um Freud im Ausland ist hier kaum etwas be­kannt, geschwei­ge daß nachhaltige Beiträge dazu ge­leistet worden wären.

7.  Was die therapeutische Wirksamkeit der Analyse betrifft, so tendierte diese seit den Tagen der Anna O. gegen Null. Kürzlich stellte dies auch der GEKReport 2007 der Gmünder Ersatzkasse fest. Torrey selbst spricht al­len Psychotherapien eine gewisse Effektivität zu. Glei­che Wirksamkeit aller Psychotherapien hebt freilich auch den Wert aller hinter ihnen stehenden Konzepte einschließlich der Freu­d’schen von den frühkindlichen Trau­mati­sierun­gen bis zum Ödi­­pus­­kom­plex als Ursache späterer Neurosen auf, ihren Wert als the­rapeuti­sches Agens.

Torrey  streift kurz ungünstige Therapieausgänge. Schon eine im Vergleich zum Bevölkerungs­durch­schnitt ungewöhnlich große Zahl früher Freudianer beging Suizid. Jacques Bénesteau führt das in seinem o.g. Buch weiter aus. Vielen Freud-Gläubi­gen, so Torrey, wur­de ihr Glaube an Freud zur sä­kularen Ersatz­religion. Wil­helm Stekel etwa nannte sich „Apostel Freuds, der mein Christus war.“ Auch sein Glaube an die ma­teria­li­stischen, deterministischen Konzepte des Meisters erwies sich als wenig tragfähig. Freud selbst glaubte an Telepathie, Telekinese und ähnlich obskures Zeug, verachtete nur Religion. Noch kurz vor dem Einmarsch der Nazis in Wien bezeichnete er die katholische Kirche als seinen „wah­ren Feind“.

8.  Das Buch Torreys könnte für uns im Deutschsprachigen bedeutsam sein, weil es Versteigungen zu­recht rückt, die mit den 68ern in der Seelen­(heil)-kunde auch hier Platz gegriffen haben. Die Ver­spre­chen wachsender „psychischer Gesundheit der Bevölkerung“ etc. ver­­fingen hier nicht we­niger als drüben, wurden im übrigen hier so wenig wie dort eingelöst, geschweige daß die Psychoanalyse einem menschlichen Ge­brechen oder gesellschaftlichen Übel je „vorgebeugt“ hät­­te. In jedem Fall aber ist es gut, einmal zu er­fahren, wie die Freud-in­spi­rierte Psych­iatrie-Re­form „drü­ben“ so gelaufen ist. Mit Gesund­heitsre­formen ist man „hü­ben“ zumindest rege weiter beschäftigt.

Am drängendsten ist sicher die Frage nach der Wirksamkeit der Psychotherapie, der Freud’schen wie jeder anderen. Unbe­stritten ist die Wichtigkeit des „Wortes“ in der Heilkunde, unbestritten auch, daß das „richtige“ Wort in schwierigen Lebenssituationen erleichternd, ja rettend sein kann, umstritten freilich wie eh und je, ob es lehrbar für alle Wechselfälle des Lebens, insbesondere aber Krank­heiten oder krank­heitswertige Störungen ein solch „rich­­tiges Wort“ gibt, für Fäl­le also, in denen Psycho­the­rapie nach den gesetzlichen Bestimmungen allein zur An­wendung kommen darf. Immerhin sind da nicht nur Millionen-Beträge, sondern vor allem Menschenschicksale im Spiel. Ob darüber hierzulande noch eine realistische Diskussion aufkom­men wird? Entgegen dem, was be­sagte „Unterrichtung durch die (da­mals sozial-libe­rale) Bundesregierung“ als gesichert ausgab, erscheinen Freuds Konzepte heute zweifelhafter denn je.

In Deutschland sieht es dennoch so aus, als wollte die „Psycho-In­du­strie“ (Dineen, RB 2/01,3.1) noch zulegen. Fragen nach ihrem therapeutischen Wert beantwortet sie weiter mit Vorspiegelungen. In DÄ 8/08 behauptete der BÄK-nahe Psychologe Prof. D. Schul­te kürzlich, es ginge heute um neue Metho­den psychothera­peu­ti­scher Be­handlung und ihrer Überprüfung. Als neu führte er die In­terper­sonelle Psychotherapie der H. St. Sullivan und G. B. Chisholm an. Letzterer, der erste Generalsekretär der WHO, bestimmte 1945 (!) „als Ziel aller effektiven Psy­cho­therapie die Aus­merzung von Gut und Böse“. Das Buch George Makaris RE­VO­LUTION IN MIND wird auch in Deutschland jetzt offen­sichtlich viel gekauft, weil sich die Freudianer davon neue Munitionierung versprechen. Freuds Sa­che wird weiter machtvoll „von oben“ ge­stützt. Allein von dieser politischen Unterstützung lebt sie. (3.1) Ob sie „ewig“ so leben kann, bleibt die spannende Frage.


Endnoten:

[i] Zitate aus Freuds Drei Abhandlungen zur Sexu­al­theo­rie (1905): ,,Die Mehrzahl… (ist) der Aufgabe der Ab­stinenz konstitutionell nicht gewachsen…. Die Zunahme der nervösen Erkrankungen (rührt) von… der sexuellen Einschränkung her; … (ist) der Sexual­ver­kehr in legitimer Ehe eine volle Entschädigung für die Einschränkung vor der Ehe… (?) Das Material zur verneinenden Beantwortung die­ser Frage drängt sich so reichlich auf… “  In dem Buch heißt es auch, der ,,Ele­mentar­unter­richt‘  müsse „das Gebiet des Geschlechts­lebens mit umschlie­ß(en)“ und die „We­sens­gleich­heit von Mensch und Tier“ lehren. Gewiß waren und sind das populäre Thesen. Waren und sind sie aber gesichert? Waren und sind sie nicht schon das fast komplette 68er Programm?

[ii] nach Aberkennung ihrer durch Heirat erworbenen US-Staats­bürgerschaft.

[iii] Eugeniker veranlaßten ab1907 in 20 US-Bundes­staaten Gesetze zur „Verhütung der Fortpflanzung Krimineller, Schwachsinniger, Syphilitiker, moralisch und sexuell Perverser“ usf. Bis 1933 wurden so in den USA an die 20.000 Zwangssterilisationen durchgeführt. Über solch grausigen Überziehungen biologischer Konzepte – hierzulande fielen sie bekanntlich noch grausiger aus – war nach 1945 in den USA auch die Selbstverständlichkeit bald nicht mehr diskutabel, daß im Menschen Erlebtes und Ererbtes wirksam sind. Gleichzeitig wurden dort in großem Um­fang verstümmelnde Lobotomien durchgeführt und – DÄ 18/08 vermerkt’s – un­kritisch gepriesen, so unktitisch wie hierzulande heute die Psychoanalyse.

[iv]  Ende der 40er bestand über die Hälfte der Mitglieder der internationalen Freudianer-Zunft (IPA) aus Amerikanern.

[v] Henry F. Ellenberger, THE DISCOVERY OF THE UN­CON­SCIOUS, Basic Books, New York, 1970, deutsch DIE ENT­DECKUNG DES UNBEWUSSTEN, Diogenes, 1985, 1226 Seiten.

[vi]  Sie luden Freud zu dem Termin, boten ihm „welche Summe auch immer“ er verlange. W.R. Hearst, Eigner des Evening American, bot Freud ein eigenes Schiff für die Überfahrt, damit er sie in Ruhe überstünde, „durch an­de­re Pas­sagiere nicht gestört“. Freud mußte infolge einer notwendig gewordenen Kieferoperation absagen.

[vii] Einen ähnlichen Fall haben wir in RB 1/04,4.5 vorgestellt, den des jugendlich sadistischen Serien-Mörders Bartsch, den 1967 un­ter ähnlichem Medien-Tamtam und mit ähnlichen „Argumenten“ herausgepaukt zu haben, sich der Münchner Star-Anwalt Bossi 2004 noch brüstete.

[viii]  Mit ihnen eng verbunden der von uns wiederholt vorgestellte G. Brock Chisholm M.D. (Bild in RB 2/07, 7.8), er­ster Ge­neral­sekretär der WHO, der „die Uminterpretation und letztlich Aus­merzung des Konzepts von Richtig und Falsch“ als „die letz­ten Ziele praktisch aller effektiven Psychotherapie“ be­stimmte und fortfuhr: „Wenn das Menschengeschlecht von seiner es ver­krüp­pelnden Last von Gut und Böse befreit werden soll, müssen es Psychiater sein, die hierfür die Verantwortung übernehmen…“ Auch Torrey vermerkt es kritisch.

Freuds Eroberung des Katholizismus


Freud, die Psychoanalyse und die Folgen waren über die Jahre oft Themen auch der  GEP-Rund­briefe. Nun kam der Wunsch auf, die umfänglichsten, jeweils spezielle Aspekte beleuchtenden Beiträge im deutschen INFC-Teil zusammenzustellen, um sie den speziell interessierten Lesern leichter und konzentrierter zugänglich zu machen. Freud spielt ja in alles Weitere von uns Behandelte hinein, ist vielfach Ursprung und Basis der von uns aufgezeigten Nöte. Der folgende Artikel unter dem Titel „Die Gewinne der Freudianer beidseits des Rheins, ihr Zerrinnen heute beidseits des Atlantiks“ stand erstmals in GEP-Rundbrief 1/05, Kapitel 5

Bei den vielen irrlichternden Geistesgrößen in den westlichen Gesellschaften erweist sich die katho­lische Kirche oft noch als Fels in der Brandung , gewinnt sie in der Diskussion der mensch­lichen wie gesellschaftlichen Probleme auch bei nicht kirchlich Gebundenen darob zunehmende Aufmerksamkeit und Wertschätzung..Andererseits scheint es oft, als ginge die Welle des Zeitgeists auch über sie hinweg. Eines der inter­­essantesten Kapitel ist das zunehmende Eindringen des Freudismus, einer der wirkmächtigsten anti­christlichen Ideologien, in die Kirche. In RB 2/02.1 beleuchteten wir, wie sich das in Deutschland abspielte [1]. Bénesteau beschreibt in MENSONGES FREUDIENS (S. 311 ff) wie es in Frankreich und letztlich international ablief. Folgend ein Auszug:

„… Die Eroberung des Katholizismus, des kirchlichen Milieus durch die Freudianer geht zumguten Teil auf die Umtriebe der Maryse Choisy [2] zurück. Lange stand der Freudismus ob seines offen antireligiösen, vor allem antikatholischen und kulturfeindlichen Inhalts auf den Index, besonders unter Pius XII. Dieser begann gar eine Disziplinierungsaktion im Klerus, der sich allzu bereitwillig von den Sirenenklängen des neuen säkularen Dogmas einlullen ließ. Wie Maryse Choisy in ihren Memoiren von 1925-1939 schreibt – ihr Untertitel: „Sur le chemin de Dieu on rencontre d’abord le diable (Auf dem Weg zu Gott trifft man erst einmal den Teufel)“ –, mußte sie zuerst zum  Kom­­mu­nismus schwingen [3] , bevor sie im Zuge ihrer Begegnung mit Pierre Teilhard de Chardin 1936 zum Katholizismus konvertierte.

Mit religiöser wie psychoanalytischer Prominenz sich umgebend, verbreitete sie durch ihre Zeitschrift PSYCHÉ die Idee einer heiligen Allianz und kreierte darüber hinaus, um ja weit genug auszuholen und ja nicht eine Richtung außer Acht zu lassen, die ’Alliance Mondiale des Réligions’. Sie orga­ni­sier­te im April 1953 einen Kongreß katholischer Psychotherapeuten in Rom. Als Frucht davon kam sie in Begleitung des Lacan-Analytikers Serge Leclaire zu einer Privataudienz beim Heiligen Vater, an der auch Jacques Lacan , der neue Großmeister (der Bewegung in Frankreich – W), teilnahm, der endlich den Fischerring küßte (RB 2/02,1).

Man mußte jedoch auf Johannes XXIII., den Nachfolger Pius’ XII., warten, um ein wirkliches Nach­lassen der Wachsamkeit der katholischen Autoritäten zu erreichen. Zu dieser Zeit war es nun soweit, daß eine große Zahl von Jesuiten dem Freudismus zuneigte, nachdem dieser in die Religion eingedrungen war und beide Dogmengebäude begannen, in einander zu fließen. Einige (Priester) konnten in der Soutane direkt vom Beichtstuhl weg zwischen zwei Messen in der Sakristei ihre „Kuren“ (Lehranalysen – W) machen und in weniger Zeit, als es zur Segnung des Weihwassers brauchte, in Weihrauchschwaden vom Vaterunser zum (Freudschen) Penis-Neid gleiten.

Zu Beginn der 60er Jahre führte Pater Gregoire Lemercier sechzig Benediktiner-Mönche zu einer Gruppenanalyse zusammen, die von zwei offiziellen Analytikern der IPA in einem mexikanischen Kloster in der Nähe von Cuernavaca geleitet wurde. ‚Zwei Jahre später verließen Lemercier selbst und 40 Mönche den Orden, um sich zu verehelichen oder (noch komfortablere) sexuelle Beziehungen einzugehen“ [4] Andere verließen die Kirche, um ihre integren Seelen dem „göttlichen“ Freudismus zu überantworten, z.B. Francois Roustang, ein Jesuitenpater ursprünglich bis zu seinem Treffen mit Serge Leclaire. Diesem verdankt er sein Ausscheiden aus dem Orden, dann seine Heirat und zeitweilige Vermählung mit dem Lacanismus, von dem er sich auch wieder scheiden ließ, um sich, als er von der Analyse gleichfalls enttäuscht war, der Hypnose zu ergeben.

Mitte der 50er Jahre nahmen nach einer ersten Untersuchung von Moskovici 75% der katholischen Publikationen eine sehr positive Haltung zum Freudismus dahingehend an, daß er mehr praktizierenden Fa­mi­lien (60%) zusagte als nicht praktizierenden oder indifferenten (34%). 20 Jahre später wie­derholte Moskovici die gleiche soziologische Studie zum Thema … und zeigte dabei ein noch substantielleres Eindringen der freudschen Idee in das Gemeinwesen und die Kultur. Aus ihrer dominanten Position heraus trug diese Idee jedoch nur teilweise zum opportu­­nisti­schen Wiederaufleben des Kommunismus nach Stalins Tod bei…

Freud sah in den Riten und Gedanken des Christentums Hinweise auf eine an die Zwangsneurose heranreichende psychische Pathologie. Was die Psychoanalyse stört, ist ein Glaube, der nicht Psycho­analyse ist. Sind doch Analytikern irrationale religiöse Glaubensrichtungen und Ideologien, Marxismus inbegriffen, wenn nicht vom Freudismus imprägniert, analytischer Interpretation bedürftig, wenn sie schon nicht behandelbar sind. Die russischen Opponenten gegen das kommunistische Re­gime wurden zu Geisteskranken erklärt (zu „asymptomatischen Schizophrenen“) und erhielten die ‚verdiente’ Behandlung…“

 

Endnoten    (↵ returns to text)

  1. Noch kurz vor dem Einmarsch der Nazis in Wien nannte Freud die katholische Kirche „meinen wahren Feind„. In Deutschland sorgten für seine Akzeptanz im katholischen Milieu besonders Albert Görres und natürlich Christa Meves. Verschleiernd sprach sie statt von Psychoanalyse stets von „Tiefenpsychologie“.
  2.  Bénesteau schildert sie als Hanna Dampf in allen Gassen, die sich im richtigen Moment am richtigen Ort ein fand, um Verbindungen mit wichtigen Personen zu knüpfen, eine Journalistin, die leichten Zugang zu den Mächtigen und Berühmten hatte, zu Staatsleuten, Gelehrten, katholisch Prominenten, Ärzten, Schauspielern, Schriftstellern, zu „all denen, von denen man spricht, damit das Volk zuhört.“ 1946 gründete sie „PSYCHÉ – Revue internationale de Psychoanalyse et des Sciences de l´ Homme“, die seit 1947 auch in Deutschland erscheint, hier u.a. von A. Mitscherlich begründet als „Zeitschrift für Psychoanalyse und ihre Anwendungen“.
  3.  Zuerst schwang Choisy zum Okkultismus, gründete AROT, L’Association pour la Rénovation de l’Occultisme Traditionel. Ein Okkultist war freilich mit anderen Psychoanalytikern auch Freud selbst.
  4.  Roudinesco E. & Plon M., DICTIONAIRE DE PSYCHANALYSE, Fayard, (1997) 241